Der
Brüder-Grimm-Platz
Zur
aktuellen Planungsdiskussion
Der Brüder-Grimm-Platz wurde im Mai 2022 vom Verband Deutscher
Kunsthistoriker e. V. auf die Rote Liste bedrohter Kulturdenkmäler
gesetzt (externer
Link).
Im Juli 2022 unterzeichneten zahlreiche überregionale Fachleute
aus Denkmalpflege, Garten- und Kunstgeschichte einen Offenen
Brief. Darin wird gefordert,
·
die
historischen Sichtbeziehungen frei und erlebbar zu halten,
·
das
denkmalgeschützte Erbe zu erhalten, es in ein neues Gesamtkonzept zu integrieren,
zu stärken und ggf. veränderten Nutzungsanforderungen
gemäß weiterzuentwickeln.
Immerhin sind
alle funktionalen Forderungen des Förderprojekts und des Wettbewerbs im
historischen Bestand entweder schon angelegt oder leicht umsetzbar. Zwar sind
auch einige Grundideen des aktuellen Entwurfs historisch sogar schon angelegt
– zum denkmalpflegerischen und gestalterischen Problem werden aber die
Schlussfolgerungen, die in der Planung gezogen werden.
Auch der Arbeitskreis für Denkmalschutz und Stadtgestalt Kassel
unterstützt diese Forderungen. Die letzten Planungsänderungen haben
an der Grundproblematik nichts verbessert.
Der Arbeitskreis fordert daher
weiterhin die Einbeziehung der denkmalgeschützten Bestandteile des
Brüder-Grimm-Platzes und des vorderen Fürstengartens in die
Umgestaltung.
Zur Gesamtthematik vgl. fünf Faltblätter des Arbeitskreises für Denkmalschutz und Stadtgestalt vom 2.6.2022 (fünf Doppelseiten, jeweils als Außen- und Innenseiten eines Faltblatts)
Vgl. auch eine Kurzfassung in: Mitteilungen des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde (MHG) 2022, S. 68–70.
Zu weiteren Stellungnahmen und Untersuchungen vgl. http://www.presche-chr.de/christian/Dateien.htm
Oben: denkmalgeschützter Bestand von
1964/65 –Aufenthaltsqualität durch Sitzbänke und bunte
Bepflanzungen, zugänglich durch einen abgestuften Weg mit
charakteristischer Materialkombination (hier: Frühjahrsbepflanzung 2007).
Unten: Blick aus der Wilhelmshöher
Allee auf den Platz – der weite, städtische Platz dient als Gelenk
zwischen (Innen-)Stadt und Allee; Torgebäude und Brüder-Grimm-Platz 4
sind architektonische Gegenstücke zum Wilhelmshöher Schloss am
anderen Allee-Ende.
Gemäß der aktuellen Planung
(Stand Oktober 2022): Blick auf die Südostseite – verbesserte
Aufenthaltsqualität durch große, ausgedehnte Pflasterflächen
und eine unzugängliche Platzmitte?
Gemäß der aktuellen Planung
(Stand Oktober 2022): Weitwinkelansicht, auf Grundlage einer Photographie. Der
denkmalgeschützte Bestand ist beseitigt. Aus Richtung
Königsstraße betonen die Kiefern die breite Verkehrsschneise;
Torgebäude und Landesmuseum haben dadurch ihre städtebauliche Wirkung
verloren; die Kreisform öffnet zwar den Blick auf die Längsseiten,
erzeugt dafür nun aber große versiegelte Randzonen. Der Blick aus
der Platzmitte auf Torgebäude, Wilhelmshöher Allee und Parkachse ist
verstellt, ebenso in der Gegenrichtung der Blick auf Brüder-Grimm-Platz 4.
Überlagerung: Aktuelle Planung
(Lageplan: clubL94), Bestand (rot) und Zustand 1827–1869/70
(türkis).
Der historische Kreis war größer
und unterstützte die Platzgeometrie (Mittelpunkt = Schnittpunkt von
Königsstraße und Wilhelmshöher Allee).
Auch die enge Schneise zur
Friedrichsstraße löst die Probleme nicht: Sie verstellt gleichwohl
den Blick auf die Torgebäude, und sie endet wegen des Gefälles zu
tief, als dass Allee, Schloss, Kaskaden und Herkules als Gesamtheit
wahrgenommen werden könnten.
Die enge Schneise zum Landesmuseum
öffnet den Blick zum Turm, doch die große Höhe der Kiefern
nimmt ihm seine Funktion als Dominante und verdeckt die städtebaulich
wichtige Schrägstellung des Museums. Seine Funktion, schon aus der Ferne
den markanten Point de vue der
Königsstraße zu bilden und zugleich deutlich zu machen, dass eine
weitere bedeutende Stadtachse (nach Wilhelmshöhe) anschließt, geht
verloren.
Oben: Das Landesmuseum um 1913/14 (U.B.
Kassel, HF A 7331) – kleine Allee, rechteckiger Vorplatz und Museum
bilden eine große Einheit; die Freiflächen sind verlängerte
Architektur, als Auftakt für die innere Raumfolge des 1913 eröffneten
Museums. Entworfen wurde dieses Gesamtkonzept von Theodor Fischer, der hier
sein Ideal einer Einheit von Städtebau, Architektur und
Freiflächengestaltung beispielhaft verwirklichte. Alle Bestandteile von
1912/13 (Pflasterungen, Vorplatzmauern) stehen unter Denkmalschutz.
Unten: Ansicht gemäß der
aktuellen Planung (Stand Oktober 2022). Der historische Bestand von 1912/13
wird bis auf einige Reste weitgehend beseitigt, Struktur und Gesamtkonzept
gehen verloren.
Auch an der Ostseite stehen das Museumsgebäude und die
angrenzenden Grünflächen in enger Verbindung.
Unter Denkmalschutz stehen: |
Vom Bestand
würden gemäß Planung erhalten bleiben: |
·
der
Platz insgesamt (Gesamtanlage, städtebaulich / historisch) |
·
Als
benutzbare Freifläche bliebe nur ein äußerer Ring bestehen,
außerdem die mittige Verkehrsschneise. |
·
die
Grünflächengestaltung von 1964/65 (Wege, Treppen und begleitende Stützmauern; die Grundzüge der
ursprünglichen Bepflanzung) |
·
nur
einzelne Wegereste zwischen den Kiefern |
·
vor dem
Landesmuseum: kleine Allee und Vorplatz (alle Pflasterungen und
Begrenzungsmauern) |
·
nur die
Mosaikfelder zwischen den Alleebäumen |
·
neben
dem Landesmuseum / vor der Murhardschen
Bibliothek: die Grünflächen mit dem Hauptzugang zum Fürstengarten
(Dreiecksfläche, Wege etc.). |
·
nur die
grundsätzliche Ausrichtung des Diagonalwegs (sonst stattdessen
Parkplätze, Spielplatz, Lieferzone). |
Das
städtebauliche Gesamtkonzept Theodor Fischers für das Landesmuseum
und die Neuinterpretation der Platzanlage ginge verloren. Aber auch Jussows Konzept, das von einer geschlossenen, nahezu
axialsymmetrischen Randbebauung ausging, würde konterkariert; es lebte
allein von dieser geplanten Randbebauung, sah deshalb keine Bäume auf der
Innenfläche vor. Das, was von seinem Konzept heute sichtbar ist, wie die
Auftaktfunktion der Torgebäude und die Axialsymmetrie zur
Königsstraße, wäre aber künftig durch die vielen hohen
Kiefern nicht mehr wahrnehmbar.
Betrachten wir
nun einige städtische Argumente:
I.
Zu
historischen Bezügen und Denkmalschutz
1.
Der historische Grundriss des Brüder‐Grimm‐Platzes
solle wieder sichtbar werden. Entsprechend überlagern sich in der Anmutung
des Platzes unterschiedliche gestalterische Schichtungen der jeweiligen Zeit;
sie sollen in der konkreten Umsetzung der Neugestaltung deutlich werden.
è Der jetzt geplante Kreis gehört zu
älteren Platzkonzepten, die heute vor Ort nicht mehr verständlich
sind:
Zuerst betraf dies eine kreisförmige Aufweitung der noch unbebauten Allee
zwischen Gärten, vor der Stadt gelegen.
Dann bezeichnete der Kreis die Innenfläche eines axialsymmetrischen
Sechsecks, das spätestens mit dem Bau des Landesmuseums aufgegeben wurde.
In beiden Fällen war der Kreis zudem von innen heraus zu lesen: ein
Baumring als Ersatz für eine fehlende oder unvollständige
Randbebauung. Und in beiden Fällen lag sein Mittelpunkt im Schnittpunkt
von Königsstraße und Wilhelmshöher Allee. Beides ist nun jedoch
nicht mehr vorgesehen.
Für ein Zitat dieses Kreises werden dagegen gleich mehrere prägende
historische Schichten beseitigt, die sich bisher ergänzen: das
Randstraßensystem aus der Zeit um 1870, das Museumssegment von 1913 und
die Binnengestaltung von 1964/65.
Es wäre allerdings durchaus möglich, diese Konzepte mit dem Zitat
des Kreises zu verbinden und auf diese Weise tatsächlich alle Phasen aufzugreifen.
Dieser Versuch wurde jedoch nicht unternommen.
2.
Die Planung sei inzwischen überarbeitet worden. Wichtige
historische Bezüge ließen sich ausgewogen in die Interpretation
integrieren.
è
Dass sie
überarbeitet wurde, ist richtig, ändert aber leider nichts an den
beschriebenen Grundproblemen der Planung. Die Überarbeitungen betreffen in
erster Linie verkehrsplanerische Fragen (vor allem die Reduktion auf insgesamt
zwei Fahrbahnen) und weitere kleine Anpassungen: So wurden die geplante
Treppenanlage und Terrasse zur Humboldtstraße hin aufgegeben, die
Mosaikfelder der kleinen Allee z. T. übernommen, der rechtwinklige
Weg durch den Spielplatz in die Richtung des vorhandenen Diagonalwegs verlegt
und die Böschung am Museumshörsaal beibehalten; zudem wurden die
beschriebenen Schneisen in die Planung aufgenommen, und einzelne Restbereiche
der Wege von 1964/65 sollen (unbenutzbar) in das Baumrund
eingefügt werden.
Doch diese übernommenen Bestandteile werden zu Spolien, die ihren
Zusammenhang verloren haben. Denn die denkmalpflegerische Kritik blieb im Kern
unberücksichtigt: Das rechtwinklig geplante Museumsvorfeld samt
Vorplatzmauern soll weiterhin beseitigt werden, ebenso die Gestaltung des
vorderen Fürstengartens, mit den Blickbezügen auf die Ostseite des
Museums. Auch die Gestaltung von 1964/65 soll bis auf die genannten Reste
zerstört werden. Die prägenden Sichtbeziehungen auf Torgebäude,
Allee und Parkachse gehen weiterhin verloren, ebenso die städtebauliche
Dominanz des Landesmuseums (vgl. oben und zu Punkt II,1).
Aber auch andere grundlegende Kritik blieb unbeachtet: Das betrifft z. B.
das Verstellen der Fassaden durch die Kiefern, die Frage nach der
Übertragbarkeit dieses Naturbilds in die Stadt, nach
Aufenthaltsqualität und klarer Platzstruktur (dies alles bereits durch das
Preisgericht kritisiert).
3.
Bei der
Bewertung der Wettbewerbsentwürfe durch das Preisgericht, zu dem auch die
Denkmalpflege gehörte, habe sich herausgestellt, dass die in der Auslobung
formulierten Ziele der Planung nur dann erreicht werden können, wenn die
Möglichkeit eröffnet werde, den Platz grundhaft neu zu gestalten. Am
Ende sei mit der Entscheidung des Preisgerichts eine Abwägung aller
Belange erfolgt.
è Die
Auslobung stellte zum einen konkrete Planungsziele:
·
Stärkung der Gelenkfunktion Innenstadt
/ Wilhelmshöhe / Weinberg (ist historisch bereits angelegt, zuletzt bei
Theodor Fischer)
·
Leitbild eines grünen,
multifunktionalen Platzes (ist historisch ebenfalls bereits angelegt, zuletzt
bei Theodor Fischer)
·
Verbesserung der Aufenthaltsqualität
(dazu vgl. unten, unter III)
Zum anderen stellte sie jedoch Forderungen,
die von vornherein bereits gegen die vorhandenen Kulturdenkmale gerichtet
waren:
·
„Eine Neugestaltung soll zum Ziel
haben, den gesamten Bereich wieder zu einem Platz mit einheitlicher Gestaltung
zu entwickeln.“
·
Die Platzform (Fünfeck/Sechseck) sollte
neu definiert werden (dies ist gegen Theodor Fischers Konzept von Landesmuseum
und Museumsvorplatz gerichtet, das in allen Bestandteilen unter Denkmalschutz
steht [Pflasterungen, Mauern]).
·
Auch der Übergang zu
Fürstengarten/Weinberg sollte neu definiert werden (dies betrifft den
vorderen Fürstengarten, als Teil der denkmalgeschützten Gesamtanlage
Fürstengarten).
·
Die Gestaltung von 1964/65 wurde zugunsten
einer schrägen Platzfläche abgelehnt (dies betrifft die
denkmalgeschützte Gestaltung der Grünflächen); das Steinmaterial
könne an anderer Stelle wiederverwendet werden.
Wir sehen damit: Was als Ergebnis aus dem
Wettbewerb herauskam, war schon von vornherein als Forderungen hineingegeben
worden. Diese Ziele gingen zurück auf einen dezernatsinternen Workshop im
Jahr 2018 ...
Die Entwürfe entsprachen dann auch
diesen Zielvorgaben. Die Möglichkeit, denkmalgerechte Lösungen zu
begutachten, war dem Preisgericht damit von vornherein genommen.
Bezeichnend ist allerdings auch, dass
zunächst kein 1. Preis vergeben wurde, sondern zwei 2. Preise; erst
im Anschluss wurden alle Preise hinaufgestuft. Während allerdings der
später ausgewählte Entwurf im Preisgericht stark umstritten war und
auch grundlegende Kritik erhielt (vgl. I,2), wurde der andere
2. (bzw. 1.) Preis für seine stadträumlichen Qualitäten gelobt,
für seine Zurücknahme zugunsten der Randbebauung. Dagegen kam als
einzige relevante Kritik von anderer Seite, dass „dem Entwurf die
gewünschte Prägnanz und Strahlkraft einer starken Geste“ fehle
...
Die endgültige Auswahl erfolgte in
einem städtischen Vergabeverfahren, an dem auch einzelne Mitglieder des
Preisgerichts beteiligt waren. Gewiss wäre interessant, nach welchen
Gesichtspunkten sie ausgewählt wurden; ihre jeweilige Meinung wird
zumindest seit der Preisgerichtssitzung bekannt gewesen sein …
II. Zu stadträumlichen Fragen und
Bezügen
1.
Die aktuelle Konzeption eröffne die Chance, durch eine
Neugestaltung des gesamten Platzes dessen Wirkung im Stadtbild herauszustellen.
Mit der Umgestaltung des Brüder‐Grimm‐Platzes werde die Verbindung
zwischen Innenstadt, Museumslandschaft und Wilhelmshöhe auf besondere
Weise wiederhergestellt.
è
Der Platz
würde zwar gewiss im Stadtbild auffallen; seine originäre Wirkung als
Gelenk zwischen Innenstadt, Weinberg und Wilhelmshöher Allee/Park ginge jedoch
gerade verloren – zentral dafür wären: gute Sichtbarkeit der
Torgebäude, Dominanz des Landesmuseums als städtebauliches Gelenk
(Schrägstellung/Turm), Zusammenhang von vorderem Fürstengarten,
Landesmuseum und Murhardscher Bibliothek; gute
Sichtbarkeit der Randbebauung in der auf die Königsstraße bezogenen
Platzhälfte. All dies ist jedoch nicht gewährleistet. Im Gegenteil:
Der prägende Kiefernbestand ließe von Ferne vielmehr an einen
vorstädtischen Endpunkt beider Straßen denken.
Und auch ein weiterer Aspekt geht verloren: die Sitzbänke von 1964/65
unterstützen die Gelenkfunktion – von ihnen aus kann man nach
Wilhelmshöhe, auf den Weinberg und in die Innenstadt blicken. Am geplanten
Baumring sind außen zwar insgesamt drei Sitzmauern vorgesehen, an ganz
ähnlichen Stellen; zwei von ihnen sind sogar genau in den beiden Schneisen
platziert. Nur: die neue Blickrichtung wäre genau umgekehrt.
Säße man darauf, hätte man die Platzmitte samt Schneisen im
Rücken, nicht im Blick; der Blick ginge nur auf die angrenzenden nahen
Platzränder.
2.
In der Mitte sei ein immergrünes Baumrondell vorgesehen,
dass die Sichtachsen nicht nur wahre, sondern sogar betone.
è
Vgl.
bereits oben. Die wichtige Sichtbeziehung aus Richtung Königsstraße
auf die Torgebäude ginge verloren, ebenso die Sichtbeziehung auf die
Ostseite des Landesmuseums.
Die geplante Sichtschneise zum Museumsturm ist wegen der künftigen
Baumhöhe wenig hilfreich: Sie würde nicht nur die wichtige
Schrägstellung des Museums verdecken, sondern auch in Konkurrenz zur Turmhöhe treten – auf die Wirkung des Turms im
Stadtbild legte Theodor Fischer dagegen so großem Wert, dass er im Rohbau
den geplanten Turmabschluss sogar durch ein Modell im Maßstab 1:1 vor Ort
auf seine Wirkung überprüfen ließ.
Die geplante schmale Sichtschneise zur Allee blendet dagegen die
Torgebäude aus, und der Standort läge zu niedrig, als dass die
Gesamtheit von Schloss, Kaskaden und Herkules sichtbar wäre.
III. Zu Verkehr und Aufenthaltsqualität
1.
Westlich der Torgebäude sei eine weitere
Straßenbahnhaltestelle vorgesehen.
è
Die
Haltestelle gehörte nicht zum Förderprojekt dazu; sie ist lediglich als
Ideenteil in den Wettbewerb mit aufgenommen worden, um (im Zusammenhang mit der
Verkehrsplanung) Gestaltungsanregungen zu erhalten. Eine Vorplanung und eine Machbarkeitsstudie, beide aus dem Jahr 2011,
waren bereits Teil der Wettbewerbsauslobung.
2.
Aus dem kleinteiligen Mix an Gestaltungselementen könne
wahrnehmbar der dritte zentrale Kasseler Platz in seiner Größe und
als Verbindung hoch zur Wilhelmshöhe erkennbar werden.
In seinem derzeitigen Zustand werde der Brüder‐Grimm‐Platz
seiner Bedeutung im Stadtgefüge nicht gerecht. [...] Er besitze wenig Aufenthaltsqualität und werde
eher als Verkehrsraum mit grünen Restflächen und ohne Bezug zur
Randbebauung wahrgenommen.
è
Es ist
unbestritten, dass das gegenwärtige Problem vor allem durch die
Verkehrsdominanz entsteht (Parkplätze an den Randstraßen, breite
Straßenschneise); hinzu kommt eine hohe Randbepflanzung von 1980/81, die
die Randstraßen abschirmt – sogar den Vorplatz des Landesmuseums.
Dazu ist aber nicht erforderlich, auch gleich die denkmalgeschützten
Bestandteile mit zu entfernen. Vielmehr helfen: äußere
Fußgängerzonen, die geplante Verringerung der Straßenbreite
und eine andere, niedrige Bepflanzung mit lediglich punktuell gesetzten
größeren Sträuchern (als Rückenschutz der Sitzbänke).
Hinzu kommen Unterhaltungsmaßnahmen und gartendenkmalpflegerische
Konzepte, die die denkmalgeschützten Elemente wieder angemessen zur
Geltung bringen würden.
Die Differenzierung des ebenen Museumssegments gegenüber der ansteigenden
Platzhälfte gehört zum Konzept Theodor Fischers sogar untrennbar
dazu. Seine Qualität als Planer zeigt sich ja gerade darin, wie er die
Wirkung vor Ort berücksichtigt. In diesem Fall bedeutet das unter anderem
eine große, auf den Solitärbau des Landesmuseums bezogene Aussichtsterrasse,
die sich von den übrigen innerstädtischen Randstraßen des
Platzes unterscheidet; Mauern und Hecken geben ihr im Vordergrund optischen
Halt, während die stark abfallende Platzfläche dahinter in der
Perspektive z. T. nicht sichtbar wäre – ein Gestaltungsproblem,
das man in der Regel zu vermeiden suchte.
Die Vereinheitlichung des Platzes, ohne Beachtung von Topographie, Randbebauung
und städtebaulichen Bezügen bedeutet daher insgesamt einen
großen Verlust an Qualität.
Die Größe des Platzes wird durch den geplanten mittleren
Kiefernbestand im Gegenteil viel weniger erkennbar sein; der Platz wird
faktisch auf eine Ringstraße reduziert. Zur Aufenthaltsqualität vgl.
im Folgenden.
3.
Durch die Umgestaltung würde der Charakter des Platzes
als historisch interessanter und einladender Aufenthaltsort mit
Ruhebänken, Cafés und breiten Spaziergänger-Zonen vor den
Gebäuden erlebbar werden.
è
Die
Schilderung berücksichtigt nicht das starke Gefälle der seitlichen
Platzränder, mit einer Steigung von 5–9%. Auf der Nordseite bietet
das neue Tapetenmuseum erst gar keine Möglichkeit für ein
Café; auf der Südostseite hat eine Gastronomie vor wenigen Jahren
geschlossen, das übrige Gebäude wird vorwiegend von
Rechtsanwaltskanzleien genutzt. Hotel Hessenland und Hugenottenhaus aber werden
von einer Platznutzung durch die Friedrichsstraße abgeschnitten; und
deren Verkehr wird durch die Neukonzeption der Rathauskreuzung und die Sperrung
der Weinbergstraße sogar noch zunehmen. Lediglich für das
südliche Torgebäude steht eine Café-Nutzung in Aussicht. Auf
den beiden Längsseiten würden auch die Ruhebänke ergonomisch in
Konflikt mit dem starken Platzgefälle kommen.
4.
Durch
diese Spaziergänger-Zonen würde der Charakter des Platzes als
historisch interessanter und einladender Aufenthaltsort mit Ruhebänken,
Cafés und breiten Spaziergänger-Zonen vor den Gebäuden
erlebbar werden.
è
Der
Bestand vereint bisher mehrere mögliche Aufenthaltsqualitäten:
Auf den inneren Wegen die Sitzbänke im Grünen, mit Blick nach
Wilhelmshöhe, auf den Weinberg, in die Königsstraße;
den historischen Vorplatz des Landesmuseums, als große schattige
Aussichtsterrasse am höchsten Punkt des Platzes;
die übrigen Randstraßen als künftige Fußgängerzonen.
Künftig erhielte der Platz dagegen nur noch eine Form der
Aufenthaltsqualität, im einheitlich gestalteten Ring. Auch die drei
Sitzbänke am Baumrund böten durch ihre
Blickrichtungen keine attraktiven Sichten und Verweil-Orte (vgl. zu Punkt II,1).