Im Namen des Arbeitskreises für Denkmalschutz und Stadtgestalt Kassel
Träger des Arbeitskreises sind:
Gesellschaft für Kultur- und Denkmalpflege /
Hessischer Heimatbund, Niederhess. Zweigverein Kassel e.V.
Verein für Hessische Geschichte und Landeskunde
e.V., Zweigverein Kassel
Verein Freunde des Stadtmuseums Kassel e.V.
Neubauprojekt Königsplatz 55 und Wolfsschlucht
24-24a:
Die möglichen Folgen für den
Königsplatz und
der beabsichtigte Abbruch eines eingetragenen
Kulturdenkmals
(Stand:
2. Mai 2010)
Teil I: Ausgangslage und
Problemstellung
Teil II: Die Chronologie der Ereignisse; öffentliche Diskussion und weitere Hintergründe
1a) Die Stellungnahmen der
Stadtverwaltung
1b) Anmerkungen dazu; die
Frage des Denkmalschutzes
2) Erste Reaktionen auf die
Abbruchpläne
3a) Stellungnahme der Unteren
Denkmalschutzbehörde der Stadt Kassel
3b) Anmerkungen dazu; die
baugeschichtliche Einordnung des Gebäudes
5a) Nachtrag zur
Gebäudegeschichte: Bauherr und Nutzung
5b) Ein prominenter Mieter:
der Rechtsanwalt Dr. Max Plaut
6) Weitere Reaktionen, mit
Stellungnahmen des Stadtbaurats und der Unteren Denkmalschutzbehörde
7) Nachtrag zur
Gebäudegeschichte: Architekt und Hintergründe des Baues
8) Weitere Reaktionen und
Stellungnahme des Stadtbaurats
9) Denkmalbeirat und
Stadtverordnete
10. Das Ende - und ein
Fassadennachbau, der keiner ist
Zurück
zur Hauptseite über das Henschelhaus
20. Juni 2009:
Im Februar und März 2009 berichtete
die HNA über Neubaupläne am Königsplatz: Der Gebäudekomplex
an der Ecke Königsplatz / Kölnische Straße / Wolfsschlucht soll
durch ein Kaufhaus einer Hamburger Modekette ersetzt werden (Peek &
Cloppenburg).
Investoren
und Projektentwickler sollen sich im Rathaus bereits nach den Bedingungen
für einen Abriss des Gebäudes am Königsplatz erkundigt haben,
von dem aus Denkmalschutzgründen die hintere Fassade erhalten bleiben
muß. (HNA vom 26.2.2009) Die Mieter müssen bis Ende des Jahres
ausziehen (vgl. auch HNA vom 4.3.2009).
Was bedeutet dies für den
Königsplatz und das Kasseler Stadtbild? Noch sind keine Entwürfe
bekannt geworden; aber bereits die Absicht, ein eingetragenes Kulturdenkmal (!)
zu erwerben, um es bis auf die Fassade abzubrechen, läßt aufhorchen.
Wolfsschlucht
24a, Hauseingang
Königsplatz
55
(zum
Vergrößern der Bilder bitte mit der Maus auf das jeweilige Bild
klicken)
Betrachten wir zunächst die einzelnen
Teile des Gebäudekomplexes:
Königsplatz 53 und 55 bilden eine
geschlossene Baugruppe, was auch dem originalen Konzept des Platzes entspricht:
Der
Königsplatz um 1900 (historische Postkarte), in der Bildmitte die
Häuser Nr. 53-55
Der Königsplatz wurde angelegt,
nachdem 1767 mit der Schleifung der alten Stadtbefestigung begonnen worden war.
Die Kreisform vermittelt dabei zwischen
der Achse Kölnisches Tor – An der Garnisonkirche und der breiten
Königsstraße, welche sich etwa im Winkel von 58° schneiden.
Stadtplan
von 1781 (Ausschnitt)
Das heutige
Grundstück Königsplatz 55 / Wolfsschlucht 24-24a ist rot
hervorgehoben.
Rekonstruktion
der ursprünglichen Planung (Skizze: Verf.):
oben:
Königsplatz 32-34 (heute Standort der Commerzbank), 53-55, 57-59, 61
unten:
Königsplatz 61 (heute Standort des City Point), 38-42, 36-36b (mit
Garnisonkirche dahinter), 32-34.
Die Achse Kölnisches Tor – An
der Garnisonkirche ist dabei die Hauptachse:
Die beiden baugleichen
Hallengebäude für Manufakturen und einzelne Gewerbetreibende (heute
Nr. 36-36b und Nr. 38-42) rahmten sie den Zugang in die alte Kernstadt
symmetrisch ein; mit ihrer geringeren Höhe und den nach hinten abfallenden
Pultdächern nahmen sie Rücksicht auf die kleinteilige Bebauung der
tieferliegenden Kernstadt und auf die Höhenverhältnisse der
Garnisonkirche. Eingefaßt wurden die Hallen durch das Palais
Hessen-Rotenburg (Nr. 32) und das neue Postgebäude (Nr. 61), während
auf der Westseite vier Privathäuser errichtet wurden.
Dabei waren das Palais Hessen-Rotenburg
(mit der Hauptfront an der Königsstraße) und die Post (mit der
Hauptfront am Königsplatz) gegensätzlich konzipiert; die übrige
Bebauung bildete die Überleitung:
1.)
Palais: Seitenbetonung / Post: Mittelbetonung
2.)
Palais: 2 Vollgeschosse, 1 Halbgeschoß / Post 3
Vollgeschosse
Auf der Westseite entspricht die
Seitenbetonung der Wohnhäuser dem Palais, die Geschoßfolge der Post;
auf der Ostseite entspricht dagegen die Mittelbetonung der Hallen dem
Postgebäude und die Geschoßfolge dem Palais.
Zusätzlich leitet die Randbebauung
gelenkartig aus der Kernstadt in die Achse der Königsstraße
über:
Westlich der Königsstraße
werden die Häuser Nr. 57-59 als Mittelstück dieser Platzhälfte
umgedeutet: ihre Mitte ist durch den Balkon und den kleinen Aufbau im Dach
zusätzlich betont, und die reichen Fassadendekorationen von Nr. 55 bilden
ein Gegenstück zur Post; der Baublock wird damit beidseitig von
ähnlichen Fassaden eingefaßt. Balkon und Aufbau werden in die oben
genannte Überleitung zwischen Palais und Post einbezogen: Die Post hat
ebenfalls einen Balkon in der Mitte, während der kleine Dachaufbau an
jeder Seite einmal erscheint; Mittel- und Seitenrisalite sind damit
gewissermaßen vertauscht.
Jedes Platzsegment ist in sich
einheitlich gestaltet, die ganze Randbebauung ist aufeinander abgestimmt, wobei
hier nur die wichtigsten Aspekte aufgeführt sind. Städtebau und
Architektur sind untrennbar miteinander verbunden.
Der Königsplatz selbst ist ein
eingetragenes Kulturdenkmal, so daß die Randbebauung auch weiterhin den
grundsätzlichen Charakter der Anlage zu wahren hat. Dazu gehört vor
allem, daß die Gebäude in Höhe, Fensteranordnung und
Dachform aufeinander abgestimmt sind: Denn gerade darin unterscheidet sich ja
die Planstadt des 18. Jh. mit ihrer regelmäßigen Kreisform und
der durchgeplanten Architektur von den unregelmäßigeren mittelalterlichen
oder historistischen Stadtanlagen mit ihrer individuellen Bebauung; beide
Planungsansätze sind dabei grundverschieden und nicht miteinander vereinbar.
Da sich am Königsplatz die
Größenmaßstäbe der Randbebauung seit dem späten 19.
Jahrhundert grundlegend verändert haben, kann die ausgefeilte Planung aus
der Zeit um 1770 zwar nicht mehr als Grundlage dienen, aber auch die Wiederaufbauzeit
der 1950er Jahre hat das Wesen des Platzes noch erkannt und war bemüht,
die einzelnen Gebäude aufeinander abzustimmen; gerade die beiden
Häuser Königsplatz 53 und 55 sind dafür besonders beispielhaft:
-
einheitliche
Höhen in der Fensteranordnung (jeweils bei größeren Fenstern im
1. Obergeschoß, die Fenster im 2. und 3. Obergeschoß dagegen
identisch)
-
Betonung der
horizontalen Gliederung (bei regelmäßig und achsial angeordneten
Fenstern)
-
flache
Walmdächer mit gleicher Neigung, bei gleicher Traufhöhe
-
das oberste
Geschoß zurückspringend, hinter einer regelmäßigen
Stützenreihe, bei gleicher Brüstungshöhe beider Häuser
-
Betonung der
Blockecken durch breite Wandscheiben
-
flaches Vordach
über dem Erdgeschoß
Dies wären auch die Mindestanforderungen,
die an einen Neubau innerhalb dieser Baugruppe zu stellen sind, wobei noch
weitere Forderungen zur Fassadengestalt (Materialität etc.) zu formulieren
wären; jedoch dürfte
die geplante Nutzung als Kaufhaus mit den vorhandenen Geschoßhöhen
des Bürohauses unvereinbar sein, ein Aufsprengen der Baugruppe ist damit
zu befürchten.
Dies
wäre die Wirkung einer höheren Baumasse; droht etwas Ähnliches?
Das Gebäude Wolfsschlucht 24-24a:
Das Haus Wolfsschlucht 24-24a wurde 1921 anstelle
eines Nebengebäudes von Königsplatz 55 errichtet (vgl. hierzu im
Kasten unten). Die Fassade paßte man damals an das Hauptgebäude an,
dessen Aufriß und Dekorationen genau übernommen wurden; sogar die
Tür folgt mit ihren Schnitzereien dem Vorbild des Originals. – Diese Vorgehensweise war in den
20er und 30er Jahren in Kassel durchaus üblich; Beispiele waren u. a. das
städtische Gebäude Marställer Platz 1 (um 1929), das mit dem Nachbarhaus
Schloßplatz 17 (um 1771) eine Baugruppe bildete (Marställer Platz 1
wurde nach Kriegszerstörungen vereinfacht und ist ohne Mansarddach und
Zwerchhaus noch erhalten), sowie die Randbebauung des Freiheiter Durchbruchs
(ab 1934), die sich bewußt in die Struktur der Altstadtbebauung
einfügen sollte.
Im Zweiten Weltkrieg wurde das
Hauptgebäude Königsplatz 55 zerstört, ebenso das Satteldach des
Anbaus; das heutige (Schein-)Mansarddach ist erst ein Ergebnis des
Wiederaufbaus. Leider wurden nach 1945 auch die z. T. schadhaften Schmuckformen
über den Fenstern des unteren Geschosses beseitigt, mit Ausnahme der
Schlußsteine über den Türen. Außerdem wurden große
Schaufenster im Untergeschoß zur Kölnischen Straße
eingebrochen, doch erfolgte dort erst vor wenigen Jahren ein einfühlsamer
Umbau, bei dem sogar die neue Ladentür in den Rokokoformen der
Haustür gestaltet wurde.
Königsplatz 55 war das Wohnhaus des
Hofstukkateurs Johann Michael Brühl, der u. a. die Stukkaturen im
Wilhelmsthaler Schloß geschaffen hat. Das Gebäude mit seinen reichen
Dekorationen an der Fassade und im Inneren galt als das bedeutendste
Rokoko-Wohnhaus nördlich des Mains; über dem Eingang im Seitenrisalit
war die Datierung „1770“ zu lesen.
Zustand in
den 1930er Jahren
(Kramm, Kassel, Wilhelmhöhe,
Wilhelmsthal, Abb. 49)
Der Risalit
um 1910
(Holtmeyer, Alt-Cassel, Tafel 72)
Der
Zwerchgiebel über dem Risalit um 1910
(Holtmeyer, Cassel-Stadt, Tafel 439)
Die beiden
Eingänge an der Hauptfassade um 1910
(Holtmeyer, Cassel-Stadt, Tafel 438,1 und
3)
Fassadendetail
der Hauptfassade in den 1930er Jahren
(Kramm, Kassel, Wilhelmshöhe,
Wilhelmstal, Abb. 50)
Die Farbfassung im 20. Jh. entsprach
vermutlich nicht mehr dem Original; die drei Putzebenen waren ursprünglich
wohl folgendermaßen differenziert: Die Hauptebene wurde durch die
großen Rahmen in den beiden Obergeschossen gebildet; sie war ebenso
weiß (oder in einem sehr hellen Gelbton) gestrichen wie das Nachbarhaus.
Ebenso wie am Nachbarhaus hoben sich davon die Fensterumrahmungen (vermutlich)
in einem Grauton ab; in gleicher Weise werden auch die Gesimse und das
Erdgeschoß gestrichen gewesen sein, sowie der kleine Sockel über dem
Gurtgesims. Die Spiegelflächen wiesen dagegen einen Rauhputz auf und
dürften farblich abgesetzt gewesen sein: entweder in einem intensiveren
Gelb oder in einem anderen Pastellton. Die figürlichen und ornamentalen
Dekorationen sind in einem weiteren Farbton anzunehmen, so daß ein
lebhaftes Gesamtbild entstand. Die älteren Photographien aus dem
späten 19. Jh. dürften noch weitgehend diesem originalen Zustand
nahekommen.
Ansicht im
späten 19. Jh.
(Köttelwesch, Rundgang, S. 26;
Ausschnitt)
Auch wenn der Anbau keine Originalsubstanz
des 18. Jh. ist, hat das Gebäude für Kassel doch eine hohe
wissenschaftliche, künstlerische, geschichtliche und städtebauliche
Bedeutung: Zum einen legt es Zeugnis ab für eine Bauauffassung der
Zwischenkriegszeit, die um Anpassung an den historischen Baubestand bemüht
war und städtebauliche Einheiten und Baugruppen anstrebte. Zum anderen
überliefert diese Bauauffassung noch heute die Architekturformen
bedeutender, aber zerstörter Originalbauwerke - und zwar exakter,
anschaulicher und handgreiflicher als jede Photographie oder jede Zeichnung
dies vermag!
Im Falle von Wolfsschlucht 24/24a haben die
Proportionen der Fenster, die Abgüsse der originalen Konsolen unter
den Fenstern und die getreuen Nachschöpfungen der übrigen
Dekorationen (Schlußsteine und Schmuckformen über den Fenstern,
sowie die Türschnitzereien) damit zugleich einen hohen dokumentarischen
Wert, zumal genaue Bauaufnahmen des zerstörten Brühlschen
Hauses nicht erhalten sind. Darüber hinaus ist das Gebäude auch
für das historische Bewußtsein der Bürger und für die
Identität der Stadt von hohem Wert, zumal es an einer städtebaulich
markanten Kreuzung steht und zugleich an den neugeschaffenen Lyceumsplatz
grenzt.
In der Denkmaltopographie der Stadt Kassel,
Bd. I, S. 107, steht dementsprechend auch unter Wolfsschlucht 24, 24A:
„Kulturdenkmal aus künstlerischen und städtebaugeschichtlichen
Gründen.“
Bei einem Kaufhausneubau sind
erfahrungsgemäß jedoch folgende Schwierigkeiten zu erwarten:
1.) Ein Abbruch des Gebäudes unter Erhalt
der Fassade (vgl. HNA vom 26.2.2009) ist mit erheblichen statischen Problemen
verbunden und dürfte durch die Erschütterungen den Fassadenschmuck
schädigen. Es muß damit gerechnet werden, daß Außenmauer
und Dekorationen diese Maßnahme nicht überstehen.
2.) Die erforderliche Tiefgründung des
Neubaus stellt eine weitere große Gefährdung der Mauer dar und kann
ebenfalls zum Totalverlust führen.
3.) Die Geschoßhöhen sind wiederum
nicht mit der diskutierten Nutzung vereinbar. Es ist zu befürchten,
daß die Fenster in Blindfenster umgewandelt werden, und daß die
Fassade zu einem reinen Versatzstück vor einem deutlich höheren
Baukörper degradiert wird (im Gegensatz dazu wäre aber eher die
Wiederherstellung des ursprünglichen Satteldaches
wünschenswert!).
4.) Falls die Fassade abgebrochen und wieder
neu aufgebaut wird, ist fraglich, ob sie in den Maßen und der
Höheneinmessung auch wieder dem Original entspricht. Dies gilt bei einem
derartigen Investitionsbau erst recht für die
Schmuckformen, bei denen eine beschädigungsfreie Abnahme und Wiederanbringung
nur mit großem Aufwand möglich sein dürfte.
Vor allem aber sind grundsätzliche
Fragen des Denkmalschutzes zu berücksichtigen:
1.) Es handelt sich immerhin um ein wichtiges,
eingetragenes Kulturdenkmal, das sich in gutem Zustand befindet, bislang mit
gut funktionierender Nutzung. Ein Abbruch würde einen weiteren
Präzedenzfall schaffen (vgl. bereits den Abbruch der Reste des Palais Reichenbach
2006) und wäre ein Rückfall in die 1950er bis 70er Jahre, als man
bedenkenlos erhaltene historische Bausubstanz opferte.
2.) Der Abbruch eines historischen Gebäudes
unter bloßem Erhalt der Fassade bewegt sich auf dem schmalen Grat eines
Kulissendenkens; die zeitgenössische Denkmalpflege hat hier zurecht
große Vorbehalte, da ein Gebäude als Gesamtheit aufzufassen ist.
3.) Ein Abbruch und Neuaufbau der Fassade
wäre gleichbedeutend mit dem Totalverlust des Kulturdenkmals; es
entstünde eine bloße Kopie, die keinen Denkmalstatus mehr
beanspruchen kann (und bei einem nächsten großen Neubau deshalb
sogar ohne Schwierigkeiten ersatzlos abgebrochen werden könnte.)
Es bleibt zu fragen: Wie wird sich die
Kasseler Stadtpolitik gegenüber einem zahlungskräftigen Investor und
dem Versprechen vieler neuer Arbeitsplätze verhalten (die wohl doch nur
wieder an anderer Stelle dem Verdrängungswettbewerb zum Opfer fallen
werden)? Wird der Hessische Denkmalschutz seine Zustimmung zu einem
Abbruch verweigern oder wird er eine Konfrontation mit der Politik zu vermeiden
suchen? Es wäre zu wünschen, daß die Entscheidungen diesmal im
Sinne des Kasseler Stadtbildes und des historischen Erbes gefällt werden;
daß der Königsplatz wenigstens den Abglanz seiner einstigen
Geschlossenheit behält, und daß Wolfsschlucht 24-24a auch noch in
Generationen daran erinnern wird, daß mitten in Kassel einmal das
bedeutendste Rokokowohnhaus nördlich des Mains stand.
26. Juni 2009:
Am 23. Juni berichtete die HNA, daß
ein Projektentwickler aus Berlin den Gebäudekomplex erworben habe, der sich aber noch nicht zu seinen
Plänen äußern möchte. Als Mieter werde Peek & Cloppenburg
einziehen und auf einer Verkaufsfläche von 6000m² sein gesamtes
Sortiment anbieten. Von einem
Weltstadtkaufhaus mit exklusiver Mode für die gesamte Familie ist die
Rede, von eleganten Bodenbelägen aus Eichenparkett und Naturstein.
Einzelheiten wie die Zahl der Arbeitsplätze und die Höhe der
Investitionen waren gestern aber nicht zu erfahren. Die Eröffnung sei
für 2011 geplant.
Am 25. Juni erschien in der HNA eine
Stellungnahme des Oberbürgermeisters Bertram Hilgen; die
Ansiedlungspläne zeigten, daß es sich lohne, in die Innenstadt zu
investieren. Das Vorhaben sei für ihn auch eine Bestätigung der Linie
der Stadt, sich gegen große Einzelhandelszentren auf der Grünen
Wiese auszusprechen und diese wenn möglich zu verhindern. Mit der
Ansiedlung des Modehauses gewinne die Innenstadt Kassels an Attraktivität;
es werde die Besucherzahl in der Innenstadt weiter erhöhen und viele
Menschen aus dem Umland zusätzlich anziehen. Die damit verbundene
höhere Kaufkraftbindung nutze allen Einzelhändlern der Innenstadt,
denn das Sortiment runde das bestehende Angebot sinnvoll ab. – Die Stadt habe das Vorhaben positiv
begleitet. Sie lege Wert darauf, dass sich das Konzept am Standort des
ehemaligen Henschelhauses architektonisch harmonisch einfüge. Er gehe
davon aus, dass Peek & Cloppenburg in enger Abstimmung mit der
Bauverwaltung das Projekt am Königsplatz verwirkliche.
Die genannte Verkaufsfläche von
6000m² bietet einen Anhaltspunkt für die Dimensionen des Bauprojekts:
Die Grundstücksfläche beträgt etwa 1500m², so daß
mindestens von einer viergeschossigen Ausnutzung auszugehen ist –
zuzüglich Lagerräume, Verwaltung, Nebenräume für das
Personal und weitere Läden: Denn gemäß HNA vom 26.2.2009 hatte
sich z. B. der Optikerladen „Die Brille“ bereits vertraglich die
Rückkehr an den alten Standort nach Fertigstellung des Neubaus gesichert.
Bei einer geschickten Planung und
Ausnutzung von Tiefgeschossen unter jetzigem Vorderhaus und Innenhof
dürfte dieses Volumen sogar mit einem Erhalt des Kulturdenkmals und einer
Einhaltung der Höhenverhältnisse am Königsplatz vereinbar sein;
eine Möglichkeit bieten hier z. B. verspringende Ebenen zwischen
einem Gebäudekern und vorgelagerten Galerien zu Königsplatz /
Kölnischer Straße, welche den Blick auf den Platz ermöglichen
und die bestehende Höhengliederung der Fassade berücksichtigen,
sowie eine geschickte Raumverteilung zum Erhalt des Altbaus (z. B. Verwaltung
und Personalräume im niedrigeren obersten Geschoß des historischen
Gebäudes, die genannten Läden im Erdgeschoß zur Kölnischen
Straße (jetziges Ladenlokal) und ebenerdig zur Wolfsschlucht).
Hierzu bedürfte es jedoch dreier
Voraussetzungen: Erstens klare Vorgaben seitens der Stadtverwaltung (wobei die
Forderung des Oberbürgermeisters nach harmonischer Einfügung
zumindest eine Sensibilität für das Problem erkennen
läßt); zweitens die Bereitschaft und Kreativität der planenden
Architekten, das Kulturdenkmal einzubeziehen und den Neubau am Königsplatz
auch tatsächlich sensibel in die vorgegebenen Strukturen einzupassen; und
drittens die Bereitschaft des Investors, mögliche Mehrkosten für eine
städtebaulich und denkmalpflegerisch gute Lösung inkauf zu
nehmen.
|
|
Der Arbeitskreis für Denkmalschutz und
Stadtgestalt befaßte sich in seiner letzten Sitzung am 25. Juni
wiederholt ausführlich mit dem Thema. Er nimmt die Zeitungsmeldungen
erneut mit Sorge zur Kenntnis; mit dem Ensemble Königsplatz 53-55 sei
gerade die qualitätvollste Wiederaufbauleistung der Nachkriegszeit
innerhalb der Platzrandbebauung von den Planungen betroffen. Um die Harmonie
des Platzes zu bewahren, seien bei einem Neubau die genaue Einhaltung der
bestehenden Höhenverhältnisse (Vordach, Fenster, Traufe)
einschließlich des zurückgesetzten obersten Geschosses und der Dachneigung,
eine regelmäßige Fassadengliederung und eine dem Platz angemessene
Materialität (Verputz oder Platten- bzw. Fliesenverkleidung) die
Grundvoraussetzungen (vgl. die oben bereits ausführlicher formulierten
Anforderungen). Einem Abbruch des Gebäudes Wolfsschlucht 24-24a,
welches als qualitätvolle Nachschöpfung der 1920er Jahre mit seinen
Fassadendekorationen und Ausstattungsdetails (Eingangstür)
stadtbildprägend an das bedeutende Brühlsche Haus erinnere,
dürfe nicht zugestimmt werden; ebenso sei eine Aufstockung abzulehnen, da
sie die beiden Geschosse an der Wolfsschlucht, welche den Obergeschossen des
Brühlschen Hauses entsprechen, zum Sockel eines Neubaus degradieren und
unvermeidlich den Charakter des Gebäudes beeinträchtigen
würde.
1a) Die Stellungnahmen der
Stadtverwaltung
1b) Anmerkungen dazu; die
Frage des Denkmalschutzes
2) Erste Reaktionen auf die
Abbruchpläne
3a) Stellungnahme der Unteren
Denkmalschutzbehörde der Stadt Kassel
3b) Anmerkungen dazu; die
baugeschichtliche Einordnung des Gebäudes
5a) Nachtrag zur
Gebäudegeschichte: Bauherr und Nutzung
5b) Ein prominenter Mieter:
der Rechtsanwalt Dr. Max Plaut
6) Weitere Reaktionen, mit
Stellungnahmen des Stadtbaurats und der Unteren Denkmalschutzbehörde
7) Nachtrag zur
Gebäudegeschichte: Architekt und Hintergründe des Baues
8) Weitere Reaktionen und
Stellungnahme des Stadtbaurats
9) Denkmalbeirat und
Stadtverordnete
10. Das Ende - und ein
Fassadennachbau, der keiner ist
21./22. Juli 2009:
Im Namen des Arbeitskreises für
Stadtgestalt und Denkmalschutz hatte der Verf. je ein Schreiben an
Oberbürgermeister Bertram Hilgen, den Kulturdezernenten und
Bürgermeister Thomas-Erik Junge und den Stadtbaurat Norbert Witte
gerichtet (jeweils mit Datum vom 4. Juli 2009). Die Antworten seien im Auftrag
des Arbeitskreises im Folgenden mitgeteilt:
Bürgermeister Junge (Schreiben vom 10.
7. 2009) erläuterte zunächst die Hintergründe der städtischen
Entscheidungen:
Dieses
Projekt, dessen Entwicklung seit nahezu zwei Jahren betrieben wird, wurde in
seinen verschiedenen Entwicklungsstufen mehrfach im Denkmalbeirat intensiv
diskutiert. Dabei war zwischen denkmalpflegerischen, städtebaulichen,
stadtentwicklungspolitischen und wirtschaftlichen Interessen abzuwägen. Es
wurde eine Arbeitsgruppe des Beirats gebildet, die sich intensiv mit den
Planüberlegungen beschäftigte und dem Beirat eine Beschlussempfehlung
vorlegte, die beraten und mir Modifikationen beschlossen wurde. Dieser
Beschluss des Beirats wurde in die Stellungnahme der Unteren
Denkmalschutzbehörde zu der inzwischen vorliegenden Bauanfrage
vollständig aufgenommen. Zum Königsplatz hin wurde größter
Wert darauf gelegt, dass die beiden Gebäude dieses Platzsegments wieder
eine maßstäbliche Einheit bilden. Dazu sollen die wesentlichen
horizontalen Gliederungselemente (Vordach, Trauflinie, First) aufgenommen, die
Anschlüsse an das Nachbargebäude gestalterisch angepasst werden, ein
ausgewogenes Verhältnis von geschlossenen und verglasten Flächen
anzustreben ist und eine scharfkantige Ecke zur Kölnischen Straße
ausgebildet wird. Für die Gestaltung der Fassaden des neuen Kaufhauses
wird ein beschränkter Architektenwettbewerb ausgelobt werden.
[Erläuterungen des Verf.: Dabei
handelt es sich allerdings eher um Minimalanforderungen; das charakteristische
Staffelgeschoss hinter einer regelmäßigen Stützenreihe, welches
bislang beide Gebäude nach oben abschließt, bräuchte damit
ebensowenig berücksichtigt zu werden, wie eine einheitliche
Höhenentwicklung der Fenster von Königsplatz 53 und 55, welche
bislang ebenfalls prägend für den Baublock ist. Eine scharfkantige
Gebäudeecke verhindert lediglich Rundungen wie am City-Point, eine markante
Wandscheibe, wie sie für die 50er-Jahre-Gebäude am Platz
charakteristisch ist, würde nicht gewährleistet. – Ein
„beschränkter Architektenwettbewerb“ bedeutet, daß
gezielt einzelne Architekturbüros eingeladen werden, im Gegensatz zu
einem offenen Wettbewerb.]
Die
Einbeziehung des Hauses Wolfsschlucht 24-24a wurde intensiv beraten und
diskutiert. Auch die denkmalpflegerische Wertigkeit wurde mit dem Landesamt
für Denkmalpflege Hessen im Beirat diskutiert. Es war von Vornherein klar,
dass die Anforderungen an ein neues Kaufhaus im Bezug auf die erforderlichen
Geschosshöhen nicht vereinbar sind und hier ein Hauptkonfliktpunkt
besteht. Da das Gebäude im Innern bereits so stark verändert worden
war und denkmalpflegerische Originalsubstanz nicht mehr vorhanden ist, wurde,
im klaren Bewusstsein, das dies denkmalpflegerisch grenzwertig ist, nunmehr der
Erhalt der Fassade und des Mansarddaches gefordert.
[Anmerkung: Das Mansarddach könnte
sogar problemlos zur Disposition gestellt werden, da es erst aus dem
Wiederaufbau stammt. Die ursprüngliche Dachform, deren Wiederherstellung
sogar wünschenswert wäre, war – wie beim Brühlschen Haus
– ein Satteldach.]
Bei
genauen Höheneinmessungen wurde festgestellt, dass das Fundament des
Gebäudes oberhalb der Platzebene des Königsplatzes liegt und selbst
dann unterfangen werden müsste, wenn das neue Kaufhaus kein Untergeschoss
bekäme. Nachdem seriöse Kostengegenüberstellungen verschiedener
Gründungs- und Sicherungsmaßnahmen sowie einer detailgetreuen
Rekonstruktion vorgelegt und überprüft wurden, beschloss der
Denkmalbeirat, dass auch die Variante eines Abbruchs der Wand mit Bergung und
Wiederverwendung der Zierstuckelemente inklusive der denkmalpflegerisch
wertvollen Türen und anschließender Rekonstruktion möglich sein
soll.
Allen
Beteiligten ist bewusst, dass das Denkmal damit formal verloren sein wird,
durch die Rekonstruktion der Fassade und des Daches ein Stück des
gewohnten Stadtbildes wieder hergestellt wird.
In ähnlicher Weise antwortete auch
Stadtbaurat Witte zur Einpassung in die Königsplatz-Randbebauung und zum
Abbruch:
Dazu
möchte ich sagen, dass in der heutigen Zeit grundsätzlich bei jedem
Neubauvorhaben – mit seinen neuen technischen bedingten
Geschoßhöhen und der geforderten technischen Ausstattung sowie dem
wirtschaftlich erforderlichen Flächenumfang – eine gewisse
Diskrepanz zwischen den Zielen der Investoren und der bestehenden Baustruktur
(Stadtbild) bestehen bleiben wird.
Der
Ansiedlungswille des Kaufhauses P&C ist in diesem aktuellen Fall seitens
der Investoren öffentlich bekundet und grundsätzlich von der Stadt
Kassel unterstützt worden, was jedoch auch, da stimme ich mit Ihnen
überein, zu Schwierigkeiten bei der baulich-gestalterischen Einfügung
an diesem exponierten Standort führen kann. In dieser Problematik gilt es
möglichst behutsam abzuwägen.
An
den baulichen Überlegungen ist die Denkmalschutzbehörde
beispielsweise von Beginn an beteiligt worden und wird auch weiterhin im
Verfahren zur Verfügung stehen. Sie hält einen Abriss des
Gebäudes Wolfsschlucht 24 mit einem Wiederaufbau der Fassade für
möglich.
In
einem Fassadengutachten, das mit fünf renommierten Architekturbüros
durchgeführt wird, soll die bestmögliche Lösung für die
Integration des Neubaus in den baulichen Bestand gefunden werden.
Von
daher besteht für den Denkmalbeirat der Stadt Kassel noch Gelegenheit auf
die künftige Gestaltung Einfluss zu nehmen.
Auflagen
seitens der Bauverwaltung und des Denkmalschutzes werden in das Gutachten
einfließen.
Das Büro des Oberbürgermeisters
teilte mit, daß das Schreiben zuständigkeitshalber an Stadtbaurat
Witte und Bürgermeister Junge weitergeleitet worden sei.
Es ist natürlich leicht
nachvollziehbar, daß im Inneren keine aufwendigen Dekorationen zu
erwarten sein, die allerdings auch in vielen anderen Kulturdenkmälern
nicht vorhanden sind; das Gebäude von 1923 war nie als
Repräsentationsbau ausgelegt. Jedoch ist die Baustruktur bis heute gut
ablesbar (besonders im Obergeschoß), und die erhaltene Ausstattung des
Treppenhauses vermittelt in bemerkenswerter Weise zwischen der
Zweckmäßigkeit des modernen Nutzbaues und den reichen Außendekorationen.
Aufgang zum EG (bzw. 1. OG) Die Sockelverblendung der
Wände ist zwar überstrichen, doch ließe sich der originale
Zustand leicht wiederherstellen |
Detail des Treppengeländers Das Geländer entspricht zwar den schlichten
Formen der 1920er Jahre, nimmt aber mit der regelmäßigen
Anordnung von (zeitgemäßen) Schmuckfeldern zugleich ein
Gliederungselement des 18. Jh. auf. |
Blick vom unteren
Zwischenpodest |
Im 1. OG (bzw. 2. OG) gingen auf beiden Seiten des
Treppenhauses Gänge ab, zu denen sich Durchgänge mit flachen
Korbbögen öffneten. In der linken Gebäudehälfte ist der
Bogen noch erhalten, in der rechten ist er zugemauert, wäre aber
problemlos wiederherstellbar. Diese Bogenform war ebenfalls im 18. Jh. sehr
häufig. |
Blick aus dem
Dachgeschoß zum oberen Zwischenpodest Die Form des Treppengitters
wiederholt sich auf beiden Podesten auch vor den Fenstern. –
Ursprünglich setzte über diesem Fenster die Dachschräge des
Satteldaches an, bis sie beim Wiederaufbau zugunsten des steileren
Mansarddachs ersetzt wurde. |
Die Gestaltung des Treppenhauses zeigt,
daß 1923 kein reines Kulissendenken vorherrschte, sondern daß die
Fassadengestaltung zugleich Verpflichtung für das Innere war – wobei
man sich keineswegs im Kopieren erschöpfte, sondern eine schlichte
Neuschöpfung im Geist der Zeit mit Gestaltungselementen des späten
18. Jh. verband.
Die Zustimmung zum Abbruch reduziert das
Gebäude dagegen auf einen bloßen Kulissengedanken; dieses
Gebäude ist aber mehr als ein Steinbruch zur Überlieferung des
Brühlschen Hauses – es zeigt beispielhaft eine Baugesinnung der
1920er-Jahre, die sich eben nicht nur auf äußerlich einheitliche
Baugruppen erstreckt, sondern im ganzheitlichen Sinne auch in das Innere hinein
wirkt.
An dieser Stelle sei an drei andere fatale
Beispiele für ein ähnliches Kulissendenken in Kassel erinnert:
-
Zu Beginn der
1960er Jahre wurde die Ruine des Marstalls (spätes 16. Jh.) abgebrochen
und durch eine freie Nachempfindung ersetzt; dabei ging nicht nur der reizvolle
Innenhof verloren, sondern nahezu die gesamte Bauornamentik.
Geschoßeinteilung, Fensterformate und –gewände, Portale und
sogar die Fensteranordnung des Neubaus unterscheiden sich erheblich vom
Original. Die bemerkenswerte Baukonzeption, die aus dem zeitgenössischen
Schloßbau entlehnt war, ist heute kaum mehr nachvollziehbar.
-
Um 1968 wurde
Königsstraße 37 (um 1770) zugunsten eines Kaufhauses abgebrochen und
durch eine Fassadenkopie ersetzt; es war das einzige spätbarocke Wohnhaus
der Oberneustadt, welches den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden
hatte. Unter den verlorenen Innenräumen ist vor allem das
repräsentative Treppenhaus mit seiner originalen Holztreppe zu beklagen.
Ursprünglich soll ein moderner Neubau geplant gewesen sein, nach heftigen
öffentlichen Protesten habe dann aber zumindest die Beibehaltung des
äußeren Erscheinungsbildes durchgesetzt werden können.
-
1972 wurden zwei
Drittel der Zeughausruine (spätes 16. Jh.) abgebrochen, da man lediglich
die Südseite als Kulisse für den Töpfenmarkt für
schützenswert hielt. Das Gebäude, welches nicht nur als Arsenal,
sondern auch als Getreidespeicher für Notzeiten errichtet worden war, war
nach dem Abbruch der Ruinen von Salzhaus, Kanzleigebäude und Marstall der
letzte große Renaissancebau Kassels, der an die Blütezeit der Stadt
unter Landgraf Wilhelm IV. erinnerte.
Der Totalverlust eines Originals bedeutet
auch immer einen Verlust des historischen Quellenwerts; so sind keine Befunduntersuchungen
mehr möglich, um z. B. historische Farbfassungen oder verwendete
Bautechniken zu ermitteln. Bis zu welchem Grade die Maße des Neubaus mit
dem Original übereinstimmen, bleibt ebenfalls offen; gerade die exakten
Maße lehren jedoch viel über die historischen Entwurfsmethoden
und sind für die Proportionen eines Gebäudes wichtig. Es ist das
Verdienst Georg Dehios, die Bedeutung des historischen Quellenwerts von
Gebäuden im späten 19. Jh. erkannt und in die Denkmalpflege
eingeführt zu haben; nicht umsonst gilt Dehio heute als ein Begründer
der modernen Denkmalpflege. Vielfach lehnt die staatliche Denkmalpflege
Totalrekonstruktionen vollständig zerstörter Bauten mit dem Argument
ab, daß im allgemeinen Bewußtsein Original und Kopie dadurch zu leicht
austauschbar würden, daß der historische Quellenwert eines
Gebäudes dabei zu wenig berücksichtigt würde. Umso mehr
müsste es deshalb heute erstaunen, wenn die staatliche hessische Denkmalpflege
ein vorhandenes und baulich intaktes Original zugunsten einer bloßen
Fassadenkopie aufgeben würde.
Zugleich stellt sich die Frage, welche
Rolle die Denkmalpflege künftig in Kassel einnehmen möchte:
Als die Staatlichen Museen Kassel
zwischenzeitig den Neubau eines Depot- und Verwaltungsgebäudes an der Stelle
des Schloßhotels planten, strich das Landesamt für Denkmalpflege
Hessen kurzerhand das Schloßhotel wegen mehrerer Veränderungen im
Inneren als „nicht mehr denkmalwürdig“ aus den Denkmallisten.
Für den Bau des Museums für
Sepulkralkultur wurde das ehem. Henschelsche Gärtner- und Dienerhaus,
welches noch 1984 als Teil der Gesamtanlage Weinberg in der Denkmaltopographie
erfaßt worden war (und einen wichtigen erhaltener Bestandteil des ehem.
Henschelschen Besitzkomplexes bildete) aus den Denkmallisten genommen
und 1988 abgebrochen.
Der Abbruch der Reste des Palais
Reichenbach liegt erst drei Jahre zurück, und bei Wolfsschlucht 24-24a
gestaltet sich der Fall wiederum ganz ähnlich wie beim Palais: Ein
eingetragenes Kulturdenkmal wird von einem Großinvestor erworben, die
Stadtverwaltung begrüßt das wirtschaftliche Engagement, das
Gebäude verliert plötzlich seinen Rang als Kulturdenkmal und wird
abgebrochen (die Reste des Palais ersatzlos, in der Wolfsschlucht soll
zumindest eine Fassadenkopie als bloße Kulisse über den Verlust
hinwegtrösten). Nicht nur, daß es in der Innenstadt bald nichts mehr
zu schützen geben wird, wenn sich diese Entwicklung fortsetzt; es wird
einem privaten Eigentümer eines Kulturdenkmals am Ende kaum mehr
verständlich zu machen sein, weshalb er bei seinem eigenen Besitz
bestimmte Auflagen erfüllen soll, die häufig mit größerem
finanziellen Aufwand oder Nutzungseinschränkungen verbunden sind,
wenn andererseits ganze Gebäude aus der Denkmalliste entlassen werden, um
sie zum Abbruch freizugeben. Es wäre eine für die Stadt und das Land
fatale Entwicklung, wenn als Folge derartiger Entscheidungen die Denkmalpflege
bzw. die örtliche Denkmalschutzbehörde langfristig zu einer
bloßen Beratungsstelle für diejenigen Hauseigentümer
herabsinken würde, die genügend Interesse für ihr Kulturdenkmal
aufbringen, um es aus eigenem Antrieb zu erhalten und instandzusetzen.
Am 21. Juli berichtete die HNA
in zwei großen Artikeln über die Abbruchpläne:
Hein,
Christina: Trotz Denkmalschutz: Häuser sollen weichen.
Königsplatz: Peek-&-Cloppenburg-Neubau erfordert Platz, in: HNA vom
21. Juli 2009.
Siemon,
Thomas: Widerstand gegen
Abriss. Letzte Erinnerung an das Brühlsche Haus, das als Perle des Rokoko
galt, in: HNA vom 21. Juli 2009.
Inzwischen hat der langjährige
Verwalter des Gebäudekomplexes, Achim Wickmann, eine Initiative zum Erhalt
des historischen Bauwerks ins Leben gerufen; Kontakt: 0561 / 77 20 07 (HNA vom
22. Juli 2009).
26/27. Juli
2009:
Inzwischen nahm eine erste Rathausfraktion
zu den Neubauplanungen Stellung:
Am 23. Juli berichtete die HNA: Die Kasseler Grünenfraktion fordert,
dass der geplante Neubau für Peek&Cloppenburg-Kaufhaus am
Königsplatz eine Solarfassade erhält und höchste Klimastandards
erfüllt. Man wolle eine Gestaltung, die den Anspruch der Solarstadt Kassel
widerspiegelt, sagte die umwelt- und energiepolitische Sprecherin Helga Weber. Der
Fehler von vor zehn Jahren dürfe sich nicht wiederholen, als beim Neubau
des City Point eine solare Fassadengestaltung leider nicht mit Nachdruck verfolgt worden sei. – Auf die
Abbruch-Pläne wird nicht eingegangen, ebenso wenig auf eine Einpassung der
Königsplatzfassade in die übrige Randbebauung; eher ist zu
befürchten, daß eine reine Solarfassade zu einem Fremdkörper am
Platz werden wird.
Nachdem am 24. Juli bereits erste
Leserbriefe gegen den Abbruch erschienen, berichtete die HNA am 25. Juli
über weitere Reaktionen:
„Die
Menschen sind alle entsetzt über die Abrisspläne“, sagt die
Inhaberin der Palmen-Apotheke im Kasseler Henschelhaus, Ulrike Bohrmann-Witt.
Auf einer Unterschriftenliste in ihrem Geschäft haben sich innerhalb von
zwei Tagen bereits 200 Menschen für den Erhalt des denkmalgeschützten
Hauses eingetragen. Auch der ehemalige Verwalter des Gebäudekomplexes,
Achim Wickmann, der eine Initiative ins Leben gerufen hat, berichte von „enormen Protestreaktionen“.
In der HNA vom 25. Juli äußerte
sich außerdem der Leiter der Unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt
Kassel, Dietmar Taubert (Interview: Ellen Schwab)
Herr Taubert, Ihre Zustimmung zum Abriss hat Empörung
hervorgerufen. Können Sie dies nachvollziehen?
Taubert:
Ja, das ist verständlich. Es entsteht der Eindruck, da kommt ein
großer Investor, und alle knicken ein. Dem ist nicht so. Eine attraktive
Nutzung am Königsplatz ist für die Stärkung der Innenstadt von
großer Bedeutung. Wir können uns dem nicht ganz entziehen. Wenn wir
Nein gesagt hätten, wäre der Aufschrei groß gewesen.
Das Gebäude an der Wolfsschlucht steht unter
Denkmalschutz. Wieso kann es trotzdem abgerissen werden?
Taubert:
Wir haben uns sehr bemüht, das Gebäude zu erhalten. Aber der fast
zwei Jahre dauernde Planungsprozess hat ergeben, dass das nicht möglich
ist. Als sich Peek & Cloppenburg als Mieter mit entsprechenden
Raumansprüchen abzeichnete, wurde bald deutlich, dass außer der
Fassade nichts erhalten werden kann. Die Geschosshöhen, die
Kleinteiligkeit des Gebäudes und andere Gegebenheiten sprechen dagegen.
Wir haben dann nach Wegen gesucht, das Denkmal so weit wie möglich zu
erhalten und das im Denkmalbeirat mehrfach ausführlich diskutiert.
Wer war noch einbezogen?
Taubert:
Das Landesamt für Denkmalpflege mit Bezirkskonservator Dr. Zietz. Wir
haben überlegt, welchen Stellenwert das Gebäude hat. Im Denkmalbuch
der Stadt Kassel von 1984 ist es aus künstlerischen und
städtebaugeschichtlichen Gründen als Kulturdenkmal bewertet worden.
Der Bezirkskonservator vertritt heute die Auffassung, dass es atypisch für
die Bauzeit ist und lediglich den Gestaltungswillen des Bauherrn
repräsentiert.
Was bedeutet das?
Taubert:
Es ist grenzwertig und würde heute nicht mehr so ohne Weiteres als Denkmal
eingestuft. Die Frage ist: Was repräsentiert das Haus? Es wurde 1921 bis
1923 erbaut. Der Historismus endete um 1905 in Kassel. In den 1920er-Jahren
wurde im Bauhausstil gebaut mit ganz strengen Formen, ohne Zierelemente.
Warum soll trotzdem so viel wie möglich von dem
Gebäude erhalten bleiben?
Taubert:
Das mag widersprüchlich sein. Aber wir kennen die Verlustgefühle der
Kasseler Bevölkerung. Deshalb soll die Fassade bei der Neubebauung wieder
erscheinen, so dass der Verlust für große Teile der Bevölkerung
nicht bemerkbar ist.
Ist der Investor dazu bereit?
Taubert:
Das sind unsere Bedingungen. Wir haben denkmalpflegerische Bedenken
zurückgestellt, aber eindeutig formuliert, dass die Fassade
einschließlich des Mansardendaches wieder hergestellt werden muss. Die
Zierelemente müssen wieder verwendet und vorsichtshalber Abdrücke
genommen werden.
Das klingt nach Abriss der Fassade und Rekonstruktion ...
Taubert:
Der Baugrund ist an dieser Stelle schwierig, eine Nachbildung deshalb
wahrscheinlich.
Auf welcher Grundlage wurde der Denkmalschutz an dieser
Stelle aufgehoben?
Taubert:
Das Denkmalschutzgesetz erlaubt die Veränderung und Beseitigung von
Denkmälern, wenn Gründe des Gemeinwohls vorliegen. Es muss ein
öffentliches Interesse geben.
Wer entscheidet darüber?
Taubert:
Die Denkmalschutzbehörde der Stadt Kassel im Einvernehmen mit dem
Denkmalbeirat der Stadt, der zugestimmt hat, und das Landesamt für
Denkmalpflege.
Wie sieht die Bereitschaft des Investors aus?
Taubert:
Da muss man schon dicke Bretter bohren. Wir haben in der Bauvoranfrage unsere
Forderungen ganz klar formuliert. Wenn die nicht eingehalten werden, werden wir
einer Baugenehmigung nicht zustimmen. Ich glaube nicht, dass es dazu kommt.
Denn der Investor will bauen.
[Untere
Denkmalschutzbehörde ist genaugenommen der Magistrat der Stadt Kassel,
vgl. § 3 (2) Hess. Denkmalschutzgesetz: Untere Denkmalschutzbehörde ist in den kreisfreien Städten
und Gemeinden, denen die Bauaufsicht übertragen ist, der Gemeindevorstand,
in den Landkreisen der Kreisausschuß. Die Aufgaben des Denkmalschutzes
obliegen den Landkreisen und Gemeinden zur Erfüllung nach Weisung. Das
Landesamt für Denkmalpflege Hessen ist dagegen eine Landesbehörde,
die dem Ministerium für Wissenschaft und Kunst untersteht, welches
zugleich die Oberste Denkmalschutzbehörde darstellt (vgl. §
3 (1) und § 4 HDschG).]
Als Grundlage dient § 16 (3) Hess.
Denkmalschutzgesetz: Die Genehmigung
[für Abbruch, Veränderung, Versetzung etc. eines Kulturdenkmals] soll nur erteilt werden, wenn
überwiegende Gründe des Gemeinwohls dem nicht entgegenstehen.
Leider sind Abbruchfreigaben für neue Großbauten in
Innenstädten stets mit einer wirtschaftlichen Stärkung der Stadtzentren
begründbar; sind in Hessen damit künftig flächendeckende
Abbrüche in historischen Innenstädten zu befürchten? Oder
erkennen einzelne Kommunen auch den wirtschaftlichen und ideellen Wert, den das
historische Erbe für das Gemeinwohl besitzt? – Zumal Denkmalschutz
immer auch eine Verpflichtung gegenüber späteren Generationen
darstellt, das historische Erbe dauerhaft zu sichern und gegen kurzfristige
Interessen zu verteidigen.
Der Gefahr eines solchen
Präzedenzfalls wirkt zwar die Begründung entgegen, daß der
Denkmalwert des Gebäudes fraglich sei; doch ist diese Begründung
wirklich stichhaltig? Betrachten wir die Aussagen genauer:
Der Bezirkskonservator vertritt heute die Auffassung, dass es
atypisch für die Bauzeit ist und lediglich den Gestaltungswillen des
Bauherrn repräsentiert. Es ist grenzwertig und würde heute nicht mehr
so ohne Weiteres als Denkmal eingestuft. Die Frage ist: Was repräsentiert
das Haus?...
In letzter Konsequenz hieße dies,
daß nur Bauten schützenswert seien, die dem jeweils zeittypischen
Stilempfinden entsprächen; eine derartige Klassifizierung greift
allerdings zu kurz. (Wie sollte man dann z. B. damit umgehen, daß
Friedrich II. in Potsdam Entwürfe des Renaissance-Architekten Andrea
Palladio aus dem 16. Jh. kopieren oder in Berlin einen längst veralteten
Entwurf aus Wien (aus der Zeit um 1700, die sog. Kommode) realisieren
ließ? Oder was wäre mit der holländischen Siedlung in Potsdam?
All diese Gebäude vertreten Stilformen, die damals entweder bereits
längst veraltet oder vor Ort unüblich waren, und die lediglich den
Gestaltungswillen des Königs repräsentieren – und heute unter
Denkmalschutz stehen. Ähnliches gilt z. B. auch für die russischen
Kapellen in Weimar und Wiesbaden etc., die dann alleine wegen ihres
geschichtlichen Wertes schützenswert wären. Und nicht zuletzt war
sogar das reich dekorierte Brühlsche Haus selbst lediglich eine
Einzelerscheinung in Kassel!)
... Was repräsentiert das Haus? Es wurde 1921 bis 1923
erbaut. Der Historismus endete um 1905 in Kassel. In den 1920er-Jahren wurde im
Bauhausstil gebaut mit ganz strengen Formen, ohne Zierelemente.
Betrachten wir also die Kasseler
Baugeschichte zwischen den beiden Weltkriegen:
Ausgangspunkt ist hierbei eine
Bauentwicklung, die schon im frühen 20. Jh. eingesetzt hatte; sie
knüpfte an den Kasseler Barockklassizismus (1)
und an rein klassizistische Formen (2) an oder
bildete Mischformen aus Barock, Klassizismus und Jugendstil heraus (3). Diese Entwicklung entsprach allgemeinen
klassizistischen Tendenzen jener Zeit, für die ein wichtiger Vorreiter
Alfred Messel in Berlin war (4). Nach dem
Ersten Weltkrieg setzte sich diese Tendenz auch in Kassel weiter fort: Die
Anklänge an Barock und Klassizismus blieben weiterhin bestehen, was durch
das Ende des Jugendstils noch verstärkt wurde; dabei bildete sich ein
schlichter Baustil heraus, der zwar auf Zierelemente verzichtete, z. T. auch
expressionistische Anklänge, z. T. auch Heimatschutzformen
zeigt, aber mit dem Bauhaus jedenfalls nichts gemein hat (5); er ist von der Grundauffassung her eher mit dem
schlichten, ornamentlosen Kasseler Barockklassizismus der Oberneustadt
vergleichbar. Diese Bauweise mündete in ihrer weiteren Entwicklung (6) in die typischen Kasseler Wohnbauten der
späten 40er und frühen 50er Jahre (7).
(Dabei sei darauf hingewiesen, daß fast alle in den Anmerkungen genannten
Bauten auch in der Denkmaltopographie, Band II und III von 2005 und 2008,
als Gesamtanlagen oder sogar als Einzeldenkmale unter Schutz stehen.)
Eine bedeutende Rolle kam dabei Erich Labes
und Ernst Rothe im Kasseler Stadtbauamt zu (vgl. Wiegand, Stadt Kassel II, S. 97f.), die beide an der TH
Charlottenburg studiert haben sollen – ebenso wie Max Hummel (zusammen
mit Rothe Architekt der Stadthalle), August Ernecke (Architekt zahlreicher Villen
und Siedlungsbauten in Kassel) und Paul Schmitthenner (Architekt der
Gartenstadt Staaken und in Kassel der Forstfeldsiedlung
Steinigkstraße). Labes, seit 1913 in Kassel, war im Stadtbauamt für
den Hochbau und die Bauberatung zuständig und stieg später zum
Stadtbaurat auf. Schmitthenner wiederum war Vertreter der sog. Stuttgarter
Schule (8), welche in der Nachfolge Theodor
Fischers (u. a. Hess. Landesmuseum Kassel) stand. Ihr Ziel war eine
Weiterentwicklung der Baukunst aus den traditionellen historischen
Elementen heraus; der Historismus wurde dabei ebenso abgelehnt wie das Bauhaus,
welches bis 1933 nur eine von mehreren Architekturrichtungen in Deutschland
blieb.
Thomas Wiegand
weist im II. Band der Denkmaltopographie der Stadt Kassel von 2005 ausdrücklich
auf die Ausprägung eines
einheitlichen Bautyps im Sinne eines „aufgeklärten
Traditionalismus“ (Labes 1928) in Kassel hin und zitiert dabei den
Stadtbaurat selbst:
Ließ man sich noch wenige
Jahre vor dem Krieg fast völlig von dem Willen und Geschmack des Bauherrn
lenken und erteilte die Bauerlaubnis fast ohne Rücksicht auf die Erzielung
geschlossener Straßen- und Platzbilder, so wurde kurz vor und
stärker noch nach dem Kriege auf Grund der inzwischen erfolgten
gesetzlichen Anerkennung der Wahrnehmung schönheitlicher Gesichtspunkte
die Einflußnahme auf die Art der Bebauung stärker. Zuerst
begnügte man sich noch damit, gegen die offensichtlichen groben
Verunstaltungen, die in Kassel nicht nur bei privaten Bauten eine kaum noch zu
überbietende Höhe erreicht hatten, vorzugehen, dann suchte man
bauberatend jede Verunstaltung von Bauten und Beeinträchtigungen von
Straßenbildern zu verhindern, zog die Zügel immer straffer, indem
man zu weitgehenden Wünschen der Bauherren, die eine erträgliche
Lösung nicht erwarten ließen, sich ablehnend gegenüberstellte
und den allzu individuellen Neigungen der Architekten entgegentrat, und
entschloß sich schließlich zu einem positiven Aufbau durch
Herausarbeiten wegweisender Richtlinien. Durch Vorträge, Ausstellungen,
Aussprachen und persönliche Einwirkung wurden die weit auseinandergehenden
Anschauungen und Geschmacksrichtungen zu sammeln und zu ordnen gesucht. Was lag
näher als die Bezugnahme auf die alte Baukultur in Kassel ... Was war
geeigneter, dem Vorwurf der oft unsympathisch wirkenden Aufdrängung
bestimmter ästhetischer Richtlinien zu entgehen, als der Hinweis auf jene
einheitlichen, fast gesetzlichen Erscheinungsformen der Oberneustadt und der
von diesen beeinflußten Typen ...? So wurden denn schon im Jahre 1919 bestimmte
Haustypen von der städtischen Bauberatungsstelle als vorbildlich
bezeichnet, deren Einfluß ganz unverkennbar schon in wenigen Jahren
bemerkbar wurde und von Jahr zu Jahr offener hervortrat.
(Wiegand, Stadt Kassel II, S. 98)
Es wäre interessant, ob beim Anbau des
Brühlschen Hauses die Übernahme der Rokokoformen auf direkte Vorgaben
der städtischen Bauverwaltung zurückgeht, namentlich auf die
Bauberatung unter Labes; interessant wäre auch, welcher Architekt das
Gebäude errichtet hat.
Jedenfalls beantwortet der II. Band der
Denkmaltopographie damit die Frage: ...
Was repräsentiert das Haus?
Es repräsentiert die Bemühungen
der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, ein in sich geschlossenes Stadtbild zu
erhalten – ein Ziel, das im übrigen bis heute nichts an seiner
Aktualität verloren hat! Und gerade diese Zielsetzung hebt sich auch
deutlich von der Zeit des Historismus ab, der in der Stadt tatsächlich
schwere Wunden geschlagen hat, wie Labes andeutet: So haben am Königsplatz
die großen Neurenaissancebauten der Hauptpost und des
Schollschen Kaufhauses (Nr. 36-36½) sowie die Bankhäuser Nr. 32-34
und 57 den wohldurchdachten Maßstab des Platzes gesprengt; auf der
Westseite des Friedrichsplatzes ging der städtebauliche und architektonische
Zusammenhang durch Aufstockung und Umbau der Häuser Königsstraße
39 und 43 verloren, die ohne Rücksicht auf ihre Umgebung mit ihren
größeren Dimensionen und aufwendigen Schmuckformen (italienische
Neurenaissance bis Spätklassizismus) die zurückhaltende Rokoko-Front
des bedeutenden Nahlschen Hauses (Nr. 41) geradezu erdrückten.
Und historistische Mietshäuser in Neurenaissance oder Maurermeisterarchitektur
bzw. mit Klinkerverblendung durchsetzten als Fremdkörper
die Altstadt. Die Forderungen Labes’ nach einem „aufgeklärten
Traditionalismus“, der sich gerade an der alten Kasseler Baukultur
orientieren sollte, waren eine dringend notwendige Antwort auf diese zunehmende
Entstellung des Kasseler Stadtbildes – wobei man in Einzelfällen nun
bis hin zur detailgetreuen Adaption ging:
Eines der ersten Beispiele dafür ist
tatsächlich jener Anbau an das Brühlsche Haus, von 1921-23. Um 1926
errichte dann der Stadthallenarchitekt Max Hummel zwei klassizistische
Tempelchen am Vorplatz der Stadthalle, die auf das Stadthallenportal bezug
nahmen. 1928 wurde das Haus Kölnische Straße 3 / Wolfsschlucht
(genau gegenüber dem Haus Wolfsschlucht 24-24a) durch einen Neubau
ersetzt, der die Bauformen der Nachbarhäuser aus der Zeit um 1830 aufnahm (9). Um 1929 wurde das spätbarocke Gebäude
Schloßplatz 17 von 1770 durch den gleichartigen Neubau Marställer
Platz 1 zu einer symmetrischen Baugruppe ergänzt (10) – geplant und ausgeführt durch das
Stadtbauamt! Um 1930 wurde das typische Oberneustadt-Haus
Königsstraße 13 (um 1730) zwar durch einen Neubau ersetzt, der sich
auch als modernes Gebäude zu erkennen gab, aber in Proportionen und
Gestaltung in die Umgebung einfügte (11).
Und 1930 äußerte sich Labes über die Kasseler Altstadtsanierung:
Die künstlichen Einfügungen
durch die weiterschreitende Sanierung dürfen nun aber auf keinen Fall der
krassen Moderne entnommen werden. Um Gotteswillen keine dächerlosen,
kahlen Kästen neuer bzw. neuester Sachlichkeit zwischen die
Fachwerkbauten, Renaissance- und Barockbauten des alten Kassels. (Schulz, Altstadtsanierung, S. 46). Und
bei den Neubauten am Freiheiter Durchbruch ab 1934/35 entsprach man dann auch
genau dieser Forderung: Die Gebäude griffen die wesentlichen Grundelemente
der Altstadtbebauung auf (kleinteilige Fensterreihungen, Zwerchhäuser,
z. T. sogar Stockwerksüberstände), ohne nun allerdings
bestimmte Stilformen detailgetreu nachzubilden – gewissermaßen
das gemeinsame Substrat der Altstadthäuser aus dem 16. bis 18. Jahrhundert
(12).
Schloßplatz
17 und Marställer Platz 1
links:
Gesamtansicht der Baugruppe von 1770 und 1929
rechts: der
Neubau von 1929, als Kopie des benachbarten Altbaus errichtet vom Kasseler
Stadtbauamt
(Brier / Dettmar, Kassel I, S. 42,
Ausschnitt / Ausschnitt aus einer Postkarte)
(1) Z.
B. neues Hoftheater von 1907-09, in bewußter Aufnahme der Stilformen der
Oberneustadt; heutige Friedrich-Wöhler-Schule von 1910-12; heutige
Friedrich-List-Schule von 1910-13.
(2) Stadthalle,
nach 1911 bis 1914, von Max Hummel und Ernst Rothe; ehem. Oberzolldirektion von
1913/14, Goethestraße 43; Geibelstraße 6 um 1908; Opernstraße
9, 11-13, um 1909/10.
(3) Z.
B. Kirchweg 78 von 1906; Opernstraße 2, 8 / Wolfsschlucht 6a,
Opernstraße 15, um 1909/10; Wilhelmshöher Allee
271/Rolandstraße 1 von 1910; Karthäuserstraße 5 von 1911/12;
Akazienweg 20 um 1913; Kirchweg 84 und 86 von 1913/14; Erweiterung der Eisenbahndirektion
(Flügel an der Parkstraße) von 1910/12; Brabanter Straße 47,
um 1914; zahlreiche Gebäude der Baumgartenstraße, um 1915-1919, u.
a. durch August Ernecke; Burgfeldstraße 12 um 1911; Burgfeldstraße
16 um 1915; sowie als Siedlungsbauten: Schönfelder Straße 51-71 und
Heinrich-Heine-Straße 120/122 von 1912; Menzelstraße 16-18 von
1912/13; Landgraf-Karl-Straße 21¼ und Wilhelm-Schmidt-Straße
8-24 von 1914; Gerlandstraße 5-15, Schmerfeldstraße 4-12 und
Zentgrafenstraße 80-86 von 1913/14, Ernecke. Auch das Hessische
Landesmuseum von 1909-13 gehört im weiteren Sinne in diesem Zusammenhang.
(4) Vgl. bereits
das AEG-Verwaltungsgebäude in Berlin-Mitte von 1904/05; das Pergamonmuseum
ab 1907.
(5) Z.
B. als Siedlungsbauten: Schmerfeldstraße 3-9 von 1920/21;
Mozartstraße 5-7 mit Menzelstraße 20-22 von 1922/24, August
Ernecke; Randbebauung des Sophie-Henschel-Platzes von 1922/23, Max Hummel und
möglicherweise Mitarbeit von Ernst Rothe; Breitscheidstraße 72-104
von 1922, Karl Dupont; Breitscheidstraße 34-52 und Kölnische Straße
159-167 von 1923/24; Breitscheidstraße 8-12 und Kölnische
Straße 139-153 von 1924; Pettenkoverstr. 1-5 und Hansteinstraße 54,
1924-26; Akademiestraße 6-12, 9-17 und Menzelstraße 8 und 14 von
1924-27; Teile von Salzmannshausen, in enger Anlehnung an den Kasseler Barock;
Kölnische Straße 176-182 von 1925; Rammelsbergstraße 30-50 und
Weißensteinstraße 61-73 von 1925-27, Ernecke; Kirchweg
30-34 von 1926/27. Als Privatbauten z. B.: die Villen Kölnische
Straße 171, 175, 177 und 183 von 1923 bis 1925; Lindenstraße 12 um
1923; Brabanter Straße 30 um 1924; Trottstraße 16 von 1924;
Gilsastraße 3-7 und 8-12 um 1924 und 1926; Raabestraße 8 um 1924;
zahlreiche Gebäude im Flüsseviertel, z. B. die Rheinstraße; im
Landhausstil: Dag-Hammerskjöld-Straße 40-46. Als öffentliche
Bauten die Gebäude der Hessenkampfbahn von 1924-26; Entwurf für
ein Hallenbad nördlich der Hessenkampfbahn, 1926, unterzeichnet von Labes
und Rothe; Freibad Wilhelmshöhe von 1935, Rothe; Städt. Flußbad
(heute Auebad).
(6) Z.
B. als Siedlungsbauten: Randbebauung der Ihringshäuser Straße ab
1926, nach Konzept von Labes und Rothe; am Huttenplatz, zwischen
Diakonissenstraße, Friedrich-Ebert-Straße, Geysostraße und
Goethestraße, von Rothe und Hummel; Hentzestraße 10-34 und
Friedensstraße 10-16 von 1927-31; Siedlungsbauten rund um die
Goetheanlage, zwischen Wilhelmshöher Allee, Friedrich-Ebert-Straße
und Freiherr-vom-Stein-Straße; Hansastraße 5-21, Kattenstraße
1-7 und 12-18, Elfbuchenstraße 23-29 und 34, Breitscheidstraße 29
von 1926-1930; Breitscheidstraße 15-19 von 1927/28; Heubnerstraße
1-29 von 1927-29. Vgl. auch das ehem. Finanzamt Wilhelmshöher Allee 64-66
von 1938/39 (1976 um ein Geschoß erhöht), Dupont gemäß
städtebaulicher Konzeption von Rothe.
(7) Z.
B. als Siedlungsbauten: Heubnerstraße 2, 6-14 und Hansteinstraße 23;
Müllergasse, Pferdemarkt und Westseite des Kastenalsgasse; Entenanger 2-16
und angrenzende Bauten in der Mittelgasse; Kettengasse 1,
Brüderstraße 8-10, An der Fuldabrücke 2-6, Die Schlagd 11-17;
Friedrich-Ebert-Straße 58-66 und 61-75, Annastraße 2-8; Häuserzeilen
auf der Südseite des Ederwegs.
Als Privatgebäude z. B.: Obere Königsstraße 21;
Huttenstraße 2-4. Vgl. auch das Landratsamt Humboldtstraße 24 (bis
zum Umbau 2006); das ehem. Wasser- und Schiffahrtsstraßenamt
Wilhelmshöher Allee 47.
(8) Dieser Richtung
gehörten neben Schmitthenner u. a. auch Paul Bonatz und Martin Elsaesser
an. Als Gegenmodell zur heftig kritisierten Weißenhofsiedlung errichteten
einige Mitglieder der Stuttgarter Schule 1933 die Kochenhofsiedlung in
Stuttgart.
(9) Hochrechteckige
Fenster mit einfachen Umrahmungen, Walmdach; Höhenverhältnisse und
Proportionen lehnten sich an die Nachbarhäuser Kölnische Straße
5 und Wolfsschlucht 33 an. Das Gebäude überstand den Zweiten
Weltkrieg mit Brandschäden, wurde in den 1960er Jahren aber zugunsten
eines Neubaus abgebrochen.
(10) Der Neubau ist vereinfacht und ohne
Mansarddach und Zwerchhaus noch erhalten, während über das
Grundstück Schloßplatz 17 der verbreiterte Steinweg führt.
(11) Das sog. Merkurhaus; heute nur noch in
aufgestockter Form erhalten, so daß die breite dreiachsige Gaube (in
Anlehnung an die Bauformen um 1820-60, in Weiterentwicklung der barocken
Zwerchhäuser) nicht mehr als solche erkennbar ist.
(12) Unzerstört erhalten: Die Freiheit
12; nach Kriegsschäden vereinfacht wiederhergestellt: Wildemannsgasse 14.
Blicken wir zudem noch einmal in das Hess.
Denkmalschutzgesetz, § 2 (1): Schutzwürdige
Kulturdenkmäler im Sinne dieses Gesetzes sind Sachen,
Sachgesamtheiten oder Sachteile, an deren Erhaltung aus künstlerischen,
wissenschaftlichen, technischen, geschichtlichen oder städtebaulichen
Gründen ein öffentliches Interesse besteht.
Hier greifen nun gleich vier Aspekte: Aus
künstlerischen, wissenschaftlichen und geschichtlichen Gründen ist
das Gebäude Wolfsschlucht 24-24a erhaltenswert, weil es die
zerstörten Schmuckformen des untergegangenen Brühlschen Hauses
detailgetreu überliefert. Aus künstlerischen, geschichtlichen und
städtebaulichen Gründen ist es zudem bedeutend, weil es in guter
Qualität die städtebaulichen und architektonischen Ansprüche der
Zeit nach dem Ersten Weltkrieg verdeutlicht, die damals an das „Bauen im
Bestand“ in Kassel gestellt wurden – womit sich die Stadt Kassel
durchaus auch von anderen Städten abhob. Es repräsentiert eine
Bauauffassung, die als Parallelentwicklung gleichberechtigt neben dem
Bauhaus bestand (welches in Kassel sogar nur mit wenigen Beispielen vertreten
ist (1)), ebenfalls eine Antwort auf die
historistische Architektur bildete und sich bis in die unmittelbare
Nachkriegszeit auswirkte. Die hohe Qualität des Gebäudes zeigt sich
dabei nicht nur in der städtebaulichen Lösung der Ecksituation,
sondern – wie bereits geschildert – auch in der inneren Gestaltung.
(1) In
der Amtszeit Labes’ wurden in Bauhausformen bzw. in Formen des
Internationalen Stils vor allem errichtet: Malwida-von-Meysenbug-Schule (heute:
Heinrich-Schütz-Schule), nach Architektenwettbewerb von 1927 durch
Heinrich Tessenow; Kindertagesheim des Fröbelseminars,
Dingelstedtstraße 10, von Hans Borkowsky um 1928/29; Rothenbergsiedlung
von Otto Haesler, 1928-30; Altersheim der Marie von Boschan-Aschrott-Stiftung,
Friedrich-Ebert-Straße 178, nach Architektenwettbewerb von 1929
durch Otto Haesler; Wohnhäuser Hellmuth-von-Gerlach-Straße 27 und
29, um 1929 und 1931.
30. Juli 2009:
Am 29. und 30. Juli berichtete die HNA
über weitere Reaktionen auf die Abbruchpläne:
Vier Tage nachdem die Inhaberin der
Palmen-Apotheke, Ulrike Bohrmann-Witt, Unterschriftenlisten für den Erhalt
des Gebäudes ausgelegt hatte, haben sich nun bereits 500 Menschen
eingetragen. Auch Achim Wickmann, der die Initiative „Pro Henschelhaus“ gestartet
hat, berichtet: Seitdem steht bei mir das
Telefon nicht mehr still. Die Menschen können diesen Wahnsinn nicht fassen.
Und der Vorsitzende des Vereins für
Hessische Geschichte und Landeskunde, Karl-Hermann-Wegner (Direktor des
Stadtmuseums Kassel i.R.) wird zitiert: Der
Abbruch wäre ein Skandal, eine Bankrott-Erklärung des
Denkmalschutzes. Auf der Hausseite Königsplatz Nummer 55, wo
50er-Jahre-Architektur in Reinkultur bestehe, existiere Ensembleschutz. Der
beziehe sich jedoch nicht auf einzelne Häuser. So hatte das Kasseler
Denkmalamt sein Plazet für den Neubau begründet. Das Stadtbild spielt bei politischen Entscheidungen im Rathaus keine
Rolle, kritisiert Wegner. Dabei sei die Atmosphäre einer Stadt ein
wichtiger Wirtschaftsfaktor.
Weiter heißt es in dem Artikel: Was die Abrissgegner aufregt, sind
Pingeligkeiten im Denkmalschutz, wenn es um kleinere Privatvorhaben geht.
„Und hier wird ohne mit der Wimper zu zucken, ein ganzes historisches
Haus geopfert“, sagt Wickmann: „Ich habe Aktenordner voll mit
Auflagen, die wir einhalten mussten, als wir vor fünf Jahren das
Henschelhaus renoviert haben.“ Das Wirtschaftsargument zieht für ihn
nicht: „Vor kurzem waren im gesamten Haus 110 Menschen beschäftigt.
Ich glaube nicht, dass P&C ebenso viele beschäftigen wird.“
Im Artikel vom 30. Juli nahm der
populäre Kasseler Heimatkundler Hans Germandi Stellung gegen die
Abbruchpläne: „Es ist eine
Schande, da soll auch noch das letzte Zeugnis von früher beseitigt
werden,“ sagt er und ordnete sie in eine ganze Reihe von
Abbrüchen nach 1943 ein (am Friedrichsplatz Residenzpalais, ehem.
Hofverwaltungsgebäude, St. Elisabeth, Staatstheater). „Gott sei Dank ist wenigstens das Fridericianum stehen
geblieben“, sagt der Mann, der für seine Verdienste mit dem
Wappenring der Stadt ausgezeichnet wurde. So viel hätte aus seiner Sicht
gerettet werden können. Das Karlshospital, das derzeit mit einem modernen
Aufbau versehen wird, gehört für Hans Germandi genauso in diese Reihe
wie die Zeughausruine [...].
„Gäbe es den Verein [Förderverein Zeughaus e.V.] nicht, wäre da wahrscheinlich auch
alles plattgemacht worden.“ Wenn jetzt auch noch das Henschelhaus an der
Wolfsschlucht weichen müsse, sterbe wieder ein Stück altes Kassel.
„Wo kann man denn noch unsere Vergangenheit und unsere Wurzeln
sehen?“ Und verweist auf das Brühlsche Haus, dessen Formen an
dem Gebäude von 1923 übernommen wurden. „Das ist unsere Vergangenheit“, sagt Hans Germandi,
„das darf man nicht einfach abreißen.“
Zur Gebäudegeschichte seien nun noch
einige Informationen zum Bauherrn nachgetragen:
Das Grundstück Königsplatz 55
wird im Adreßbuch für 1921/22 (Redaktionsschluß: Herbst 1920)
als Eigentum der [Darmstädter] Bank
für Handel und Industrie, Filiale Cassel, geführt. Diese Bank
hatte bereits 1920/21 eine Gemeinschaft mit der Nationalbank für Deutschland KG a. A. gebildet, und im Jahre
1922 fusionierten beide Kreditinstitute. Die neue Darmstädter und Nationalbank KG a. A. (auch Danat genannt) war eine der
größten Geschäftsbanken im Deutschen Reich. U. a. war auch
Hjalmar Schacht 1922/23 Gesellschafter der Danat.
Daß die Bank auch die Bauherrin des
rückwärtigen Anbaues an der Wolfsschlucht war, spricht umso mehr
dagegen spricht, daß die Rokoko-Formen alleine den privaten Gestaltungswillen des Bauherren
repräsentieren, und macht städtische Vorgaben wahrscheinlich.
Der Innenhof wurde mit der Schalterhalle der Kasseler Filiale
überbaut, und der Anbau wurde im Erdgeschoß (bzw.
Kellergeschoß) sowie in Teilen des Obergeschosses (bzw. Erdgeschosses
an der Wolfsschlucht) für Bankräume genutzt. Ansonsten enthielt
das Gebäude Dienstwohnungen des Bankdirektors und einiger
Bankbediensteten: Insgesamt gab es 6 Wohnungen, wobei sich die
Direktorenwohnung im 1. Obergeschoß (bzw. Erdgeschoß) befand,
die übrigen im 2. (bzw. 1.) Obergeschoß und im
Dachgeschoß, welches an der Rückseite als Vollgeschoß
ausgebaut war. Ende der 20er Jahre wurde die frühere Direktorenwohnung
aufgeteilt und vermietet.
Offenbar 1930 verkaufte die Bank das
Gebäude an die Aktien-Gesellschaft
Werderscher Markt, Berlin und erscheint kurzzeitig noch als Mieterin, bis sie
am 13. Juli 1931 zahlungsunfähig wurde. Der Zusammenbruch der Danat löste die deutsche
Bankenkrise aus, und auf Anordnung der Reichsregierung wurde sie mit der
Dresdener Bank fusioniert. Die Kasseler Niederlassung am Königsplatz wurde
in der Folge aufgegeben, vermutlich weil die Dresdener Bank bereits in Kassel
vertreten war.
Von der späteren Grundbesitz Verwaltungs-AG Berlin ging das Gebäude um 1939 in
den Besitz der Nachlaßverwaltung Karl Henschels über (Verwaltung des Nachlasses des Geh.
Kommerzienrats Dr. Ing. K. Henschel, Königsplatz 55 (1940) bzw. Henschel Erben Grundstücksverwaltung (1949)).
Unter den Mietern sind u. a. hervorzuheben:
die Barmer Ersatzkasse seit der
zweiten Hälfte der 30er Jahre bis zur Fertigstellung des Neubaus in der
Treppenstraße; die Farbwerke
Höchst US.-Administration Beratungsstelle Kassel in der
Nachkriegszeit. Zudem war in dem Gebäude die Henschelsche Familien-Verw. GmbH untergebracht. Auf diese
jüngeren Eigentums- und Nutzungsverhältnisse ist die Bezeichnung
„Henschelhaus“ zurückzuführen.
Besondere historische Bedeutung besitzt ein
Mieter der Jahre 1929(?)-33, der auf tragische Weise eng mit der Kasseler
Geschichte jener Zeit verbunden ist: der Rechtsanwalt Dr. Max Plaut, der (von
der Wolfsschlucht aus gesehen) im Erdgeschoß seine Kanzlei betrieb, von
den Nationalsozialisten als Intimfeind betrachtet und am 24. März 1933 von
SA-Leuten aus seiner Kanzlei geholt wurde; nach stundenlangen Mißhandlungen
in den Kellern der Bürgersäle
(Obere Karlsstraße 17) starb er am 31. März 1933 an den schweren
Verletzungen.
Plaut war 1888 in Witzenhausen geboren
worden, hatte sich 1919 als Rechtsanwalt in Kassel niedergelassen und 1928
seine Zulassung als Notar erhalten. Sein Vater war streng ein religiöser
Jude gewesen, der lange Zeit Gemeindeältester war und sich große
Verdienste um die jüdische Gemeinde in Kassel erwarb. Maximilian Plaut dagegen war der Religion seiner Väter nicht
besonders eng verbunden. Er war ein typischer „Assimilierter“, der
sich in der deutschen Kultur zu Hause fühlte. [...] Er war eng befreundet mit dem Konzertmeister
Richard Laugs, dem Opernsänger Siegmund Weltlinger und anderen
Künstlern. Von 1921 an schrieb er zehn Jahre lang Musikkritiken, besonders
für die „Kasseler Neuesten Nachrichten“. Voll bissiger Ironie
bekämpfte er in diesen Kritiken Erscheinungen von Provinzialität im
Kasseler Musiktheater. Durch sein offenes Auftreten und seine respektlosen und
unkonventionellen Gewohnheiten machte er sich allerdings nicht nur
Freunde, weil er das ungeschriebene Gesetz der jüdischen Gemeinde
(„Nur nicht auffallen und dem Antisemitismus keine Vorwände
liefern“) verletzte. Jeder Jude, der in der Öffentlichkeit auftrat,
war der „Hessischen Volkswacht“ einen Hetzartikel wert, und so
wurde Plaut, der überdies verschiedentlich Prozeßgegner von
Nationalsozialisten war, zu einem immer wieder aufgegriffenen Intimfeind des
NS-Blattes. Die „Volkswacht“ forderte nicht nur die Absetzung als
Kritiker und die Einleitung eines Verfahrens wegen angeblicher beruflicher
Verfehlungen, sondern drohte ihm geradezu: „Wir werden solchen Leuten im
deutschen Staat der Zukunft einen Zwangsfahrschein aushändigen, mit dem
sie schnell unsere heimatliche Erde verlassen müssen und sich auf ihrem
heimischen Boden (gemeint ist Palästina) gern und gut auswirken
können.“ (17. 11. 1931)
So
war Max Plaut prädestiniert, im Frühjahr 1933 zum Opfer einer
„Abrechnung“ zu werden. Ein weiterer Grund dafür mag die
persönliche Feindschaft des Operettentenors und Adjutanten der
SA-Standarte 83 Willi Schillings gewesen sein. Plaut hatte in seiner
sarkastischen Art mehrfach die Leistungen des Sängers kritisiert
(„... müßte seine Gesangsleistungen ernstlich
revidieren“), was dieser ihm nicht vergaß.
Am 24.
März 1933 gegen 18 Uhr holten SA-Leute Max Plaut aus seinem Büro in
der Wolfsschlucht und führten ihn durch die Straßen in die
„Bürgersäle“ in der Oberen Karlsstraße. Nach
stundenlangen Misshandlungen in den Kellern dieser Gastwirtschaft wurde Plaut
in seine Wohnung in der Wilhelmshöher Allee 55 geschafft. Dort starb er
eine Woche später, am 31. März.
Obwohl
die Kasseler Presse über die Vorgänge in den
„Bürgersälen“ nicht berichtete, verbreitete sich die
Nachricht über die tagelange Orgie der Gewalt schnell über die
Grenzen der Stadt hinaus. Die amerikanischen Pressekorrespondenten Taylor und
Swanson reisten am 28. März aus Frankfurt an, um durch Nachfrage bei den
zuständigen Behörden die Gerüchte zu überprüfen. Der Regierungspräsident
Jerschke – ebenso wie Polizeipräsident v. Kottwitz von Anfang an
genauestens über die Mißhandlungen informiert – erklärte
den Amerikanern, es seien zwar einige Juden „als Unterstützer der
kommunistischen Bewegung“ festgenommen worden, die Betreffenden seien
aber längst wieder freigelassen und die ganze Angelegenheit aufgebauscht
worden. Die Korrespondenten überzeugten sich, daß in den
Straßen der Stadt Ruhe herrschte, bekamen die Sehenswürdigkeiten in
Wilhelmshöhe gezeigt und reisten wieder ab.
Die
Kasseler Staatsanwaltschaft ermittelte routinemäßig „gegen
Unbekannt“ wegen eines Tötungsdeliktes. Max Plaut wurde obduziert.
Da sich die Ärzte jedoch nicht festlegen wollten, ob „die
Verletzungen am Gesäß das bestehende Herzleiden ungünstig
beeinflußt“ hätten, wurde die Akte geschlossen. Die Beisetzung
Max Plauts, symbolhaft auf der ersten Grabstätte des neuen jüdischen
Friedhofs in Bettenhausen, fand im engsten Familienkreis und unter
polizeilicher Beobachtung statt. Erst nach der Beerdigung durfte Elsa Plaut in
den „Kasseler Neuesten Nachrichten“ den Tod ihres Mannes anzeigen.
Kurz darauf emigrierte sie mit den drei Kindern in die Schweiz.
Die
Entführung Plauts aus seiner Kanzlei im Gebäude Wolfsschlucht 24-24a
und die Mißhandlungen werden im Braunbuch
über Reichstagsbrand und Hitlerterror ausführlich beschrieben,
das im August 1933 in Paris erschien (Achtung: bitte nur bei guten Nerven
weiterlesen):
In einem Bericht des Kasseler Dr. O. M. heisst es:
«Am Freitag, dem 17. [24.] März 1933, durchzogen Nazibanden die
Stadt Kassel, um Mitglieder der jüdischen Gemeinde, die ihnen aus
irgendwelchen Gründen unliebsam waren, abzuholen und «Gericht»
über sie zu halten. Bemerkenswerterweise handelt es sich bei den Opfern
durchweg um Personen, die niemals irgendwie politisch hervorgetreten waren,
sondern die Ursachen für die Misshandlungen waren regelmäßig
kleinliche Gehässigkeiten eines Prominenten der NSDAP. Folgende
schwerwiegende Fälle möchte ich hervorheben:
Der Rechtsanwalt Dr. M a x P l a u t wurde an diesem Tag von einer grossen
Horde aus seinem Büro abgeholt und im geschlossenen Zug durch die
Hauptstrasse geführt [gemeint ist wohl die Obere Königsstraße]. Unterwegs wurde er durch Schläge mit
Gummiknüppeln gezwungen, «Heil Hitler» zu rufen, worauf
jedesmal ein wildes Gebrüll von Seiten der Nazis ertönte. Plaut wurde
dann in das Hauptversammlungslokal der NSDAP – die Bürgersäle
in der Karlstrasse – gebracht, und dort wurde ein sogenanntes
Standgericht über ihn abgehalten. Mitglied dieses Standgerichts soll
sicherem Vernehmen nach der derzeitige Intendant des Kasseler Staatstheaters,
der frühere Opernsänger Schilling, gewesen sein. Plaut wurde wegen
angeblicher beruflicher Verfehlungen zu 200 Schlägen mit dem
Gummiknüppel verurteilt. Zur Vornahme der Prozedur wurde er in einen unter
dem Versammlungslokal befindlichen Keller gebracht und dort auf einem Bock
festgeschnallt. Die Misshandlungen wurden dann in der fürchterlichsten
Form vorgenommen und dauerten fast zwei Stunden. Nach einer gewissen Zeit war
P. o h n m ä c h t i g geworden, er wurde dann durch
Uebergiessen mit Wasser wieder zum Bewusstsein gebracht und bekam dann von
sogenannten Schwestern alkoholische Erfrischungen gereicht. Als er dann
einigermassen wieder zur Besinnung gekommen war, gingen die Misshandlungen in
derselben Weise weiter. Nach Beendigung der grauenvollen Züchtigung hatte
er vollkommen das Bewusstsein verloren und wurde blutüberströmt in einer Ecke
liegen gelassen. Plaut wurde dann in seine Wohnung geschafft, wo er bis zu
seinem Tode noch zehn Tage niederlag. Die herbeigerufenen Aerzte, der
Nervenarzt Dr. Scholl und der Chefarzt des Landeskrankenhauses, Prof.
Tönnisen, stellten die fürchterlichsten Verletzungen fest, unter
anderem auch schwere Quetschungen der inneren Organe, besonders von Niere und
Lunge. Der Rücken und die Beine wurden nach und nach völlig schwarz.
Plaut musste auf seinem Krankenlager dauernd in Narkose gehalten werden, da er,
sobald er zu Bewusstsein kam, vor Schmerzen so fürchterlich schrie, dass
man es bis auf die Strasse hörte. Dr. Plaut, der ein sehr kräftiger
Mann war, ist an den Folgen der Verletzungen nach etwa zehn Tagen gestorben.
Am gleichen Tag [... nun folgen noch vier weitere
Fälle von Mißhandlungen, die z. T. ebenfalls schwere Verletzungen
zur Folge hatten, in ihrem Ausmaß allerdings nicht an den Fall Plauts
heranreichen].»
(Aus: Kammler
/ Krause-Vilmar, Volksgemeinschaft
und Volksfeinde, S. 230-233.
Vgl. auch: Krause-Vilmar,
Korrespondenten, bes. S. 295.)
2. August
2009:
Am 1. August berichtete auch der Extra-Tip
über die Pläne, das historische Gebäude Wolfsschlucht 24-24a
abzubrechen. „Nein, das stimmt ja
so nicht. In Teilen soll die Fassade zum Beispiel wiederaufgebaut werden,“
versucht Stadt-Pressesprecherin Petra Bohnekamp zu beruhigen. Auch Stadtbaurat
Norbert Witte will von einer Zerstörung nichts wissen: „Wir machen Abgüsse der feinen
Arbeiten. Wenn alles fertig ist, wird die Fassade wieder Eins zu Eins
aufgebaut. Es sieht später genauso aus wie heute.“ Auch von der
lauten öffentlichen Kritik will der Baurat nichts bemerkt haben:
„Bis zu mir ist die noch nicht durchgekommen.“ Die Apothekerin
Ulrike Bohrmann-Witt verweist dagegen auf die bisher gezählten 500
Unterschriften zugunsten des Erhalts und erinnert an die Anfangszeit der
Apotheke vor 18 Jahren: „Jeder
Aufkleber wurde argwöhnisch von der Denkmalschutzbehörde
beäugt.“ [...] Auch der
Vorsitzende des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde,
Karl-Hermann Wegner ist entsetzt: „Ich bin hoch enttäuscht von der
Behörde und vom Denkmalbeirat. Und jetzt werden wir mit Nachdruck für
den Erhalt eintreten.“
Von
Dietmar Taubert, dem Leiter der Unteren Denkmalschutzbehörde erhielt der
EXTRA-TIP folgende Antwort, wie mit der zunehmenden Kritik umgegangen werden
wird: „Wir nehmen sachliche Kritik natürlich sehr ernst und stellen
uns auch der Diskussion. Es sollte von der Seite der Kritiker aber auch
gewürdigt werden, dass alle Beteiligten intensiv und ernsthaft die verschiedenen
Möglichkeiten der Entscheidung bedacht und erörtert haben. Die
Zustimmung zu dem Vorhaben, am Königsplatz ein neues Geschäftshaus
zur Stärkung der Innenstadt zu errichten, erfolgte nach Abwägung
aller Belange.“ Und auch Stadtbaurat Witte wiegelt ab: „Ich will
nicht wissen, wie groß die Empörung gewesen wäre, wenn wir dem
Modehaus keinen Platz zur Verfügung gestellt hätten.“
Daß die zahlreichen Presseberichte
der letzten Zeit über Unmut und Proteste gegen den Abbruch nicht bis ins
Rathaus durchgedrungen seien, ist zumindest erstaunlich. Zugleich wird aber
auch deutlich: Der zunächst angekündigte Erhalt der Schmuckelemente wird nun auf Abgüsse und Nachbildungen
der Schmuckelemente reduziert – was angesichts des Aufwands und der
Schwierigkeiten einer sorgfältigen, zerstörungsfreien Abnahme auch
realistischer ist. Damit werden die künftigen Rokoko-Dekorationen umso
mehr die bloße Kopie der bereits historischen Kopie - jedoch mit dem
großen Unterschied, daß die 20er Jahre mit der geschwungenen
Gebäudefront und der Gesamtgestaltung des Anbaus auf gutem Niveau selbst
schöpferisch tätig waren; was nun entstehen soll, ist eine
nachgebildete Blendfassade ohne Bezug zum Gebäude-Inneren, die
lediglich dazu dienen soll, die Bevölkerung über den Abbruch eines der
letzten historischen Bauwerke der Innenstadt hinwegzutrösten. Jedoch ist
das Gebäude mehr als nur eine schöne Kulisse, sondern es besitzt als
Ganzes einen architekturgeschichtlichen und historischen Wert.
Auf die Frage der Abwägung der Belange
ist bereits eingegangen worden; ergänzend sei allerdings noch auf die
Modestädte Florenz und Paris hingewiesen, wo auch große und
exklusive Modehäuser problemlos im historischen Bestand untergebracht
sind. Und ein Gebäude wie Wolfsschlucht 24-24a, welches bereits in
moderner Massivbauweise errichtet ist und teilweise als Bankhaus gedient hatte,
wäre bei weitem einfacher umzunutzen als Altbauten mit Holzdecken und z.
T. sogar schützenswerten Wand- und Deckendekorationen. Ohne die
Nutzung des Gebäudekomplexes als Modehaus grundsätzlich abzulehnen,
sei allerdings die Frage erlaubt, ob ein Modehaus tatsächlich mehr zur
Stärkung der Innenstadt beiträgt als ein gut funktionierendes
Geschäfts-, Büro- und Ärztehaus; und es sei die Frage erlaubt,
ob nicht andere Teile der Innenstadt strukturpolitisch viel eher einer
Stärkung bedürften als gerade die Kernlage an Königsstraße
und Königsplatz, zwischen drei großen Einkaufsgalerien und drei
bereits bestehenden großen Modehäusern (wobei mit Voepel, Overmeyer
und Pohland drei weitere große Modehäuser erst in den letzten Jahren
geschlossen haben bzw. bald schließen werden).
Zur letzten Aussage des Stadtbaurats sei
angemerkt, daß das Gebäude von Anfang an als eingetragenes
Kulturdenkmal bekannt gewesen sein muß. Wer als Großinvestor aber
ein Kulturdenkmal erwerben möchte, sollte auch die damit verbundenen
Rechte und Pflichten kennen, sollte also wissen, daß er im Normalfall
eben keine Abbruchgenehmigung
erhält. Es wäre damit aber für die städtische Verwaltung
und die Denkmalpflege sogar einfacher, der Öffentlichkeit
gegenüber die nachvollziehbare Anwendung geltenden Rechts zu
begründen (nämlich die konsequente Ablehnung eines Abbruchs), als
eine offenkundige (juristisch freilich mögliche) erneute Ausnahme in
„Abwägung der Belange“ zu rechtfertigen. In eine
denkmalpflegerische Abwägung wäre zudem die Außenwirkung
einer derartigen Entscheidung einzubeziehen – wie sie auch in zahlreichen
Leserkommentaren in der HNA sowie in den Aussagen des
früheren Gebäudeverwalters (vgl. zum 30. Juli) und der Apothekeninhaberin
anklingt: Wie soll die Denkmalpflege in Zukunft noch die Notwendigkeit und Verbindlichkeit
detaillierter Auflagen vermitteln, die zwar ihre volle fachliche Berechtigung
haben, aber vielfach z. T. kostenintensiver (sprich: unwirtschaftlicher) sind,
z. T. sogar die Nutzung einschränken und häufig sogar von
Eigentümern und Nutzern als kleinlich empfunden werden, wenn andererseits
zum wiederholten Male Kulturdenkmäler in „Abwägung
der Belange“ ganz aufgegeben und zum vollständigen Abbruch
freigegeben werden?
6./7./11.
August 2009 / 17. Oktober 2009 / 2. November 2009:
Am 4. August berichtete das
Hessen-Fernsehen (HR) in der Sendung Hessenschau über die Abbruchpläne
und die Proteste (wobei auch der Vorsitzende des Vereins für Hessische
Geschichte und Landeskunde, Karl-Hermann-Wegner abermals das
Abbruchvorhaben verurteilte), und am 5. August veröffentlichte die
HNA unter dem Titel „Das ist unglaublich dreist. Zu den Abrissplänen
für den historischen Gebäudekomplex am Königsplatz“
weitere Leserbriefe: Zuschriften aus Kassel, Vellmar und Frankfurt am Main, die
sich mit heftiger Kritik gegen die Abbruchpläne und die städtische
Politik wenden.
Es wird immer interessanter! Am 7. Oktober
1936 erschien in den Kasseler Neuesten Nachrichten ein Artikel zum Haus
Königsplatz 55, aus der Reihe „Berühmte Kasseler
Bürgerhäuser“. Darin werden in erster Linie die reichen Dekorationen
des Brühlschen Hauses gewürdigt; außerdem erwähnt der
Autor, daß die Erben der Kaufmannsfamilie Ganß das Haus 1921 an die
Darmstädter und Nationalbank verkauften, beklagt den Abbruch des
gegenüberliegenden Eckhauses Nr. 57 im Jahre 1907 zugunsten eines
Bankhauses und berichtet schließlich:
Um
das Haus Königsplatz 55 wäre es im Jahre 1921 beinahe auch geschehen
gewesen. Die Danat-Bank, die es damals für ihre Kasseler Niederlassung
erworben hatte, ging zunächst mit dem Gedanken um, den Rokokobau
abzureißen und durch ein Gegenstück zu dem gegenüberliegenden
Bankhaus zu ersetzen. Der Denkmalsschutz griff aber mit Erfolg ein, so
daß die Bank ihre Neubaulust zähmen mußte. Für die
Erweiterung des Hauses nach der Wolfsschlucht wurde ihr überdies noch zur
Pflicht gemacht, den Erweiterungsbau in der gleichen Höhe, in der gleichen
Gliederung und in der gleichen Fassadengestaltung auszuführen, wie
sie bei dem alten Haus am Königsplatz zu finden sind. Die Bank kam diesem
Verlangen auch nach und so blieb der Rokokobau am Königsplatz nicht nur
erhalten, er wurde sogar noch erweitert. Und wenn die Front Ecke Kölnische
Straße und Wolfsschlucht auch nur eine Kopie ist, ihre Gestaltung wahrt
den besten Eindruck und gab dem alten Haus neue Geltung.
Also kein anachronistischer
Gestaltungswille eines einzelnen Bauherrn, sondern ganz im Gegenteil ein Erfolg
der damaligen Denkmalpflege (Erhalt des Altbaues) und sicherlich vor allem
auch der Bauberatungsstelle unter Erich Labes (Anpassung der
Erweiterung)! Damit ist anzunehmen, daß entsprechende Akten,
welche die damaligen Hintergründe näher beleuchten, auch noch heute
erhalten sind: im Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Außenstelle
Marburg.
Der Architekt des Erweiterungsbaues
läßt sich mittlerweile auch feststellen: Im Stadtmuseum Kassel ist eine
Serie mehrerer Photographien vom Äußeren und Inneren des
Gebäudekomplexes erhalten; einige von ihren sind beschriftet, mit der
Bemerkung Ausgeführt 1923, und
sie tragen den Stempel:
ARCHITEKT BDA KARL WITTROCK [...] WEYRAUCHSTR. 8 |
Karl Wittrock gehört
tatsächlich zu dem weiteren Kreis um Erich Labes und Ernst Rothe; am 2.
März 1894 in Kassel geboren, absolvierte er zunächst eine
Maurerlehre und schloß im März 1913 an der Baugewerkschule Kassel
mit der Note gut ab. Nach seiner
Teilnahme am Ersten Weltkrieg 1914-17 arbeitete er zunächst in der
staatlichen Bauverwaltung; 1919 kehrte er aus Berlin nach Kassel zurück
und machte sich 1920 als freischaffender Architekt selbständig, so
daß Umbau und Erweiterung der Danat
wohl als sein erstes großes Werk anzusehen sind. Seit 1919 Mitglied der
SPD, engagierte er sich später im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold und war
in den Jahren 1929-33 ehrenamtlicher Stadtrat in Kassel; im März 1933
wurde er zusammen mit Georg August Zinn vorübergehend in Schutzhaft
genommen. 1945 wurde er Leiter der Wiederaufbauabteilung beim Regierungspräsidenten
in Kassel, 1950 wechselte er als Leiter der Landesplanung (Ministerialdirektor)
nach Wiesbaden; dort verfaßte er den ersten Raumordnungsplan Hessens.
Mit seinem Architekturbüro ging er zunächst eine Sozietät mit
dem Architekten Eduard Moos ein, der nach dem Fortgang Wittrocks nach
Wiesbaden das gemeinsame Büro ganz übernahm. Wittrock starb am 18.
Febr. 1990 in Wiesbaden. Sein gleichnamiger Sohn (1917-2000) war u. a. 1953-63
Bundestagsmitglied (dabei seit 1956 Mitglied des Fraktionsvorstands der SPD),
1963-67 Regierungspräsident in Wiesbaden, 1967-74 Staatssekretär im
Bundesverkehrsministerium und 1978-85 Präsident des
Bundesrechnungshofs. Interessant ist zudem,
daß das Architekturbüro Wittrock im Adreßbuch für 1949
als Mieter des Hauses geführt wird – damit ist anzunehmen,
daß derselbe Architekt, der den Bau 1921-23 errichtet hat, auch die
ersten Instandsetzungsarbeiten nach 1943 betreute (Aufsetzen des flachen Notdaches,
Ausbesserung weiterer Schäden). Weitere Bauten Karl Wittrocks: -
1922-29
Fasanenhofsiedlung, nach Vorgaben Erich Labes’ und Ernst Rothes,
für die Gemeinnützige Siedlungs- und Baugenossenschaft
Fasanenhof -
1923
Beteiligung am Bau des Städt. Flußbades (Auebad), -
um 1925 das
eigene Privathaus, Weyrauchstraße 8, -
1926
Beteiligung an den Siedlungsbauten Marburger Straße / Gelnhäuser
Straße / Hersfelder Straße auf dem Rothenberg, -
1926/27
Zentrale des Konsum- und Sparvereins Kassel, Hafenstraße 76, -
Ausstattung
des Konsumladens Oberste Gasse 56, -
Umbau des
Kasseler Volksblatts, Bahnhofstraße 10, -
1927 Siedlung
Ellerhofstraße / Boppenhauserstraße / Graßweg (sog.
Feuerwehrsiedlung), -
1949/50
Wiederaufbau Mörikestraße 27, -
1950/51
Wiederaufbau Ihringshäuser Straße 81. (Nach: Architektenkartei des
Stadtarchivs Kassel; Beier, Arbeiterbewegung,
S. 603; Schlier / Most, Wohnungsbau,
S. 52-55; photographíscher Nachlaß Karl Wittrocks
im Stadtmuseum Kassel, Bestand 91) Einige der genannten Bauten sind
oben bereits als charakteristische Beispiele des „aufgeklärten
Traditionalismus“ aufgeführt – diese
Zuordnung trifft auch auf die meisten übrigen Bauten zu, wobei sich bei
Wittrock Heimatschutzelemente, expressionistische Formen und neue Sachlichkeit
mischen: So entspricht der Entwurf für das Hauptgebäude des Konsum-
und Sparvereins mit Mansarddach und Fensterformen eher dem
„aufgeklärten Traditionalismus“, während das
zugehörende Lagergebäude mit Fensterbändern und Flachdach
der neuen Sachlichkeit folgt. Auch die Ausstattung der Danat bewegt sich zwischen historisch-traditionellen und
expressionistischen Formen: Ansicht des Erweiterungsbaues um 1923 Ganz links sieht man die Seitenfront des
Brühlschen Hauses. Der Eingang des Anbaues befindet sich genau in der
mittleren der insgesamt 17 Fensterachsen, wobei die Regenfallrohre ein
bewußtes Gliederungselement sind (Teilung: 6 Achsen, 5 Achsen, 6
Achsen). Die Tür in der äußeren rechte Achse des Anbaus wurde
nach 1945 an die ehem. Brandmauer zum Nachbarhaus Wolfsschlucht 22 versetzt,
heute befindet sich dort wieder der Eingang zur Apotheke. Die Tür in der
äußeren linken Achse des Anbaus (heute befindet sich dort der
Ladeneingang) führte in einen Vorraum, von dem aus man in die seitliche
Eingangshalle des Kassenraums gelangte. (Stadtmuseum Kassel, 91/7.1) Die beiden Hauseingänge an der Wolfsschlucht,
Mitte der 1930er Jahre Die Türen waren ursprünglich anscheinend
holzsichtig lasiert, wie beim Vorbild Königsplatz 55. (Stadtmuseum Kassel, Pae I/90-f und Pae I/90-e) Eingangsraum der Danat
mit Tür zur Kassenhalle, 1923 Der Raum lag hinter der Eingangstür im Risalit
des Brühlschen Hauses und reichte über die ganze Gebäudetiefe.
Die Tür zur Kassenhalle befand sich in der
Rückseite des Hauses; das Gitter über der Tür enthielt die
Initialen DN für
„Darmstädter und Nationalbank“. (Stadtmuseum Kassel, 91/7.12) |
|
Kassenhalle der Danat,
1923 Die Halle überbaute den Innenhof, wobei die
Schalter rechts und vor Kopf bereits unter dem Anbau an Kölnischer
Straße und Wolfsschlucht lagen. Die Ausstattung ist im
konservativ-traditionellen Stil jener Zeit gehalten. (Stadtmuseum Kassel, 91/7,8) |
Kassenhalle der Danat,
1923 Rechts im Hintergrund die Rückseite des
Brühlschen Hauses mit der oben abgebildeten Tür. Hinter der linken
Bogenreihe, die zur schon Außenmauer des Anbaus gehört, befand
sich die seitliche Eingangshalle mit einem Treppenaufgang. (Stadtmuseum Kassel, 91/7,9) |
Blick aus der Kassenhalle in die seitliche
Eingangshalle im Anbau, 1923 Die Treppe dürfte der Haupttreppe des
Brühlschen Hauses nachgebildet gewesen sein und führte zu den
Büro- und Direktionsräumen in den beiden Obergeschossen. Der
offene Eingangsraum im Hintergrund befand sich hinter der Tür an
der Kölnischen Straße. (Stadtmuseum Kassel, 91/7,5) |
Kleiner Schalterraum, 1923 Die Lage dieses Raumes ist unsicher. Er war in
modernen expressionistischen Formen gestaltet. (Stadtmuseum Kassel, 91/7,4) |
Sitzungszimmer, 1923 Die Lage des Raumes ist nicht geklärt,
vermutlich befand (Stadtmuseum Kassel, 91/7,10) |
Direktionszimmer, 1923 Dieser runde, ebenfalls
konservativ-zeitgemäße Raum befand sich offenbar im 2.
Obergeschoß hinter der Fassadenbiegung an der Ecke Kölnische
Straße / Wolfsschlucht (Stadtmuseum Kassel, 91/7,11) |
Diese Auswahl an Photographien
zeigt, daß auch die neuen Innenräume des Bankhauses z. T. einzelne
Stilformen des Brühlschen Hauses aufgriffen, im Ganzen aber wiederum
eine eigenständige Leistung darstellten. Die Ausstattung war
überwiegend konservativ, ohne jedoch bestimmte historische Stile zu
kopieren; damit schließt sie an die Bauentwicklung des 2. Jahrzehnts
des 20. Jh. an, die sich schon vom Jugendstil weitgehend gelöst hatte und
an barocke und klassizistische Formen anknüpfte. Die kleine Schalterhalle
und die Wände der seitlichen Eingangshalle zeigen dabei schon eine
moderne expressionistische Gestaltung. In der Serie des Kasseler
Photographen Karl Geis ist leider keine Aufnahme eines weiteren runden Raumes
vorhanden, der im 1. Obergeschoß hinter der Fassadenbiegung liegt: Er
ist in Anlehnung an frühklassizistische Stilformen gestaltet;
seine Wände sind in einzelne Felder mit Schmuckleisten gegliedert,
seine Decke weist Stukkaturen und Malereien auf. Nach freundlicher Mitteilung
von Herrn Achim Wickmann wurde dieser Raum vor einiger Zeit aufwendig nach
den Vorgaben der Denkmalpflege restauriert, wobei man aus
Kostengründen jedoch auf eine Freilegung weiterer, überstrichener
Malereien verzichtete – im Falle eines Abbruches gingen diese also
undokumentiert verloren. Der Raum diente zuletzt als Besprechungszimmer,
der Tisch wurde inzwischen an das Kasseler Henschelmuseum abgegeben. (Alle Bildrechte liegen beim Stadtmuseum Kassel.) |
Die Kassenhalle überstand in der
Grundsubstanz den Zweiten Weltkrieg, auch das Oberlicht und ihr rundbogiger
Haupteingang blieben bei der Wiederherstellung zunächst an der alten Stelle.
Wieviel von ihrer Substanz nach den weiteren Umbauten (beim Neubau von
Königsplatz 55 und beim jüngsten Einbau der Ladenpassage) heute noch
erhalten ist, kann gegenwärtig nicht beurteilt werden.
Die Photographien der Vorkriegszeit lassen
auch die geringfügigen Veränderungen erkennen, die bei der
Wiederherstellung der Putzfassade nach 1945 vorgenommen wurden: Die
Dekorationen über den Fenstern des 1. Obergeschosses (bzw.
Erdgeschosses) wurden weitgehend beseitigt, die Putzspiegel über den
Fenstern dabei verändert (1). Diese
Veränderungen der Fassadengliederung sind aber reversible
Maßnahmen, die den Denkmalwert des Gebäudes auch nicht
schmälern; der exakte Originalzustand der Gliederung, wie er aus den
Photographien berechnet werden kann, müßte auch durch Befunduntersuchungen
zu bestätigen sein (und eine Wiederherstellung ist langfristig
natürlich wünschenswert). Die Spiegelflächen zwischen den
Fensterachsen und unter den Fenstern des 1. Obergeschosses (bzw.
Erdgeschosses) sind dagegen unverändert erhalten, ebenso
erst recht die Abgüsse der Originaldekorationen von 1770. Ein
Abbruch der Fassade mit nachfolgendem Neubau als Kopie würde die
Möglichkeit von Befunduntersuchungen jedoch für immer zunichte
machen, was auch für das Ermitteln der Farbigkeit von 1923 gilt.
Offenbar ist auch das Nebentreppenhaus noch
vorhanden, welches hinter dem rechten Eingang an der Rückseite lag –
die Treppe allerdings ganz oder teilweise unzugänglich vermauert. Auch
dieser Bestand dürfte damit bei einem Abbruch undokumentiert verloren
gehen.
(1)
Die Spiegelbreite entsprach genau der lichten
Fensterbreite und ist damit exakt rekonstruierbar (vgl. die folgende Anm.).
Nicht mehr vorhanden ist heute die Fortsetzung der seitlichen Putzrahmen
oberhalb der Fenster des 1. Obergeschosses (bzw. Erdgeschosses), hinter den
bekrönenden Schmuckformen. (Die heutige Spiegelbreite in den Fensterachsen
zwischen den beiden oberen Geschossen ist von den Spiegeln unter den Fenstern
des 1. Obergeschosses (bzw. Erdgeschosses) abgenommen.
12. August
2009:
Am 6. August stellten der
Lichtkünstler Oliver Bienkowski und Achim Wickmann in einer Protestaktion
14 kleine Särge auf der Rathaustreppe auf und trugen den Kasseler
Denkmalschutz symbolisch zu Grabe. Die schwarzen Särge mit der Aufschrift
„R.I.P. Denkmalschutz“ und einem blau beleuchteten Photo des
Henschelhauses sollen an Geschäfte im und rund um das Gebäude verteilt
werden. Wickmann wies nochmals darauf hin, daß die Innenstadt von
kleinteiligen Mietern und nicht von den großflächigen Galerien lebe.
Bienkowski erklärte: „Wenn wir
unsere Vergangenheit zerstören – werden unsere nachfolgenden
Generationen Geschichte nur noch im Museum oder am Computer erleben
können.“
Am 11. August erschienen in der HNA sieben
weitere Leserbriefe aus Kassel und dem Umland, gegen den Abbruch des
Gebäudes.
Am 12. August veröffentlichte die HNA
eine umfangreiche Stellungnahme des Stadtbaurats Norbert Witte:
Die Kritik gehe seiner Ansicht nach in
zentralen Punkten an der Realität vorbei. "Die Fassade des Henschel-Hauses wird komplett erhalten, am
Stadtbild an der Wolfsschlucht ändert sich nichts", sagt er. Der
mögliche Neubau für ein 6000 Quadratmeter großes Kaufhaus von
Peek&Cloppenburg werde nicht höher als die vorhandene Bebauung. Zum
Vergleich: Der City-Point ein paar Meter weiter am Königsplatz hat
immerhin 25 000 Quadratmeter Verkaufsfläche.
Doch
kann die Fassade des Henschel-Hauses einen möglichen Neubau überhaupt
unbeschadet überstehen? "Es wird einen Architektenwettbewerb geben,
danach sind wir schlauer", sagt Norbert Witte.
Es
gebe jedoch ganz klare Auflagen dafür, dass die Außenfront des
denkmalgeschützten Hauses inklusive des Mansarddaches und der Türen
originalgetreu erhalten bleiben müsse. Alles werde vor Beginn der Arbeiten
detailgenau dokumentiert, von den Stuckelementen würden Abgüsse
gemacht, um sie bei Bedarf rekonstruieren zu können. Auch Stuckteile, die
im Lauf der Jahre verloren gegangen seien, würden wieder hergestellt.
Auch
für die Front des Kaufhauses zum Königsplatz gebe es Auflagen. Der
Neubau müsse sich in die durch die Nachbarhäuser vorgegebene Struktur
einpassen und dürfe nicht höher werden. Der Bauherr akzeptiere diese
Vorgaben. Witte rechnet damit, dass der Bauantrag bald gestellt wird. Im
kommenden Jahr könne dann mit den Arbeiten begonnen werden.
Die
Stadt Kassel habe sich über viele Jahre bemüht, dem
Ansiedelungswunsch von Peek & Cloppenburg gerecht zu werden, sagt Kassels
Stadtkämmerer Dr. Jürgen Barthel (SPD). "Für uns ist Peek
& Cloppenburg ein wichtiger Partner, um die Innenstadt zu
stärken."
Das
neue Modehaus bringe Arbeitsplätze und Gewerbesteuereinnahmen für die
Stadt und werde als weiterer Anziehungspunkt zusätzliche Kunden nach
Kassel locken.
Der zuständige Ressortleiter der HNA,
Uli Hagemeier, kommentierte dies mit folgenden Worten:
Es
ist das letzte schöne alte Gebäude an der Wolfsschlucht. Eines der
wenigen Zeugnisse des alten Kassel vor der Zerstörung im Feuersturm 1943.
Deshalb darf das Henschel-Haus nicht einfach abgerissen und durch einen
gesichtslosen Einkaufstempel ersetzt werden.
Doch
muss der Neubau von Peek&Cloppenburg wirklich zu einem Fremdkörper im
Stadtzentrum werden? Wohl kaum. Wenn es wirklich gelingt, die Fassade des
Henschel-Hauses zu retten, dann ist schon viel gewonnen. Mehr von diesem
Gebäude bekommt auch heute kaum jemand zu sehen. Nehmen wir Stadtbaurat
Norbert Witte beim Wort, dass die Hausfront in allen Details erhalten bleibt.
Zum
Königsplatz hin bestehen sogar gute Chancen, das bislang triste Aussehen
in diesem Bereich aufzuwerten. Zudem kann die Ansiedlung eines renommierten
Modehauses eine Magnetwirkung haben.
Das
ist allemal besser als Stillstand, funktioniert aber nur mit Respekt vor dem
Alten.
Man erinnere sich: Ausgangspunkt der Kritik
und der öffentlichen Proteste war: Das historische Gebäude –
ein eingetragenes Kulturdenkmal – wird abgebrochen und lediglich die
Fassade bleibt erhalten; wobei es passieren könnte, daß am Ende auch
nur eine Fassadenkopie errichtet wird.
Nun gibt es also einen Erfolg? Der
Stadtbaurat sichert zu: Das historische Gebäudes wird abgebrochen, aber es
soll immerhin die Fassade erhalten bleiben; falls dies nicht gelingt, werde
zumindest eine Fassadenkopie errichtet...
Man erkennt leicht, daß die
Beschwichtigung an der Kritik vorbeigeht und nicht die Kritik an der
Realität. Das städtischerseits zugesagte Vorgehen wäre dann
akzeptabel, wenn es sich um ein Gebäude innerhalb einer geschützten
Gesamtanlage handelte, das selbst aber keinen Denkmalwert beansprucht. In einem
solchen Fall bliebe die Einheitlichkeit der Gesamtanlage auch weiterhin
gewährleistet; alles, was hinter der Fassade liegt, wäre jedoch nie
geschützt gewesen. Doch liegen hier die Verhältnisse ganz anders: Das
Gebäude von 1921-23 ist kein Bestandteil einer Gesamtanlage, es ist selbst
ein Kulturdenkmal; die schützenswerte Qualität betrifft nicht
nur die Fassade, sondern auch die Durchplanung des Gebäudes bis in das
Innere (vgl. Kapitel II,1b, II,3b, II,5a, vgl. auch II,7). Jeder
gewöhnliche Eigentümer eines Kulturdenkmals muß zurecht auch
über Maßnahmen im Inneren Rechenschaft ablegen und sie genehmigen
lassen. In diesem Fall galt das in besonderem Maße für den ovalen
Saal im 1. Obergeschoß (bzw. Erdgeschoß) und sicherlich ebenso
für das Treppenhaus. Und mit der Option, die Fassade durch eine Kopie zu
ersetzen, wird selbst die Denkmaleigenschaft der Fassade für immer
aufgegeben (die Front unterliegt damit auch künftig keinen
Denkmalschutzbestimmungen mehr, Veränderungen können willkürlich
durchgeführt werden). Der baugeschichtliche Quellenwert des
Gebäudes geht im Ganzen verloren, es bleibt der Totalverlust eines Kulturdenkmals.
Das Argument, das Innere sei bislang auch
nur Wenigen zugänglich gewesen, greift dabei zu kurz; was wäre dann
mit den archäologischen Bodendenkmälern, die vollständig in der
Erde verborgen sind? Was mit Treppenhäusern, Stuckdecken und
Wanddekorationen in Privathäusern? Der Denkmalschutz wird auf diese Weise
letztlich auf Stadtbildpflege reduziert; der historische, baugeschichtliche
(und in Einzelfällen auch technische) Aspekt der Denkmalpflege bleibt
dabei vollkommen unberücksichtigt. Echter Respekt vor dem Alten (und vor
dem Denkmalschutz) würde hier bedeuten: denkmalgerechte Einbeziehung
des historischen Gebäudekomplexes in das Modehaus; z. B. Mode in einem
Saal mit Stuckdekorationen und ein stilechtes Nebentreppenhaus etc. als
Zeichen wirklicher Exklusivität, wie sie von dem Modehaus auch propagiert
wird.
13. August
2009:
Die HNA berichtet: Nach Angaben der Stadt wurde gestern die Bauvoranfrage positiv
beschieden. Der Bauherr, der an dieser Stelle ein Kaufhaus für das
Bekleidungsunternehmen Peek&Cloppenburg errichten will, kann jetzt einen
Bauantrag stellen.
Nach
Angaben von Baurat Norbert Witte (CDU) muss der Investor einen
Architektenwettbewerb für die Gestaltung aller Fassaden ausloben. Das neue
Geschäftshaus müsse sich in die vorhandene Bebauung einfügen.
Kritik
hatte es wegen des geplanten Abrisses des historischen Gebäudes an der
Wolfsschlucht gegeben. Hier soll nach Angaben von Witte die vorhandene Fassade
mit dem Mansardendach erhalten bleiben. Sollte dies technisch nicht
möglich sein, müsse sie detailgetreu rekonstruiert werden.
26./27.
Oktober 2009:
Am 14. und 19. August berichten HNA und
Extra-Tip: Die Leiterin der Palmen-Apotheke, Ulrike Bohrmann-Witt, und der
frühere Verwalter des Henschelhauses, Achim Wickmann, haben 1840
Unterschriften für den Erhalt des Gebäudes im Rathaus übergeben.
Entgegengenommen wurden sie vom Leiter des Amtes für Stadtplanung und
Bauaufsicht, Heinz Spangenberg. In einem sachlichen Gespräch seien noch
einmal die jeweiligen Standpunkte deutlich gemacht und erläutert worden.
Am 17. August wurde eine Pressemitteilung
des SPD-Ortsvereins Altkassel in der HNA veröffentlicht: Der SPD-Ortsverein Altkassel setzt sich
dafür ein, dass die Fassade des Henschelhauses an der Wolfsschlucht
erhalten bleibt. Zumindest ein kleines Stück des alten Kassel müsse
gesichert werden. Die Stadtverwaltung sei in der Pflicht, ihre Zusage
einzuhalten und die Möglichkeiten des Baurechts konsequent zu nutzen.
Gleichzeitig spricht sich der SPD-Ortsverein dafür aus, dass sich
Peek&Cloppenburg am Königsplatz ansiedelt. Dies biete die Chance auf
eine attraktivere Innenstadt und neue Arbeitsplätze, schreibt der
Ortsvereinsvorsitzende Gerd Möller in einer Pressemitteilung.
Er
regt einen Vertrauenspakt zwischen den Bürgern und dem Magistrat an. Ziel
müsse es sein, ein städtebauliches Entwicklungskonzept zu
vereinbaren. Darin soll festgeschrieben werden, dass sich Denkmalschutz und
Stadtverwaltung wirtschaftlichen Interessen nicht beugen: „Die wenigen
baulichen Zeugnisse unserer Vergangenheit müssen erhalten bleiben.“
Nach weiteren Leserbriefen, die am 19., 20.
und 26. August, am 11. und 12. September veröffentlicht wurden,
verschwindet das Thema zunächst aus der Lokalpresse, bis zum 22. Oktober
2009:
Am Jahrestag der Zerstörung Kassels
1943 erinnert die HNA ausführlich an die Ereignisse vor 66 Jahren und
berichtet in derselben Ausgabe auch über die aktuelle Entwicklung beim
Henschelhaus:
Das
alte Kassel mit tausenden von historischen Bauwerken – es ist in den
Bombennächten des Zweiten Weltkriegs und besonders in der vom 22. Oktober
1943 für immer verloren gegangen. Kaum noch etwas erinnert an das alte
Stadtbild, weil beim Wiederaufbau kein Versuch der Rekonstruktion unternommen
wurde. Die zweite Zerstörung der Stadt, der Neuaufbau, er hält bis in
die heutigen Tage an. Umso wichtiger ist es, zumindest die Bilder zu bewahren [...]
(Kommentar von Horst Seidenfaden zur neuen Bildergalerie auf www.hna.de.)
Der Gesamtkomplex des Henschelhauses ist
bereits weitgehend geräumt; auf den Unterschriftenlisten in der Apotheke
[die zuletzt allerdings nicht mehr aktiv beworben wurden] haben sich bislang
3000 Menschen für den Erhalt des historischen Gebäudes eingetragen,
und die Initiative Pro Henschelhaus von Achim Wickmann hat zusammen mit
Karl-Hermann Wegner, dem Landesvorsitzenden des Vereins für Hessische
Geschichte und Landeskunde, ein Schreiben an alle Stadtverordneten verschickt. Darin heißt es: „Während
andere Städte mühsam versuchen, ihre Geschichte durch aufwändige
und teure Rekonstruktionen zurückzugewinnen, wird in Kassel eines der
letzten historischen Gebäude der Innenstadt zum Abbruch freigegeben, ohne
zu berücksichtigen, dass auch Kulturgüter einer Stadt wirtschaftliche
Faktoren für die Innenstadtentwicklung sind.“ Eine begleitende Darstellung
zur Gebäudegeschichte und zur kulturhistorischen Bedeutung wurde
beigelegt; einige Aspekte daraus wurden im Zeitungsartikel kurz
zusammengefaßt (der zunächst geplante Abbruch des Brühlschen
Hauses und die Auflagen von 1921 vor dem Hintergrund des Ortsstatuts gegen
Verunstaltung). „Wir erwarten
eine wirkliche, bisher nicht stattgefundene Klärung auf politischer
Ebene“, sagt Wegner. Die Stadtverwaltung [...] verweist auch auf die
positiven Effekte für Arbeitsmarkt und Wirtschaft, wenn ein neues Modehaus
in die Innenstadt zieht. Der Stadtverordnetenvorsteher Jürgen Kaiser sagt,
es liege nun an den Rathausfraktionen, ob das Thema Henschelhaus auf die
Tagesordnung einer Stadtverordnetenversammlung genommen wird.
Auf der folgenden Doppelseite wird dann
ausführlich über die Zerstörung 1943 und die neue Bilddokumentation
der HNA im Internet berichtet.
Am 24. Oktober erschien in der HNA ein
Interview mit dem Leiter der Unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt
Kassel, Dietmar Taubert. Anlaß war der Fall eines Bauunternehmers, der in
Harleshausen ein Einfamilienhaus aus den 1950er Jahren gekauft hatte und dort
einen Neubau errichten wollte. Was er und
die Vorbesitzerin nicht wussten: Das Gebäude steht unter Denkmalschutz.
Harleshausen wird in dem Band behandelt, der gerade veröffentlicht wurde.
Nun liegen die Pläne des Unternehmers auf Eis, 50.000 Euro habe er
vergeblich investiert. (Göran Gehlen:
Wenn das eigene Haus plötzlich ein Denkmal ist, in: HNA vom 21. Oktober
2009.)
Das Henschelhaus in Kassel soll einem Neubau weichen, obwohl
es unter Denkmalschutz steht. Ein Bauunternehmer hingegen darf sein
denkmalgeschütztes Haus in der Seebergstraße nicht abreißen.
Wir fragten den Abteilungsleiter der Unteren Denkmalschutzbehörde:
Wieso darf das Henschelhaus abgerissen werden, ein Privathaus
dagegen nicht?
Dietmar Taubert: Von der rechtlichen
Einordnung sind beide Gebäude gleich. Am Königsplatz gibt es aber großes
öffentliches Interesse. Dort hat die Qualität der Geschäfte
nachgelassen. Ein hochwertiges Kaufhaus würde Arbeitsplätze und Geld
nach Kassel bringen. In der Seebergstraße geht es nur um persönliche
Interessen: Ein Unternehmer hat ein Grundstück gekauft und möchte
bauen.
Wieso ist der Denkmalschutz des Henschelhauses plötzlich
unwirksam?
Taubert: Laut Denkmalschutzgesetz darf
ein Denkmal in besonderen Fällen beseitigt werden. So etwas geschieht im
Einvernehmen mit dem Landesamt für Denkmalpflege und dem Denkmalbeirat.
Ein Beispiel ist die Tribüne des Auestadions. Sie war als Denkmal
eingetragen. Eine Sanierung wäre aber unverhältnismäßig
teuer geworden. Zudem hätte sie den Denkmalwert so geschmälert, dass
die Tribüne kein mehr Denkmal [sic] gewesen wäre.
Kritiker sagen, solche Entscheidungen beschädigen die
Glaubwürdigkeit des Denkmalschutzes. Haben sie Recht?
Taubert: Sicher kann man das so sehen.
Viele wissen aber gar nicht, wie unsere Entscheidung zu Stande gekommen ist.
Das war kein Schnellschuss, wir haben intensiv beraten. Zudem haben wir uns mit
der Entscheidung, die Fassade des Henschelhauses zu erhalten, viel Kritik aus
Fachkreisen eingehandelt. Das Haus ist nur eine Kopie und keineswegs aus dem
Rokoko. Die Entscheidung ist allein den Kasselern geschuldet, denen historische
Gebäude in ihrer Stadt fehlen. Dem tragen wir Rechnung. Nach dem Neubau
wird die Fassade des Hauses voraussichtlich wie vor der Zerstörung im
Krieg aussehen.
Zunächst sei zu dem Fall in
Harleshausen angemerkt, daß er formal korrekt abgelaufen ist. Da die
Bearbeitung der Denkmallisten viel Zeit beansprucht, wäre es fatal, wenn
Kulturdenkmäler erst ab ihrer Eintragung geschützt würden
– ihr Schutz wäre dann alleine von der zufälligen Reihenfolge
abhängig, mit der die jeweiligen Denkmallisten bzw.
Denkmaltopographien für die Städte und Landkreise bearbeitet werden.
Daher hat es der Gesetzgeber so eingerichtet, daß jedes Kulturdenkmal per
se unter Schutz steht, auch ohne formellen Akt; die Aufgabe, sich vor einem Bauvorhaben
über eine mögliche Denkmaleigenschaft zu informieren, liegt damit
beim Eigentümer. – In gleicher Weise hätten allerdings auch die
Berliner Projektentwickler, welche das Henschelhaus gekauft haben, sich
über die mögliche Denkmaleigenschaft informieren und dann ihr
Nutzungskonzept danach richten müssen. – Nun kommt aber das
öffentliche Interesse ins Spiel, welches in erster Linie durch einzelne
Dezernenten formuliert wird (schließlich haben weder die
Stadtverordnetenversammlung noch
deren Ausschüsse das Thema bislang behandelt); also betrachten
wir die wirtschaftlichen Argumente:
Am Königsplatz habe die Qualität
der Geschäfte nachgelassen, ein neues Modehaus würde dagegen Arbeitsplätze
und Geld nach Kassel bringen. – In der Tat gibt es am Königsplatz
Leerstand; in erster Linie ist dabei das ehemalige Modehaus Overmeyer zu
nennen, zum anderen hat gerade das Modehaus Pohland in der angrenzenden
Königsstraße aufgegeben – Pohland wiederum hatte die
Herrenabteilung des Modehauses Voepel übernommen, welches
bereits vor einigen Jahren unter dem Konkurrenzdruck in der Kasseler
Textilbranche schließen mußte. Die übrige
Einzelhandelsstruktur am Platz ist überwiegend seit Jahren stabil
geblieben, darunter mehrere Straßencafés und weitere Gastronomiebetriebe,
ein Spielwarenladen, eine Apotheke und ein größerer,
traditionsreicher Lederwarenladen, außerdem eine Niederlassung der
Deutschen Telekom. Hinzu kommen zahlreiche Einzelhandelsläden in der
Einkaufsgalerie City-Point. Wesentliche größere Probleme
bestehen dagegen in der Wilhelmsstraße: Dieses Quartier hat seit der
Eröffnung des City-Point gerade unter der Schwerpunktverlagerung an den
Königsplatz zu kämpfen, und mehrere Einzelhandelsläden stehen
leer. (Vgl. hierzu die HNA vom 26. Aug. 2009; Martina Pape, stellvertretende
Vorsitzende des Vereins Quartier Wilhelmsstraße: „Wir haben eine enorme Umverteilung Richtung
Königsplatz.“ Wenn Peek&Cloppenburg komme, werde sich das noch
verstärken, befürchtet die Geschäftsfrau.)
In Hinblick auf Arbeitsplätze und Geld
lohnt ein Vergleich mit dem Geschäftshaus Königsstraße 30:
Für diesen Neubau wurden erst vor drei Jahren die letzten Reste des Palais
Reichenbach geopfert, einer der Hauptmieter ist eine große
Buchhandelskette (die dritte in der Innenstadt); als unmittelbare Folge
schlossen zwei ortsansässige Buchhandlungen im Stadtzentrum,
eine weitere gab ihr Ladenlokal auf, verkleinerte sich und spezialisierte
sich auf juristische Fachliteratur. Im Textilgewerbe, um das es beim
Henschelhaus geht, haben sogar schon vor einigen Jahren mehrere exklusive
Einzelhandelsgeschäfte in der gesamten Innenstadt geschlossen. Es ist
zumindest wahrscheinlich, daß sich diese Entwicklung nun fortsetzen
wird – durch neue Ansiedlungen steigt üblicherweise nicht auch die
Kaufkraft, sondern es kommt lediglich zu einer Umverteilung; in der Regel
zugunsten der großen, ortsfremden Filialisten und zulasten der
inhabergeführten, ortsansässigen Geschäfte. Die
freiwerdenden Läden der Einzelhändler wurden bisher zumeist durch
andere Filialisten bzw. Billigketten belegt. Ob diese Entwicklung zu
begrüßen oder zu bedauern ist, sei dem Leser überlassen –
um diese Frage soll es hier nicht gehen. Entscheidend ist, daß eben
bestenfalls eine wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Umverteilung zu
erwarten ist; an anderer Stelle mag dies unproblematisch sein und sogar eine
echte punktuelle Verbesserung darstellen – hier ist dafür jedoch der
Preis zu hoch: nämlich der Verlust eines Kulturdenkmals.
Und dies ist der letzte Punkt: Zudem haben wir uns mit der Entscheidung,
die Fassade des Henschelhauses zu erhalten, viel Kritik aus Fachkreisen
eingehandelt. Das Haus ist nur eine Kopie und keineswegs aus dem Rokoko.
Zunächst einmal bleibt die Fassade keineswegs erhalten: Es wird lediglich
nach ihrem Abriß ein Nachbau gefordert. Dies wäre dann
tatsächlich nur noch eine bloße Kopie – anders als das
historische Original! Denn 1921 übernahm man lediglich die vorhandenen
Dekorationsformen für einen Neubau, der einen vollkommen eigenen,
qualitätvollen Entwurf darstellt. Dies ist ein feiner, aber bedeutender
Unterschied! Auch der Hinweis, daß das Haus nicht aus dem Rokoko stamme,
führt nicht weiter: Es ist ebenso Ausdruck seiner eigenen Zeit (in diesem
Fall gerade eben durch seine stilistische Anpassung), und keine Epoche ist
grundsätzlich weniger wert als eine andere. Natürlich gibt es innerhalb
jeder Epoche qualitative Unterschiede, aber ein qualitätvolles
Gebäude von 1921 ist ebenso schützenswert wie ein qualitätvolles
Gebäude aus dem 18. Jh. – es muß dabei nicht einmal besonders
wegweisend oder „modern“ sein. Daß das Brühlsche Haus
freilich noch einmal einen ganz besonderen Stellenwert besaß, ist eine
andere Sache – wenn man diese herausragende Qualität aber als
Maßstab ansetzen würde, müßte man den umfangreichen
Denkmälerbestand in Kassel ohnehin auf einige wenige Bauten und Anlagen
zusammenstreichen.
Worin die Kritik aus Fachkreisen besteht,
geht aus dem Zitat leider nicht hervor; sie dürfte aber keineswegs damit
begründet sein, daß man großen Aufwand wegen einer Kopie
treibe, die nicht einmal echtes Rokoko ist; sondern sie dürfte sich auf
die Forderung beziehen, die Fassade als bloße Kulisse nachzubauen –
ein Verfahren, welches in der gegenwärtigen Architekturdiskussion selbst
bei kriegszerstörten oder -beschädigten Gebäuden häufig
kritisiert wird, die auf diese Weise für das Stadtbild zurückgewonnen
werden (vgl. das neue Braunschweiger Einkaufszentrum mit der rekonstruierten
Fassade des ehem. Residenzschlosses), erst recht aber bei einem noch intakten
und denkmalgeschützten Bauwerk auf Kritik stoßen muß.
19./30. Dez.
2009:
In einer Pressemitteilung vom 26. Oktober 2009 nimmt auch das Kulturnetz Kassel
zu den Planungen Stellung; in dem offenen Brief, der an Oberbürgermeister
Hilgen gerichtet ist, heißt es u. a.: Für
die Stadt Kassel, die viel historische Bausubstanz durch die
Kriegszerstörungen verloren hat, ist unseres Erachtens ein besonders
sorgfältiger Umgang mit den traditionellen Bauten, wie auch den wertvollen
Gebäuden des Wiederaufbaus von Nöten. [...] Aufgrund der Erfahrungen
mit dem Neubau des Finanzzentrums am Altmarkt, das in keiner Weise zur
Entwicklung einer neuen Baukultur in Kassel beigetragen hat, sondern weit
hinter den Qualitäten der Wiederaufbauarchitektur zurückbleibt,
bitten wir Sie, folgende Vorschläge zu prüfen:
- In
die Unterhandlungen mit den Investoren sollte der Erhalt bzw. Rückbau der
Fassaden und der Kubatur des Henschelhauses und des wertvollsten Segmentes der
Königsplatzbebauung aus den 1950er Jahren als Rahmenbedingung aufgenommen
werden.
- Im
Sinne eines für die Stadt Kassel wichtigen baukulturellen Diskurses
– auch zur Stärkung des Identifikationsprozesses mit der Stadt
– und um weiteren Missverständnissen oder Spekulationen über die
Auswirkungen des Neubaus am Königsplatz zu begegnen, bitten wir Sie
dringend, die Öffentlichkeit seitens der Stadt offiziell über die
Rahmenbedingungen der Gestaltung, die mit dem Investor festgelegt sind, wie
auch über eventuell schon bekannte Entwürfe zu informieren.
Zudem veröffentlichte die HNA am 2.,
3. und 14. Nov. 2009 weitere Leserbriefe gegen den Abbruch.
Am 5. November erschienen in der HNA
mehrere Artikel zu dem Gebäudekomplex; demnach traf der Denkmalbeirat
seine Entscheidung über den Abriss des Gebäudes ohne Kenntnis der
Innenräume:
Das
beratende Gremium im Rathaus hat bereits vor Monaten grünes Licht für
den Abriss des Gebäudes gegeben. Lediglich ein Teil der Fassade solle
rekonstruiert und in die neue Außenwand integriert werden, schlagen die
Denkmal-Berater vor.
Zwar
habe man im Vorfeld „artig und ausführlich“ darüber
beraten, dass auf dem Areal zwischen Königsplatz und Wolfsschlucht ein
Neubau für das Textilhaus Peek & Cloppenburg entstehen soll, doch vor
Ort sei man „ausnahmsweise“ nicht gewesen, sagt
Grünen-Stadtverordneter und Beiratsmitglied Dr. Klaus Ostermann.
Weil
es der Bürger-Initiative Pro Henschelhaus [...] nicht nur um die
Rekonstruktion von Fassadenelementen, sondern um das gesamte Haus geht, wie
Sprecherin Ulrike Bohrmann-Witt sagt, wurden jetzt Fotos vom historischen
Innenleben des Henschelhauses in Umlauf gebracht. [Vgl. http://www.presche-chr.de/christian/HenschelhausHauptseite.htm]
[...].
Ostermanns
Fraktionsfreund Dieter Beig will nun im Ausschuss für Stadtentwicklung und
Verkehr [...] den Vorschlag einer Ortsbegehung machen. Daran sollen auch die
Mitglieder des Denkmalbeirats teilnehmen. „Danach sehen wir
weiter“, sagt Ostermann: „Ich kann schließlich auch schlauer
werden und meine Meinung auch korrigieren.“
In begleitenden Artikeln wurde berichtet, daß die Zahl der Unterschriften gegen den Abbruch inzwischen auf 4000 angewachsen sei: „Sie können sich gar nicht vorstellen, wie aufgebracht und entsetzt die Menschen sind“, sagt Bohrmann-Witt, Inhaberin der Palmen-Apotheke im Henschelhaus [...]. Zudem wurde die Zusammensetzung des Denkmalbeirats beleuchtet: Das Dilemma für Kassels Denkmalschutz nahm nach der Kommunalwahl 2007 [Anm. des Verf.: 2006] seinen Lauf. Da entschied Bürgermeister und Kulturdezernent Thomas-Erik Junge, den Denkmalbeirat – ein mit Experten besetztes Gremium – zu verkleinern. Ziel sei ein effektiveres Arbeiten. Kritiker vermuteten dahinter aber das Rauskegeln unbequemer Kämpfer für Kasseler Denkmäler. Für die neue Legislaturperiode wurden erneut unter anderem Vertreter der Hauseigentümer und Architekten berufen. Die Historiker Gerd Fenner für die Gesellschaft für Kultur- und Denkmalpflege sowie Christian Presche für den Verein für hessische Geschichte und Landeskunde warteten vergeblich auf ihre Berufung. Auch das hessische Baumanagement und die AG Friedhof und Denkmal wurden von Junge, der den Beiratsvorsitz übernahm, von der Liste gestrichen. Beiratsmitglied Dr. Klaus Ostermann (Grüne) hatte seinerzeit gegen diese fachliche Beschneidung protestiert und sogar seinen Sitz zum Tausch angeboten. Vergeblich. „Ein Skandal“, sagt Karl-Hermann Wegner, ehemaliger Stadtmuseumsdirektor: „Fenner und Presche, ausgewiesene Fachmänner in Sachen Stadtgeschichte, waren die Einzigen im Beirat, die über profunde historische Kenntnisse verfügen.“ Der Beirat berate nur, die Politik könne später anders entscheiden, sagt Wegner. „Empörend aber ist, wie beratungsresistent man in Kassel ist.“
Ebenfalls am 5. November stand in der
Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Verkehr eine Anfrage der
FDP auf der Tagesordnung, vertreten durch den Stadtverordneten André
Lippert; die Antworten gab Baudezernent Norbert Witte. Insgesamt geriet die
Sitzung zu einem Lehrstück über die Entscheidungsprozesse und das
demokratische Selbstverständnis der städtischen Verwaltung und der
Stadtverordneten.
1. Wie ist der derzeitige Verfahrensstand im
Baugenehmigungsverfahren für das Areal Königsplatz 55/ Wolfsschlucht
24/24a, auf dem die Firma Peek & Cloppenburg ein Warenhaus errichten will?
a. Wurde die Baugenehmigung schon beantragt?
b. Wenn ja: Wann wird mit deren Erteilung gerechnet?
c. Wenn ja: Welche Auflagen sind in der Baugenehmigung
enthalten bzw. werden in ihr enthalten sein?
Witte antwortete
darauf, daß die Baugenehmigung noch nicht beantragt sei, doch sei die
Bauvoranfrage am 3. August positiv beschieden worden, unter Angabe von
Bedingungen.
[Zum Inhalt der Auflagen sagte er nichts.]
2. Befürworter des Erhaltes des sog. Henschelhauses auf
dem rückwärtigen Teil dieses Areals (an der Wolfsschlucht) planen
angeblich ein Bürgerbegehren und einen Bürgerentscheid über die
Frage des Abrisses. Was ist dem Magistrat über dieses Vorhaben bekannt?
Es gebe eine
umfangreiche Unterschriftenliste, aber von einem Bürgerbegehren sei kein
Wort zu finden.
3. Welches sind die denkmalrechtlichen Grundlagen für
Abbruch- und Baugenehmigung?
Grundlage sei
§16 (3) HDschG (Abwägung der Belange).
4. Aus der Presseberichterstattung ist zu
entnehmen, dass der Denkmalschutz für das Henschelhaus aufgehoben wurde.
Trifft dies zu? Welche Gründe haben die zuständige
Denkmalschutzbehörde dazu bewogen?
Der
Denkmalschutz sei nicht aufgehoben.
[Anmerkung: Demnach hat die fachlich mehr
als fragwürdige Abqualifizierung des Gebäudes durch das Landesamt
für Denkmalpflege (LafDH) nicht zu einer Aberkennung des Denkmalstatus
geführt; wenn das Gebäude abgebrochen wird, wird also noch immer ein
offiziell anerkanntes Kulturdenkmal abgebrochen! Der Fall liegt damit zwar
ähnlich wie beim Abriss des historischen Gebäudes Rosenstraße
9 in Marburg, dem aber das LafDH den Denkmalstatus in einer fachlich ebenso
umstrittenen Entscheidung gleich ganz aberkannt hat.]
5. War der Investor beim Kauf des
Grundstücks darüber informiert, dass er ein eingetragenes
Kulturdenkmal erwirbt?
Der Investor sei
beim Kauf informiert gewesen.
[Anmerkung: Dies stützt die bisherige
Einschätzung, daß der Investor in vollem Bewußtsein ein
eingetragenes Kulturdenkmal erworben hat, um es anschließend
abzubrechen!]
6. Hat eine Bestandsaufnahme und Begutachtung
insbesondere auch der Innenräume des Gebäudes stattgefunden?
a. Wenn nein, warum nicht?
b. Wenn ja, wie waren dessen Ergebnisse?
Die
Denkmalpflege kenne das Gebäude, die Bauverwaltung stütze sich nur
darauf.
[Zumindest die Frage nach den Ergebnissen
wird nicht beantwortet, zumal in der nächsten Frage ausdrücklich von
Gutachten die Rede ist! Eine Bestandsaufnahme geht zudem über eine
bloße Kenntnis des Inneren hinaus. Sollte das Gebäudeinnere
tatsächlich bekannt gewesen sein, wären die historischen
Räume (Treppenhäuser, Saal) damit nicht fahrlässig, sondern
sogar mutwillig preisgegeben worden.]
7. Welche Datengrundlage hatte der Denkmalbeirat
bei seiner Sitzung vom 30.04.2009? Lagen zu diesem Termin die in der
vorangegangenen Frage erwähnten Gutachten - sofern solche erstellt wurden
- vor?
Im Denkmalbeirat
sei das Projekt im Sommer 2008 erwähnt, im November 2008 und April 2009
diskutiert worden.
[Die eigentliche Frage wird gar nicht
beantwortet!]
8. Der Pressemitteilung der Stadt Kasel vom
12.08.2009 ist zu entnehmen, dass es „erste Zielsetzung“ sei, vom
Henschelhaus die „Fassade im derzeitigen Zustand mit dem Mansardendach zu
erhalten. Sollte dies aus technischen Gründen (...) nicht wirtschaftlich
möglich sein, werde die Fassade zwar abgebrochen, im Zuge des Neubaus
jedoch wieder detailgenau aufgebaut.“ Sind mit dem Investor auch
Möglichkeiten erörtert worden, die den vollständigen Erhalt des
Henschelhauses und dessen mögliche Eingliederung in den Neubau – und
nicht nur den Erhalt der Fassade zur Wolfsschlucht – zum Gegenstand
hatten?
Der Erhalt des
Gebäudes sei ausführlich diskutiert worden.
9. Ist die Fassade – sofern sie nur
erhalten oder detailgenau wiederaufgebaut werden sollte – in beiden
Fällen dann weiterhin vom Denkmalschutz erfasst? Wenn nein: Könnte
die Fassade als Teil des Neubaus dann ohne denkmalschutzrechtliche Hindernisse
abgerissen, verändert oder ersetzt werden?
Diese Frage
müsse noch geklärt werden, im Zuge des Baugenehmigungsverfahrens
zusammen mit dem Justiziar Viebrock im Landesamt für Denkmalpflege Hessen.
[Mit anderen Worten: Der positive
Bauvorbescheid über den Abbruch des Hauses wurde erteilt, ohne daß
diese Frage geklärt war!]
10. Kann – sollte nur die Fassade erhalten
oder detailgenau wiederaufgebaut werden – garantiert werden, dass bei
einem Abbruch keine historischen Befunde undokumentiert verloren gehen, die
für die Baugeschichte des Gebäudes relevant sind?
Gefordert sei
eine Vermessung der Fassade, außerdem die Abformung und – soweit
möglich – Abformung der Einzelheiten. Soweit Teile nicht
wiedereinbaufähig seien, sollen sie dem Stadtmuseum überwiesen
werden.
[Auf den Kernpunkt der Frage wurde nicht
eingegangen: Die Antwort läßt vollkommen offen, ob
Farbuntersuchungen an der Fassade und in den Treppenhäusern vorgenommen
werden, ob das zweite, unzugänglich vermauerte Treppenhaus vor dem Abbruch
untersucht wird, und wie es sich mit den Dekorationen des runden Saals verhält;
sollten die überstrichenen Wand- und Deckenmalereien des Saals unmittelbar
auf Putz aufgebracht sein, gingen sie beim Abbruch undokumentiert verloren
(sofern keine großflächigen Befunduntersuchungen erfolgten). Sollten
sie auf einem Trägermaterial aufgemalt sein (z. B. eine
Holzvertäfelung), wären zumindest Auflagen über Ausbau und
Sicherung dieser Vertäfelung zu machen.]
Hier fragte der
Antragsteller Lippert wegen der Malereien nach; der
Leiter der Unteren Denkmalschutzbehörde, Dietmar Taubert, antwortete
daraufhin, zugleich mit einem Nachtrag zu Frage 4: In Hessen gebe es ein
deklaratorisches Denkmalrecht, damit ein Gebäude aufgrund seiner
Eigenschaften automatisch geschützt sei; der Denkmalschutz sei dann aber durch den Abbruch erledigt. Die
Malereien im runden Saal seien nicht bekannt; sie würden zwar untersucht
und dokumentiert, könnten aber nicht geborgen werden.
[Auch diese Antwort deckt damit nicht alle
Punkte ab.]
Frage von Dieter
Beig (die Grünen): Ob die Baugenehmigungsbehörde das Gebäude
besichtigt habe?
Antwort des
Dezernenten Witte: Der Zustand sei durch unterschiedliche Besichtigungen
bekannt, eine Besichtigung daher nicht weiter erforderlich gewesen. Die
baurechtliche Genehmigung sei erst erteilt worden, als die denkmalrechtliche
Genehmigung vorlag.
Frage von A.
Lippert: Er sei persönlich froh – und dies gelte auch für die
FPD-Fraktion insgesamt – daß am Königsplatz ein
Erneuerungsprozeß erfolge. Man habe mit der Anfrage ohnehin nur dem
Informationsbedürfnis in der Bevölkerung Rechnung tragen wollen. (!!) Seien aber alle Möglichkeiten, das Gebäude an der
Wolfsschlucht zu integrieren diskutiert worden?
Witte: Die
Vorstellungen des Investors seien sogar noch weitreichender gewesen. Es werde
nun ein Wettbewerb durchgeführt, rechtlich gebe es aber keine
Möglichkeit, das Ergebnis vorzustellen, da es sich um ein privates
Bauvorhaben handele. Das Preisgericht sei aber hochkarätig besetzt, mit
den Architekten Jourdan und Penkhues. - Taubert ergänzte noch: vier Punkte
sollten noch modifiziert werden, dann würde das Ergebnis vorgestellt
werden.
Frage von D. Beig:
Warum werde nicht das leerstehende Overmeyer-Gebäude genutzt?
Witte: Dort gebe
es einen neuen Eigentümer, der eine Mischnutzung aus Läden und
Büros vorsehe; das Gebäude sei schon vor längerer Zeit verkauft
worden.
[Es bleibt allerdings die Frage offen,
weshalb nicht die freigewordene, 7000m² große Fläche von Hertie
im benachbarten City-Point angemietet wurde.]
Frage von D. Beig:
Könne die öffentliche Handhabung bei derart sensiblen Projekten in
Zukunft verbessert werden?
Witte: Rechtlich
sei keine Einbeziehung bzw.
Information der Öffentlichkeit möglich.
[Die Richtigkeit dieser Aussage wäre
zumindest zu überprüfen; so ist z. B. in § 60 (4) der Hessischen
Bauordnung festgelegt: In besonderen
Fällen kann zur Beurteilung der Einwirkung der baulichen Anlage auf die
Umgebung und das Orts- und Landschaftsbild verlangt werden, dass die bauliche
Anlage in geeigneter Weise auf dem Grundstück dargestellt wird. Eine
derartige Maßnahme unter Ausschluß der Öffentlichkeit
wäre kaum denkbar. Die Regelung des § 60 (4) ist zugleich eine
Ausführungsbestimmung zu
§ 34 (1) BauGB, wonach sich ein Bauvorhaben in die Umgebung
einfügen muß.]
Frage von B. W.
Häfner (FWG): Wie müßte das Gebäude eigentlich aussehen,
daß der Bauantrag abgelehnt worden wäre?
Witte: So wie
jetzt das Karlshospital; dann hätte man natürlich nein gesagt!
Taubert: Beim
Brühlschen Haus wäre es gar keine Diskussion gewesen. Aber im neuen
Dehio sei das Gebäude ja auch nicht erwähnt, was die
denkmalpflegerische Entscheidung erleichtert habe; den hohen Wert, den man ihm
hier nachsage, habe es in Fachkreisen gar nicht.
[Freilich: Das Brühlsche Haus
zählte zu den bedeutendsten Kasseler Bürgerhäusern und war im
historischen Dehio der Vorkriegszeit natürlich enthalten; doch trifft der
Dehio ausdrücklich eine sichtende
und wertende Auswahl, und zwar anders
als die Denkmaltopographien und Denkmalverzeichnisse der
Denkmalämter, die Vollständigkeit anstreben müssen (Dehio
Hessen 1, S. VI). So ist in erster Linie eine Auswahl der bedeutenden
öffentlichen Gebäude verzeichnet (Kirchen, Schlösser,
Verwaltungsbauten, Schulen etc.), erst in zweiter Linie sind innerhalb
größerer Abschnitte auch die Bürgerhäuser etc. kurz
berücksichtigt. Zum Vergleich: Kassel umfaßt S. 463-500, die
Wohngebäude sind auf S. 482-486 behandelt – etwas mehr als vier
Seiten von insgesamt 38 Seiten! Dabei fehlen wichtige Gebäude wie das
Hölkesche Haus (Friedrichsstraße 36) mit seinen reichen äußeren
Dekorationen und einem bemerkenswerten gußeisernen Treppenhaus, die
Scheldtsche Villa (Akazienweg 7) mit ihrer bedeutenden historistischen
Innenausstattung, es fehlen die gesamten Wohnbauten der späten
kurfürstlichen Zeit, aber auch zahlreiche Schulen des späten 19.
/ frühen 20. Jh., darunter die Königstorschule, deren Baupläne
auf der Weltausstellung in Chicago gezeigt worden waren. – Sicherlich
alles keine national oder gar international besonders einzigartigen Bauten,
aber doch für die Kasseler (Bau)geschichte bedeutend und auch zurecht in
der Denkmaltopographie verzeichnet. Bemerkenswert ist allerdings auch,
daß drei andere „Bauten im Bestand“ aus den 20er Jahren im
Dehio sogar erwähnt sind – also Gebäude, die den gleichen
historischen Hintergrund haben wie der Erweiterungsbau der Danat:
Wildemannsgasse 14 und Die Freiheit 12 (beide von 1936), sowie Marställer
Platz 1 (1929); nur zeigt sich hier, daß auch der Dehio nicht immer ganz
genau ist, indem das letztgenannte Gebäude erst der Wiederaufbauphase
nach 1945 zugeordnet wird...
Die vollkommen hanebüchene Berufung
auf den Dehio ist inzwischen sogar auf der Internetseite der Stadt Kassel zu
lesen: http://www.stadt-kassel.de/cms01//aktuelles/meldungen/13947/index.html]
Witte: Die Stadt
sei verpflichtet, eine Bauvoranfrage positiv zu bescheiden, wenn sie rechtlich
gedeckt ist.
[Dies ist grundsätzlich zutreffend; in
diesem Fall bezieht sich die rechtliche Grundlage jedoch ausdrücklich auf eine
denkmalrechtliche Abwägung der Belange – und dies ist eine
subjektive Entscheidung der Verantwortlichen! Die Bauvoranfrage wäre unter
Berufung auf den bestehenden Denkmalschutz ebenso rechtswirksam zu versagen
gewesen.]
Lippert:
Tatsächlich könne das Gebäude für Kasseler einen
höheren ideellen Wert haben als in Fachkreisen.
Taubert: In der
Bevölkerung sei doch ohnehin nur die Fassade relevant; der Fassadennachbau
trage dem aber schon Rechnung, und zwar schon gegen den Widerstand aus
Fachkreisen. Im Gestaltbeirat sei deshalb ein völliger Neubau gefordert
worden.
[Vgl. hierzu bereits den Kommentar zum
Zeitungskommentar vom 12. August und zum Interview vom 24. Oktober.]
Beig: Stellt einen
Antrag auf eine Innenbesichtigung des Gebäudes.
Kieselbach (CDU): Weist
darauf hin, daß die Stadt wegen des positiven Bauvorbescheids
schadensersatzpflichtig gemacht werden könne.
Rudolph (SPD): Er
sei bereit, den Antrag mitzutragen, aber die rechtlichen Aspekte seien
entscheidend. Die Fraktion trage auch die Position Tauberts mit.
Witte: Ansehen
sei möglich, aber keine Entscheidung!
Ostermann (
Grüne): Der Denkmalbeirat entscheide auch noch einmal über das
Wettbewerbsergebnis [in erster Linie für die Seiten zu Königsplatz
und Lyceumsplatz].
Witte: Der Denkmalbeirat berät nur!
Die Besichtigung wird für die
nächste Sitzung vorgesehen, am 3. Dezember; an diesem Datum tage auch der
Denkmalbeirat.
Im Ergebnis bleibt zusammenzufassen: Ein
großer Teil der Fragen blieb im Grunde unbeantwortet, entsprechende
Nachfragen wurden erst gar nicht gestellt. Eine ernsthafte Auseinandersetzung
der Ausschußmitglieder mit dem Thema erfolgte nicht, obwohl alle Stadtverordneten
über die wichtigsten Informationen verfügten (vgl. zum 22. Oktober);
nicht einmal der Antragsteller selbst stand inhaltlich hinter seinen Fragen.
Die Verwaltung (namentlich der Baudezernent) demonstrierte in der gesamten
Sitzung ihre Macht (auch bei den anderen Themen) und berief sich auf die
„Geschäfte der laufenden Verwaltung“, die nicht in die
Befugnisse der Ausschußmitglieder fielen; die gewählten
Stadtverordneten beließen es in der Regel bei einzelnen, zaghaften
Nachfragen, und breite Diskussionen fanden zu keinem der Themen statt.
Ebenfalls am Abend des 5. November hielt
der Vorsitzende des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde einen
Vortrag über die Situation des Kasseler Denkmalschutzes und das
Henschelhaus. In der anschließenden Diskussion sicherte der Leiter der
Unteren Denkmalschutzbehörde, Dietmar Taubert, nochmals zu, die Wettbewerbsentwürfe
nach ihrer Überarbeitung der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Zugleich wurde folgender Ablauf deutlich: Der Berliner Investor soll nach
seiner Aussage bereits seit 2 Jahren (also Sommer 2007) mit der Stadt
verhandelt haben. Gleichzeitig liefen gemäß dem früheren
Hausverwalter Achim Wickmann bis Sommer 2009 noch Verhandlungen mit einem
anderen Investor, der das Gebäude erhalten hätte; diese Verhandlungen
seien schließlich aber daran geschietert, daß Verkäufer und
Interessent unterschiedliche Vorstellungen über den Kaufpreis
(200.000€) hatten. Nun ist leicht vorstellbar, daß ein Investor,
der von einer Erhaltungspflicht des Bestandes ausgeht, auch mit anderen
Finanzierungskonzepten umgehen muß als ein Investor, der sich im
Vorfeld schon über diese Erhaltungspflicht hinwegsetzt. Sofern dies
zutrifft, bestanden im Wettbewerb um den Kauf des Areals aufgrund der
einseitigen Verhandlungen mit der Stadt von vornherein ungleiche, verzerrte
Bedingungen.
Am 7. November berichtete die HNA: Die erneute Kritik am geplanten Abriss des
Henschelhauses am Königsplatz und der Wolfsschlucht hat Kassel Stadtbaurat
Norbert Witte (CDU) zurückgewiesen, Er verwies darauf, dass es
ausführliche Erörterungen des Themas in drei Sitzungen des
Denkmalbeirates der Stadt und Gesprächen mit dem Landesamt für
Denkmalschutz gegeben habe. [...] Würde die Stadt den Vorbescheid wieder
zurücknehmen, müsse man mit Schadensersatzforderungen des Bauherrn
rechnen. „Das geht mit Sicherheit an eine Million Euro“, sagt Witte.
Am 9. November
stimmte die Stadtverordnetenversammlung über folgenden Antrag der Fraktion
B 90 / Grüne ab:
Die Stadtverordnetenversammlung wird
gebeten, folgenden Beschluss zu fassen:
Die Stadtverordnetenversammlung möge
beschließen, dass eine
Ortsbegehung der Mitglieder des Ausschusses
für Stadtentwicklung und
Verkehr zusammen mit den Mitgliedern des
Denkmalbeirates der Stadt
Kassel am Henschelhaus, Wolfsschlucht 24 A,
vor weiteren Planungen
und
Beschlussfassungen anzusetzen ist.
Der Antrag wurde einstimmig angenommen.
Am 1. Dezember sollte im KAZ im
Kulturbahnhof eine Ausstellung der Wettbewerbsergebnisse eröffnet werden;
die Präsentation wurde jedoch kurzfristig abgesagt, da die
überarbeiteten Pläne angeblich noch nicht fertig gewesen seien. Auch
die Besichtigung des Gebäudes für den 3. Dezember soll wieder
abgesagt worden sein und bis heute (19. Dezember) nicht stattgefunden haben.
16. März
2010:
Ende Dezember 2009 teilte die
Stadtverwaltung der Bürgerinitiative Pro Henschelhaus mit, daß ein
Bürgerbegehren nicht zulässig sei: Das Baugenehmigungsverfahren und
die denkmalschutzrechtliche Genehmigung seien Weisungsaufgaben nach § 52
Abs. 1 Satz 2 der Hessischen Bauordnung und § 3 Abs. 2 Satz 2 des Hessischen
Denkmalschutzgesetzes; gemäß § 8b Abs. 2 Nr. 1 der Hessischen
Gemeindeordnung findet ein
Bürgerbegehren „nicht statt über Weisungsaufgaben und
Angelegenheiten, die kraft Gesetzes dem Gemeindevorstand oder dem
Bürgermeister obliegen.“ (Schreiben des Haupt- und
Bürgeramts der Stadt Kassel vom 28. Dez. 2009 an Ulrike Bohrmann-Witt.)
Im Januar 2010 reichte daraufhin die
Bürgerinitiative Pro Henschelhaus, vertreten durch Ulrike Bohrmann-Witt,
eine Petition beim Hessischen Landtag ein. Hauptansatzpunkt ist dabei die falsche und fehlerhafte Einschätzung
des Gebäudes durch den Denkmalschutz, die bei der Abwägung der
Belange zugrundegelegt wurde; die Entscheidung sei zu revidieren, indem das Interesse des Gemeinwohls am Erhalt des
Bauwerks [...] neu zu bewerten und [...] über die wirtschaftlichen Interessen
zu stellen sei:
II. Über welche Entscheidung / welche Maßnahme / welchen
Sachverhalt welcher Behörde/Institution wollen Sie sich beschweren? (Kurze
Umschreibung des Gegenstands Ihrer Petition)
Die
Stadt Kassel beabsichtigt, das denkmalgeschützte Gebäude
Wolfsschlucht 24-24a (Kassel, Flur D, Flurstück 99/3) für den Neubau
eines Modehauses zum Abbruch freizugeben; ein
angebliches öffentliches Interesse an der Ansiedlung dieses Modehauses in
Kassel wird dabei in Abwägung der Belange nach § 16 Abs. 3 HDschG
über den Denkmalschutz gestellt.
(Vgl. http://www.stadt-kassel.de/cms01//aktuelles/meldungen/13947/index.html)
Diese
Abwägung beruht jedoch auf falschen und fehlerhaften Einschätzungen:
Zum einen ist sie offensichtlich ohne Prüfung und Kenntnis der
Innenräume und der erhaltenen Innenausstattungen zustande gekommen; zum
anderen wurde die Entscheidung ohne Kenntnis der historischen und
architekturhistorischen Sachverhalte getroffen. (Vgl. ausführlich Anlage
4.)
Die
Einreichung des Bauantrags wird seitens der Stadtverwaltung für das
Frühjahr 2010 erwartet (gemäß der Hessischen Allgemeine (HNA)
vom 15. Januar 2010).
In
der Abwägung der Belange ist außerdem zu berücksichtigen, dass
das 1921-23 errichtete Haus Wolfsschlucht 24-24a eines der wenigen erhaltenen
historischen Gebäude der Kasseler Innenstadt ist. Daher gibt es in Kassel
ein breites öffentliches Interesse am Erhalt dieses Gebäudes; so
unterstützten binnen kurzer Zeit über 4000 Bürger einen Appell
für den Erhalt des Gebäudes durch ihre Unterschrift, ohne dass eine
breite öffentliche Unterschriftensammlung gezielt organisiert wurde. Auch
in zahlreichen Leserbriefen aus der ganzen Region (und darüber hinaus)
wurde und wird gegen den geplanten Abbruch protestiert. Darin kommt häufig
die große Sorge um die Identität Kassels zum Ausdruck; so hat die
Stadt nicht nur durch den Zweiten Weltkrieg und einen z. T. radikalen Neuaufbau,
sondern in den letzten Jahrzehnten auch durch kommerzielle Interessen
zahlreiche bedeutende Baudenkmäler verloren – eine
Entwicklung, die sich in den letzten Jahren zunehmend wieder beschleunigt hat
(u. a. wurden erst 2006 für ein Geschäftshaus die letzten erhaltenen
Gebäudeteile des Palais Reichenbach von 1821 abgebrochen, ehem.
Bestandteil des kurfürstlichen Residenzpalais).
Zudem
ist es für Eigentümer denkmalgeschützter Gebäude nur schwer
nachvollziehbar, weshalb sie noch die (berechtigten) Auflagen
der Denkmalpflege umsetzen sollen, die ja häufig mit größerem
finanziellem Aufwand und Nutzungseinschränkungen verbunden sind, wenn
andererseits ein ganzes Kulturdenkmal, für das jahrelang ebenfalls
strenge Auflagen galten (vgl. als Beispiel Anlage 3), auf einmal zum Abbruch
freigegeben wird.
Vgl.
ausführlich zum Gebäude und zur Chronologie der Ereignisse:
http://www.presche-chr.de/christian/HenschelhausHauptseite.htm,
mit den weiteren Verlinkungen (v. a. http://www.presche-chr.de/christian/Koenigsplatz%2055.htm)
III. Was möchten Sie mit Ihrer Bitte / Beschwerde erreichen? Muss
nach Ihren Vorstellungen hierfür ein Gesetz / eine Vorschrift
geändert / ergänzt werden, wenn ja welche(s)?
Angesichts
der fehlerhaften und unzureichenden denkmalpflegerischen Begutachtung ist die
Entscheidung zu revidieren. Das Interesse des Gemeinwohls an einem Erhalt des
Bauwerks ist neu zu bewerten und nach unserer Auffassung über die
wirtschaftlichen Interessen zu stellen.
Wir
bitten das Land Hessen aus den genannten Gründen, den Erhalt des
Gebäudes Wolfsschlucht 24-24a in Kassel durchzusetzen und die Stadt Kassel
anzuweisen, eine Abbruchgenehmigung für das Gebäude zu versagen.
Zur
Sicherung des Verfahrens nach §104 GOHessLT bitten wir außerdem das
Land Hessen darum, die Stadt Kassel anzuweisen, alle weiteren Entscheidungen
bis zur Beschlussfassung über diese Petition auszusetzen und
insbesondere solange keine Abbruch- und Baugenehmigungen zu erteilen.
Zudem sei im Folgenden Anlage 4 zitiert:
Die unzureichende
denkmalpflegerische Beurteilung des Gebäudes wird in folgenden Punkten
deutlich:
1.) Zitat des
Leiters der Unteren Denkmalschutzbehörde Kassel, Dietmar Taubert, in der
Hessischen Allgemeine (HNA) vom 25./26. Juli 2009 (Anlage 10); auf die Frage,
wer in die Entscheidung noch einbezogen gewesen sei, antwortete er: „Das
Landesamt für Denkmalpflege mit Bezirkskonservator Dr. Zietz. Wir haben
überlegt, welchen Stellenwert das Gebäude hat. Im Denkmalbuch der
Stadt Kassel von 1984 ist es aus künstlerischen und städtebaugeschichtlichen
Gründen als Kulturdenkmal bewertet worden. Der Bezirkskonservator
vertritt heute die Auffassung, dass es atypisch für die Bauzeit ist und
lediglich den Gestaltungswillen des Bauherrn repräsentiert. [...] Es ist
grenzwertig und würde heute nicht mehr so ohne Weiteres als Denkmal
eingestuft. Die Frage ist: Was repräsentiert das Haus? Es wurde 1921 bis
1923 erbaut. Der Historismus endete um 1905 in Kassel. In den 1920er-Jahren
wurde im Bauhausstil gebaut mit ganz strengen Formen, ohne Zierelemente.“
Diese Aussage
zeugt nicht nur von Unkenntnis in der mitteleuropäischen Baugeschichte
insgesamt, da in den 20er Jahren ganz verschiedene architektonische
Strömungen und Ideologien konkurrierten (z. B. Expressionismus,
Heimatschutz, Neoklassizismus, Bauhaus etc.), sondern sie zeigt vor allem auch
die Unkenntnis in der Kasseler Baugeschichte: So geht die Fassade in
Wirklichkeit auf Auflagen der Kasseler Bauverwaltung zurück (vgl.
Anlage 11); sie ist ein wichtiges Zeugnis der Kasseler Baupolitik zwischen 1915
und 1939 und gehört zu den wenigen, noch erhaltenen Beispielen für
das Bauen im historischen Bestand im Kassel der 1920er und 30er Jahre (vgl.
Anlage 7). Das Ziel der städtischen Bauverwaltung war damals die
architektonische Einfügung von Neubauten in ihre Umgebung – gerade
im Gegensatz zum Historismus, der auf die Umgebung keine Rücksicht
genommen und zwischen 1870 und 1915 bereits wichtige Ensembles in der Kasseler
Innenstadt zerstört hatte (vgl. Anlage 7, S. 1). Als Antwort auf diese
Entwicklung bemühte man sich nun wieder um die Schaffung von Baugruppen,
um die Ganzheitlichkeit von Architektur und Städtebau (vgl. Anlage 7, S.
7; Anlage 12); diese örtliche Sonderform des Heimatschutzstils, die
sich nicht nur in den großen, denkmalgeschützten Kasseler Wohnsiedlungen
der 20er und 30er Jahre, sondern eben auch in den eingepassten Neubauten in der
historischen Innenstadt äußerte, ist ein bemerkenswertes
Zeugnis für die deutsche Architekturgeschichte in der Zeit der
Weimarer Republik. – Diese ganzen Zusammenhänge, die für eine
fachgerechte Beurteilung des Gebäudes erforderlich gewesen wären,
waren aber offensichtlich der Denkmalpflege unbekannt und wurden auch nicht
ermittelt.
2.) Die
erhaltene historische Innengestaltung wurde in keiner Weise durch den Denkmalschutz
berücksichtigt; für den Kasseler Denkmalbeirat ist nachweisbar, dass
alle Entscheidungen sogar ohne jede Kenntnis der Innenräume getroffen
wurden (vgl. Anlage 13). Auch die Aussage des damaligen Kulturdezernten,
Bürgermeister Junge, dass das Innere so stark verändert sei, dass
„denkmalkonstituierende Originalsubstanz nicht mehr
vorhanden“ sei (vgl. Anlage 8), ist in diesen Zusammenhang einzuordnen.
Die besondere
Qualität des fraglichen Hauses Wolfsschlucht 24-24a besteht dagegen gerade
auch darin, dass die Fassade nicht nur als bloße Kulisse behandelt wurde,
sondern zugleich einen Anspruch für die Innengestaltung bildete: So
schlagen die beiden Treppenhäuser und die Ausstattung eines runden Saals
im EG eine Brücke zwischen der Bauzeit des angrenzenden, als Vorbild
dienenden Brühlschen Hauses (Königsplatz 55; um 1770) und der Bauzeit
des Erweiterungsbaues 1921-23 (vgl. Anlage 6). Diese Ausstattungen
zählen zu den ganz wenigen in situ erhaltenen historischen Innendekorationen,
die in der Innenstadt bis heute noch überdauert haben. Das gesamte
Gebäude ist damit zugleich ein wichtiges Element im Schaffen des
Architekten Karl Wittrock, der in der Folgezeit mehrfach eng mit der
städtischen Bauverwaltung zusammenarbeitete und auch zahlreiche der
Kasseler Siedlungsbauten entwarf. Zudem haben die Innenräume auch
einen Zeugniswert für das 1943 zerstörte Brühlsche Haus, da
sie dessen innere Höhenentwicklung widerspiegeln und somit auch
einen Eindruck der historischen Raumproportionen des späten 18. Jh.
vermitteln.
3.) Alle
bisherigen Äußerungen der Denkmalschutzbehörde beziehen sich
alleine auf die Fassade bzw. deren Ornamente; dabei bleibt vollkommen
unberücksichtigt, dass das gesamte Gebäude ein historisches Zeugnis
darstellt, welches durch einen Abbruch unwiederbringlich verloren
gehen würde. Dies bezieht sich nicht nur auf den ursprünglichen
Zustand von 1923, sondern auch auf spätere Veränderungen und auf
seine Nutzungen, die sich wiederum in der Bausubstanz widerspiegeln; so hat das
Bauwerk auch historische Bedeutung als Filiale der Darmstädter und
Nationalbank sowie als späterer Sitz der Familienverwaltung der für
Kassel bedeutenden Fabrikantenfamilie Henschel. Hervorzuheben ist auch,
dass hier der Kasseler Rechtsanwalt Dr. Max Plaut seine Kanzlei hatte, bis er
1933 aus diesem Gebäude von der Kasseler SA verschleppt und
anschließend so schwer misshandelt wurde, dass er wenig später an
den Verletzungen starb; er war damit eines der ersten Kasseler Opfer des NS-Terrors,
und die Ereignisse sorgten damals sogar international für Aufsehen.
Die lediglich
geforderte Applikation der Fassadenornamente (entweder als Original oder auch
nur als Nachbildungen) an einem Neubau wird diesem historischen Zeugniswert in keiner
Weise gerecht. Zudem ist mittlerweile sogar völlig unklar, ob
tatsächlich die gesamte Fassade (wie zunächst angekündigt) oder
lediglich die einzelnen Applikationen wiederhergestellt werden sollen. Auch
über die Dachform, welche das städtebaulich bedeutsame Eckhaus
weithin prägt, gibt es zur Zeit keine verlässlichen Informationen.
(Dabei ist zu beachten, dass die Gesamtform des Hauses1 eine eigene,
städtebaulich und gestalterisch interessante Lösung von 1921-23
darstellt.)
Dass sich die
Untere Denkmalschutzbehörde Kassel bei ihrer Zustimmung zum Abbruch darauf
beruft, dass das Gebäude nicht im Dehio (Handbuch der Kunstdenkmäler
Deutschlands) enthalten sei (vgl. http://www.stadt-kassel.de/cms01//aktuelles/meldungen/13947/index.html),
ist dabei ohne Belang: Der Dehio erhebt ausdrücklich keinen Anspruch auf
Vollständigkeit und hat von der Zielsetzung her auch eine ganz andere
Aufgabe als eine Denkmaltopographie: vgl. das Vorwort des Bandes Hessen I, S.
VI (vgl. Anlage 14). Eine Verwendung des Dehio als Denkmalliste ist daher nicht
sachgerecht2. In der Kasseler Denkmaltopographie, Bd. 1, S.
107, ist das Gebäude Wolfsschlucht 24-24a dagegen verzeichnet: als
„Kulturdenkmal aus künstlerischen und städtebaugeschichtlichen
Gründen“ (vgl. Anlage 2) – was auch der Bedeutung des
Gebäudes entspricht.
Das
historische Gebäude Wolfsschlucht 24-24a befindet sich auch weiterhin in
gutem baulichen Zustand (bis zum Beginn der Verkaufsverhandlungen 2007 und der
Nichtverlängerung der Mietverträge durch die
Eigentümer war es auch vollständig vermietet; vgl. auch noch HNA vom
4. März 2009: „Nicht alle wollen gehen“). Selbst jetzt wird es
in Teilen noch genutzt, bis die letzten Mietverträge auslaufen.
Substanz-sichernde Maßnahmen, die eine Wirtschaftlichkeit der weiteren
Nutzung infrage stellen würden, sind nicht erforderlich.
[Anmerkungen:]
1 Eine durchgehende, geschwungene Front mit dem
Haupteingang in der Mittelachse, Nebeneingängen in den beiden Endachsen,
Gliederung durch die Regenfallrohre.
2 In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass z. B. auch
das architekturgeschichtlich und künstlerisch bedeutende
Hölkesche Mietshaus (Friedrichsstraße 36), dessen aufwendige Restaurierung
vor einigen Jahren sogar mit dem hessischen Denkmalschutzpreis ausgezeichnet
wurde, ebenfalls nicht im Dehio erwähnt ist.
Die genannten Anlagen sind:
1. Schreiben
des Haupt- und Bürgeramts der Stadt Kassel vom 28. Dez. 2009, zur
Zuständigkeit des Landes Hessen
2.
Denkmaltopographie Kassel I, S. 107
3. Beispiel
für die bisherige Praxis [Bescheid mit der Forderung, aus Gründen des
Denkmalschutzes mehrere Apothekenzeichen (A) von den
Fenstern zu entfernen]
4.
Problematik des Denkmalschutzes [s.o.]
5. Handzettel
zum Henschelhaus [http://www.presche-chr.de/christian/Flugblatt_Henschelhaus_III.pdf]
6.
Innenaufnahmen [http://www.presche-chr.de/christian/RunderSaalBilderauswahl_CII.pdf]
7.
„Bauen im Bestand“ im Kassel der 1920er und 30er Jahre [http://www.presche-chr.de/christian/Fuehrung_%20Bauen_im_historischen_Bestand_I.doc]
8. Schreiben
des Kulturdezernenten vom 10. Juli 2009
9. Schreiben
des Baudezernenten vom 13. Juli 2009
10.
„Wir kennen die Verlustgefühle“, HNA vom 25./26. Juli 2009
11. Kasseler
Neueste Nachrichten vom 7. Okt. 1936
12.
Denkmaltopographie Kassel II, S. 97f.
13.
„Innenleben ist unbekannt“, HNA 5. Nov. 2009
14. Auszug
aus dem Dehio, Hessen I, S. VI
15.
Chronologische Übersicht der Ereignisse
Über die Petition berichteten HNA und Extra-Tip ausführlich
am 28. bzw. 31. Januar.
Am 8. Februar wurden dann mit der Abnahme
der Fassadenornamente begonnen, soweit sie bereits genehmigt war: die drei
erhaltenen Kopfplastiken sowie je eine Fensterkonsole im EG und im OG,
außerdem eine Fensterbekrönung im OG. Weitere Maßnahmen sind
jedoch wegen des Verfahrensschutzes der Petition zur Zeit nicht erlaubt, damit
nicht vorzeitig bereits vollendete
Tatsachen geschaffen werden dürfen.
Im Februar fand offenbar auch die
angekündigte Besichtigung des Gebäudes durch den Denkmalbeirat und
den Ausschuß für Stadtentwicklung und Verkehr statt – unter
Ausschuß der Öffentlichkeit und unter Führung durch die Untere
Denkmalschutzbehörde Kassel; das Gebäude blieb damit bei dieser
Veranstaltung ohne Anwalt, Ergebnisse der Begehung sind freilich nicht
öffentlich bekannt geworden.
Welche fatale Wirkung die Preisgabe des
Henschelhauses durch den Denkmalschutz für dessen Glaubwürdigkeit hat,
wurde am 10. Februar wieder deutlich: Nachdem das Verwaltungsgericht Kassel
einem Hauseigentümer den Abbruch seiner denkmalgeschützten Hofanlage
in Niederzwehren zugestanden hatte (Wohngebäude aus dem 18. Jh.,
Wirtschaftsgebäude aus dem späten 19. Jh.), da die hohen
Sanierungskosten den Eigentümern nicht zugemutet werden könnten,
schrieb die Redakteurin der HNA in ihrem Kommentar: Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich die Sanierung nicht erzwingen
lässt. Die Stadt sollte das Buch deshalb zumachen und auf weitere
Rechtsmittel verzichten. Der Öffentlichkeit ist ohnehin kaum vermittelbar,
warum der Denkmalschutz bei Großinvestoren wie beim Henschelhaus aus
wirtschaftlichen Gründen hinten angestellt, bei der Familie Reitmeier aber
großgeschrieben wird.
26./28.
März 2010
Am 23. März berichtete die HNA: Das Henschelhaus in der Kasseler Innenstadt
wird abgerissen. Alle Bemühungen einer Bürgerinitiative, den
historischen Gebäudekomplex zwischen Wolfsschlucht und Königsplatz
vor der Abrissbirne zu retten, sind fehlgeschlagen. Die BI hatte 4000
Unterschriften für den Erhalt des Gebäudes gesammelt. Eine Petition
an die Landesregierung ist jetzt abgelehnt worden. Das Signal der Obersten
Bauaufsichtsbehörde in Wiesbaden an die städtische Bauaufsicht
lautet: „Die Landesregierung teilt die Rechtsauffassung der Stadt
Kassel.“ [...] Die
Abrissgenehmigung ist gestern noch erteilt worden. Nach Auskunft von Heinz
Spangenberg, dem Leiter der Kasseler Bauaufsicht, wird voraussichtlich gleich
nach Ostern mit den Abbrucharbeiten begonnen. [...] Die Baugenehmigung für den Bauherrn, die Bauwert Investment Group
aus Berlin, werde in den nächsten Tagen erteilt, sagt Spangenberg.
Für weitere Einschätzungen
muß nun die genaue Begründung des Petitionsausschusses abgewartet
werden; es ist allerdings zu befürchten, daß mit einer
Höherbewertung kommerzieller Interessen gegenüber dem Denkmalschutz
hier ein hessenweiter Präzedenzfall geschaffen wird: Denkmalpflege und
Denkmalschutz würden dann den wirtschaftlichen Interessen künftig untergeordnet,
wodurch gerade die historische Innenstädte wieder akut bedroht sind
– im Grunde ein Rückfall in die 1960er und 1970er Jahre.
Ein bedenkenswerter Umstand am Rande: Die
entscheidende Sitzung des Petitionsausschusses fand am Donnerstag, dem 18.
März statt; bereits einige Tage vorher wußten Arbeiter, die in
städtischem Auftrag vor dem Gebäude tätig waren, daß
Anfang April die Abbrucharbeiten beginnen würden – die Stadt
ließ bereits alles für die bevorstehenden Arbeiten vorbereiten.
Am 26. März veröffentlichte die
HNA die Entwürfe für den Neubau: „Moderne
und historisierende Fassadengestaltung werden zu einem Ganzen verbunden“,
versprechen die Bauherren, die Berliner Bauwert Investment Group.
Vorausgegangen war ein von Bauwert gemeinsam mit der Stadt Kassel
ausgeschriebener Wettbewerb für die Fassadengestaltung, den der Kasseler
Architekt Friedemann Roller (Roller Architekten) gewonnen hat. Die Fassade des [...] Henschelhauses aus dem Jahr 1921, die
bereits nach dem Krieg schon einmal wiederaufgebaut wurde, wird zunächst
abgerissen, als moderne Natursteinfassade wiederhergestellt und in den Neubau
integriert. Der historische Teil des Henschelhauses wird also rekonstruiert.
Ihn zu erhalten wäre hochkompliziert und „unverhältnismäßig
teuer“ gewesen, sagt Roller. Die Alternative, zwischen Alt-
Im
vergangenen Jahr hatte die Berliner Bauwert Investment Group das Objekt
Königsplatz 55 von der Deka Immobilien GmbH erworben, um hier einen Neubau
für die Modekette Peek & Cloppenburg zu errichten.
Auf dem 1570 Quadratmeter großen Grundstück wird ein Gebäude
für das Modehaus mit insgesamt 7300 Quadratmetern Verkaufsfläche
entstehen. Der Bauherr investiert 29 Millionen Euro in das Projekt, das die
Grundstücke entlang der Kölnischen Straße, Wolfsschlucht und
Lyceumsplatz umfasst. Im Herbst 2011 soll Eröffnung sein.
Auf
dem Königsplatz greift der Neubau die Höhenlinien des Nachbarhauses
mit dem Kaskade-
„Es
ist toll, dass wir für den wichtigsten Platz in Kassel
zeitgemäße Architektur entwerfen können“, sagt der
Architekt. Und dass es gelungen sei, die komplexen Anforderungen zu
erfüllen, 50er-
An
dem Wettbewerb hatten sich fünf eingeladene Büros beteiligt. Drei aus
Kassel (Roller Architekten, Reichel Architekten und Atelier 30) sowie zwei aus
Berlin. Der Jury gehörten Vertreter des Bauherrn, der Stadt Kassel, Prof.
Berthold Penkhues und als Vorsitzender Prof. Jochem Jourdan an.
Die
Stadt hatte den Erhalt oder die Rekonstruktion der historischen Fassade zur
Bedingung gemacht. Holzfenster, Stuckelemente und Türen werden sich in der
Rekonstruktion wiederfinden, lediglich die Dachfenster (Gauben) und -eindeckung
zeigen moderne Anklänge. Das Dach wird mit kleinteiligem Zinkblech
gedeckt, die Gauben bekommen Stahlrahmen. Die Fassade, bislang rosa, wird in
einem hellen Beigeton verputzt. Er entspricht laut Roller dem historischen
Befund aus den 20er-
Vgl. http://www.hna.de/nachrichten/stadt-kassel/kassel/helles-kleid-neues-modehaus-690919.html,
mit Abbildung.
(Quelle: HNA
vom 26. März 2010; zum Vergrößern bitte mit der Maus anklicken)
Betrachten wir zunächst die Front am
Königsplatz: Zwar laufen Vordach und Trauflinie tatsächlich durch,
und das zurückgesetzte oberste Geschoß wird zumindest angedeutet.
Ansonsten aber wird die Front durch große, unregelmäßige
Öffnungen mit Werbung bestimmt; die einheitliche und ruhige horizontale
Linienführung der Fenster, die bisher für den Baublock
charakteristisch war, geht ebenso verloren wie die charakteristische
Stützenstellung des obersten Geschosses und der breite fensterlose
Mauerstreifen an der Gebäudeecke. Auch die Dachfläche wird sich durch
die beschriebenen Lamellen und das Zinkblech nicht in die Umgebung einordnen
und zudem noch durch einen (im Aufriß angedeuteten) höheren Kernbau
überragt. Und auch das Vordach wird durch die höheren
EG-Öffnungen überschnitten.
Der Anschluß an den
„historischen“ Teil weicht die klare Trennung zwischen
Hauptgebäude und Seitenflügel auf und wirkt in seiner Abstufung eher
unentschlossen; zwar scheint die Höhenvermittlung des Daches besser
gelungen zu sein, aber nur deshalb, weil die Front an Wolfsschlucht und
Kölnischer Straße um über einen Meter gestreckt wurde!
Das Ziel ist ganz offensichtlich eine Anpassung der Fassade an die neue, innere
Geschoßaufteilung, Von einer „Rekonstruktion“ kann mithin gar
keine Rede sein; es handelt sich tatsächlich nur um einen historisierenden
Neubau, der die originalen Proportionen entscheidend verändert:
Besonders deutlich wird dies an der
Oberkante des Gurtgesimses (zwischen Sockel und EG), die um ca. 60cm
gegenüber dem Bestand angehoben werden soll (man vergleiche den
Anschluß an den alten Haupteingang); dies wird gemäß Zeichnung
zum einen durch Einfügung einer weiteren Lage im Sockelgeschoß
erreicht, zum anderen durch Vergrößerung des historischen
Gesimsprofils! Die Zone zwischen Gurtgesims und den Fenstersimsen des
Erdgeschosses wird um weitere ca. 20cm gestreckt, so daß die historischen
Konsolen nicht mehr auf dem unteren Putzrahmen aufsitzen, sondern in der Luft
hängen. Eine weitere Streckung um ca. 30cm ist zwischen den Fenstern von
erstem und zweitem Obergeschoß erkennbar. Deutlich werden diese
Veränderungen auch am südlichen Nebeneingang, der zwar in Anlehnung
an das Original wiederhergestellt werden soll, ursprünglich aber kein
zusätzliches Oberlicht benötigte, sondern wie die anderen Fenster
abschloß. Die fein abgestimmte Hierarchie zwischen Haupt- und Nebeneingang
geht damit verloren.
Das Bedeutende und Schützenswerte der
Fassade, das nach einem Abbruch des Gebäude noch einen Fassadennachbau
rechtfertigen könnte, geht damit verloren: nämlich die
Überlieferung der historischen Höhenverhältnisse und Proportionen
des Brühlschen Hauses. Die durchdachte Architektur von 1921-23 wird
ebenfalls nur ein Schatten ihrer selbst sein, zumal die Fassade ja ohnehin
ihres baulichen Zusammenhanges beraubt ist.
Im
Vergleich: links der Bestand, rechts die Planung, wenngleich auch in bisheriger
Farbgebung
(Bildmontage:
Verfasser; Stand: 28.3.2010)
Detail: Im
historischen Zustand vermitteln die Konsolen genau zwischen dem unteren
Sockelabsatz und dem Fenstersims.
Durch die
geplante Anhebung schweben sie beziehungslos über dem Sockelabsatz; wie
das Problem des dann fehlenden Vorsprungs für den unteren Ansatz sinnvoll
gelöst werden soll, bleibt ein Rätsel.
(Bildmontage:
Verfasser; Stand: 28.3.2010)
Geradezu grotesk mutet es dabei an,
daß die Farbgebung der 20er Jahre wiederhergestellt werden soll, und
daß die erhaltenen drei Kopflastiken über den EG-Fenstern nun
vervielfältigt und über sämtliche Fenster verteilt werden
sollen, ja daß sogar besonderer Wert auf Holzfenster gelegt wird; damit
wird eine historische Authentizität vorgegaukelt, die es angesichts der
veränderten Proportionen aber gar nicht mehr geben kann. Hinzu
kommt, daß die Putzgliederung bei der Wiederherstellung 1955 vereinfacht
und verändert wurde, als man auch die übrigen Kopfplastiken abschlug
und u. a. den dahinterliegenden Putzrahmen gleich mit entfernte. Diese
Veränderungen werden aber keinesfalls rückgängig gemacht,
sondern beibehalten, obwohl der Stuck wieder ergänzt werden soll. Auch die
Stuckdekorationen werden keineswegs dem originalen Konzept angepaßt,
sonst müßte man über dem Haupteingang auf die Konsolen des
Oberlichts verzichten (sie sind erst eine Zutat von 1955). Im Ergebnis
erhält man damit eine dreifache Chimäre:
Farbgebung und Stuck in Anlehnung an 1923,
die Putzgliederung der Front von 1955 (jedoch mit den Kopfplastiken und
angrenzenden Stukkaturen von 1923 nicht mehr zusammenpassend) und die
Proportionen von 2010, das Dach als Mischung von 1955 und 2010. Auch einige
Stukkaturen sind bloße Erfindungen von 1955 und 2010.
Auffallend ist schließlich auch,
daß der Fluchtlinienabsatz an der Kölnischen Straße
wegfällt, der noch dem ursprünglichen Zustand entspricht: Entweder
wird der Neubau am Königsplatz schmaler (zu Lasten der Symmetrie und
Regelmäßigkeit des Platzsegments), oder die historisierende Front an
der Kölnischen Straße folgt nicht der alten Fluchtlinie.
Dies alles hat nichts mehr mit
Denkmalpflege zu tun und zielt ganz offensichtlich nur noch darauf ab, den
allgemeinen Unmut und Zorn in Kassel zu besänftigen – in der
Hoffnung, daß die Abweichungen dem architektonischen Laien beim
Betrachten der Planzeichnung kaum auffallen dürften.
Diese veränderte, nun tatsächlich
„historisierende“ Front aber ist das größte denkbare
Übel; es hätte hier nur zwei Alternativen geben dürfen: Entweder
wird richtig und maßgetreu rekonstruiert (und dann entweder im Zustand
von 1923 oder im Zustand von 1955/2010), oder gar nicht. Angesichts des Ergebnisses
wäre hier tatsächlich der Mut zur Ehrlichkeit gefordert gewesen,
daß die Stadt Kassel ein historisches Kulturdenkmal bewußt preisgegeben
hat – ersatzlos!
Es bleibt interessant, wie die Kasseler
Architektenschaft, die bisher jedes ernsthafte und maßgetreue
Rekonstruktionsbemühen (vgl. zuletzt das Karlshospital) mit Schlagworten
wie „Disneyland“, oder „Geschichtsverfälschung“ zu
verhindern versucht hat (und dies meist erfolgreich), auf diese tatsächliche
Fälschung reagieren wird.
22. April
2010:
Der Arbeitskreis für Denkmalschutz und
Stadtgestalt gab am 28. März eine Pressemitteilung
heraus, in der die Proportionsveränderungen, die bauhistorischen
Unstimmigkeiten und die Problematik der Königsplatzfront kritisiert
werden. Diese Pressemitteilung wurde in ihrem Hauptteil auch am 30. März
von der HNA, am 7. April vom Extra-Tip weitgehend wiedergegeben.
Vorstellung der Entwürfe im
Ortsbeirat Mitte, 22. April 2010:
Amtsleiter Heinz Spangenberg führte
zunächst aus, daß der Verfall des Gebäudes unübersehbar
gewesen sei, so daß man eigentlich ganz froh gewesen sei, als sich die
Chance ergeben habe, die Situation wieder zu stabilisieren. Es habe eine ganze Reihe von Interessenten gegeben, von denen
sich die Firma Bauwert in Berlin durchgesetzt habe. Das Verfahren sei von der
Stadt eng begleitet worden, unter enger Einbeziehung des Denkmalbeirats
und unter Beratung durch den Verfasser [der für den Fall eines
Fassadennachbaues zumindest schon einen willkürlichen und
verfälschenden Umgang mit den historischen Bauformen befürchtet und
sich deshalb bemüht hatte, diesem durch rechtzeitige Vorlage von
Maßskizzen und historischen Photographien bei der Unteren
Denkmalschutzbehörde von vornherein entgegenzuwirken –
offensichtlich jedoch weitgehend vergeblich; der Verf.]. Unter denkmalpflegerischer und
städtebaulicher Betrachtung habe sich ergeben, daß ein Qualitätssicherungsverfahren
(also ein Wettbewerb) durchzuführen war. Maßgabe sei in dem Wettbewerb gewesen, das Henschelhaus 1:1
wiederaufzubauen. Die nun vorgesehene Veränderung der Proportionen habe
dann ausdrücklich die Zustimmung in dem Wettbewerbsverfahren erhalten.
Architekt Oliver Mann stellte dann die
Entwürfe vor: Demnach sind 4 Verkaufsgeschosse für Peek &
Cloppenburg geplant: UG, EG, 1. und 2. OG. Das 3. OG ist für Verwaltung
und Lagerräume vorgesehen. Die Verkaufsräume sollen
Geschoßhöhen von 5,15m erhalten. – Einer der meistdiskutierten
Punkte im Gutachterverfahren sei der Übergang zwischen den beiden
Fassadenteilen an der Kölnischen Straße gewesen. Der Haupteingang
ist am Königsplatz vorgesehen (mit drei Türen), ein Nebeneingang an
der Ecke Wolfsschlucht / Lyceumsplatz (der bisherige Apothekeneingang).
Ergebnis des Wettbewerbs sei es außerdem gewesen, die
Höhenverhältnisse soweit zu verschieben, daß die Fenster auch
als Fenster genutzt werden können. Dies sei ein gutes Ergebnis, das auch
der Lebendigkeit des Gebäudes dienlich ist. Am Lyceumsplatz sei in dem
neuen Fassadenabschnitt Anlieferung und Personaleingang vorgesehen, jedoch
nicht als Lieferzone, sondern auch mit einem repräsentativen Zugang zur
Verwaltung.
Der Ortsbeirat nahm dies zur Kenntnis;
Wortmeldungen seitens der Beiratsmitglieder gab es nicht. Spangenberg
erklärte daraufhin, daß die Baugenehmigung dann morgen erteilt
werden könne.
Auf die Anfrage des Verfassers, wie die
Proportionsveränderung mit den Vorgaben der Denkmalpflege vereinbar sei,
die Fassade detailgetreu wiederaufzubauen, entgegnete er, daß dies nicht
in sein Fachgebiet falle; die Frage müsse im Denkmalbeirat diskutiert
werden. Auf die Nachfrage, ob es denn im Bauvorbescheid keine
diesbezügliche Festlegung gegeben habe, antwortete seine dafür
zuständige Mitarbeiterin: Im Bauvorbescheid habe
es nur eine einzige zwingende Festsetzung gegeben: Daß ein
Qualitätssicherungsverfahren durchzuführen sei. Festsetzungen zu
einem 1:1-Wiederaufbau seien im Bauvorbescheid nicht enthalten gewesen.
Tatsächlich hatte jedoch Stadtbaurat
Witte öffentlich verkündet: Das Bauvorhaben sei an strenge Bedingungen geknüpft,
unterstrich Stadtbaurat Witte. Grundsätzlich gelte, dass sich der Neubau
in die Bebauung der näheren Umgebung einfügen müsse. Dem
Investor sei zudem aufgegeben, für die Gestaltung aller Fassaden einen
Architekturwettbewerb auszuloben. [...].
Da auch das Henschelhaus in der Wolfsschlucht 24/24 A in das Bauvorhaben
einbezogen werden soll, sei es erste Zielsetzung,
dessen Fassade im derzeitigen Zustand mit dem
Mansardendach zu erhalten. Sollte dies aus technischen Gründen und damit
verbundenen Kosten nicht wirtschaftlich möglich
sein, werde die Fassade zwar abgebrochen, im
Zuge des Neubaus jedoch wieder detailgenau aufgebaut, unterstrich Witte.
Dabei sollen sowohl die Eingangstüren - bis auf die Tür zur Apotheke
- als auch die figürlichen Stuckelemente der Fassaden geborgen und wieder
verwendet werden. Bei Elementen, die nicht zerstörungsfrei demontiert
werden können, müssen restauratorische Abdrücke gefertigt
werden, die als Formen für die detailgetreue
Wiederherstellung verwendet werden können.
[http://www.stadt-kassel.de/aktuelles/meldungen/13947/index.html,
Hervorhebungen durch den Verf.] –
Eine Ankündigung, die offensichtlich wertlos war, wenn sie nicht als
Forderung in den Bauvorbescheid aufgenommen war – zumal auch die
Proportionsveränderungen offenbar noch in der Amtszeit desselben Baudezernenten
erfolgt sind. Auch die Ankündigung der Unteren Denkmalschutzbehörde,
daß die Originalmaße als Grundlage der Rekonstruktion dienen
sollten (HNA vom 7. November 2009), blieb damit ohne weitere Folgen.
Wohlgemerkt: Eine bloße Wiederherstellung des bisherigen Zustands
wäre denkmalpflegerisch freilich ebenso legitim gewesen, mit den
Detailveränderungen der Nachkriegszeit; und die Höhenmaße,
die ja noch die ursprüngliche Maßstäblichkeit der
Königsplatzbebauung anschaulich machten, waren beim Wiederaufbau
ja nicht verändert worden – doch gerade diese wichtigen
Höhenmaße werden nun erheblich verfälscht!
Freilich ermöglicht diese
Veränderung nicht nur eine größere „Lebendigkeit“
der Fassade, sondern spart auch zusätzliche Verkaufsfläche, die sonst
für eine Trennungsfuge zwischen Verkaufsetagen und Fassade nötig
gewesen wäre (als Luftraum), und schiebt zugleich den Dachansatz soweit
nach oben, daß durch den höhergelegten Knick des neuen Mansarddaches
das oberste Verkaufsgeschoß hier besser nutzbar ist.
Ob tatsächlich die hochkarätige Jury mit Prof.
Berthold Penkhues und Prof. Jochem Jourdan (der stets auf klare Trennungen
zwischen Bestand und Neubauten Wert legte und Baufugen favorisierte, wie sie
offenbar zunächst auch zwischen Neubau und vorgesetzter Fassade geplant
waren) derartige Veränderungen der historischen Maße forderte,
kann der Verfasser als Außenstehender nicht beurteilen, er möchte
es aus eigener, früherer Erinnerung heraus jedoch kaum glauben.
Als interessantes Detail sei zuletzt darauf
hingewiesen, daß auch das ausführende Kasseler Architekturbüro
offenbar nicht ganz eigenständig arbeitete, sondern die weitere Planung
gemeinsam mit einem Hamburger Büro durchzuführen hatte, welches als
Fassadenberater für Peek & Cloppenburg tätig ist. Vgl. hierzu
eine Pressemitteilung der Bauwert Investment Group, die gleichwohl auch
mit den klangvollen Namen Penkhues und Jourdan für den
Fassadenentwurf wirbt:
http://www.bauwert.de/tl_files/Downloads/2010-03-25-Fassadensieger_Kassel.pdf
2. Mai 2010:
Am 26. April begann der Abbruch an der
Seite zur Wolfsschlucht.
Beier, Gerhard: Arbeiterbewegung in
Hessen. Zur Geschichte der hessischen Arbeiterbewegung durch
einhundertfünfzig Jahre (1834-1984), 2. Auflage, Frankfurt am Main 1984.
Brier, Helmut / Dettmar, Werner: Kassel. Veränderungen einer Stadt.
Fotos und Karten 1928-1986, Band I, Fuldabrück 1986.
Holtmeyer, Alois: Alt Cassel (Alt Hessen
2), Marburg 1913.
Ders.: Die Bau- und Kunstdenkmäler
im Regierungsbezirk Cassel, Bd. VI, Kreis Cassel-Stadt, Marburg 1923.
Kammler, Jörg / Krause-Vilmar, Dietfried (Hg.): Volksgemeinschaft
und Volksfeinde. Kassel 1933-1945. Eine Dokumentation, Kassel 1984.
Königsplatz
55 (Berühmte Kasseler Bürgerhäuser), in: KNN vom 7. Okt. 1936.
Köttelwesch, Sabine: Rundgang durch
das alte Kassel, Gudensberg-Gleichen 2000.
Kramm, Walter: Kassel,
Wilhelmshöhe, Wilhelmstal (deutsche Lande deutsche Kunst), [Berlin] 1951.
Krause-Vilmar, Dietfrid: Korrespondenten
der Chicago Herald Tribune berichten im Frühjahr 1933 über die
Judenverfolgung in Kassel, in: ZHG 106 (2001), S. 293-298.
Schlier, Jutta / Most, Dietmar: Vereinigte Wohnstätten 1889 eG
1889-1989. 100 Jahre genossenschaftlicher Wohnungsbau, Kassel 1989.
Schulz, Hartmut: Altstadtsanierung in
Kassel. Stadtumbau und erhaltende Stadterneuerung vor dem Zweiten Weltkrieg
(Schriftenreihe des Fachbereichs Stadtplanung / Landschaftsplanung der
Gesamthochschule Kassel GhK, Bd. 6), Kassel 1983.
Warlich-Schenk, Brigitte:
Kulturdenkmäler in Hessen, Stadt Kassel III, hg. vom Landesamt für
Denkmalpflege Hessen (Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland), Wiesbaden
2008.
Wiegand, Thomas: Kulturdenkmäler in
Hessen, Stadt Kassel II, hg. vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen
(Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland), Wiesbaden 2005.
Wichtige
Zeitungsartikel in chronologischer Reihenfolge:
Schwab, Ellen: Modehaus statt Medizin.
Geschäftshaus am Königsplatz vor dem Verkauf – Mieter
müssen bis Jahresende raus, in: HNA vom 26. Febr. 2009.
Dies.: Nicht alle wollen gehen. Mieter
müssen Henschelhaus am Königsplatz bis Ende des Jahres räumen,
in: HNA vom 4. März 2009.
Dies.: Das Modehaus kommt.
Geschäftshaus am Königsplatz verkauft – Peek & Cloppenburg
will dort einziehen, in: HNA vom 23. Juni 2009.
Dies.: OB: Innenstadt gewinnt mit
P&C-Modehaus, in: HNA vom 25. Juni 2009.
Hein,
Christina: Trotz Denkmalschutz: Häuser sollen weichen.
Königsplatz: Peek-&-Cloppenburg-Neubau erfordert Platz, in: HNA vom
21. Juli 2009.
Dies.:
Noch ist Zeit. Christina Hein über Abrisspläne in der City
(Kommentar), in: HNA vom 21. Juli 2009.
Siemon,
Thomas: Widerstand gegen
Abriss. Letzte Erinnerung an das Brühlsche Haus, das als Perle des Rokoko
galt, in: HNA vom 21. Juli 2009.
Hein,
Christina: Denkmalschutz wird geopfert. Internet-Reaktionen auf
Abrisspläne im Zentrum, in: HNA vom 22. Juli 2009.
Gehlen,
Göran: Grüne: Neues Kaufhaus mit Solarfassade, in: HNA vom 23.
Juli 2009.
Hein,
Christina: Protest gegen den
Abriss des Henschelhauses, in: HNA vom 25./26. Juli 2009.
Schwab, Ellen: „Wir kennen die Verlustgefühle“. Kassels
Denkmalschützer Dietmar Taubert im Interview über den Abriss des
Henschelhauses, in: HNA vom 25./26. Juli 2009.
Hein, Christina: Abrisspläne
empören viele. Engagement für den Erhalt des Henschelhauses: 500
Unterschriften in vier Tagen, in: HNA vom 29. Juli 2009.
Siemon, Thomas: „Das ist eine
Schande“ Hand Germandi hält den drohen Abriss des Henschelhauses
für einen Frevel, in: HNA vom 30. Juli 2009.
Lange, Thomas: Haus soll bleiben.
Bürger machen gegen Abriss mobil, in: Extra-Tip vom 2. August 2009.
Einsatz
für Henschelhaus. Protestaktion gegen Abrisspläne startete auf
Rathaustreppe, in: HNA vom 8. August 2009.
Denkmalschutz
bestattet, in: Extra-Tip vom 9. August 2009.
Siemon, Thomas / Steinbach, Jörg: „Die Fassade wird
erhalten“. Zusage von Baudezernent Witte: Komplette Front des
Henschel-Hauses bleibt trotz Neubaus, in: HNA vom 12. August 2009.
Hagemeier, Uli: Respekt vor dem Alten
(Kommentar), in: HNA vom 12. August 2009.
Siemon, Thomas: Henschel-Haus: Stadt
sagt Ja zu Vorfrage, in: HNA vom 13. August 2009.
Ditzel, Wilhelm / Siemon, Thomas: 1840 Unterschriften
für den Erhalt des Henschelhauses. Diskussion im Rathaus führt nicht
zur Aufweichung der Standpunkte, in: HNA vom 14. August 2009.
Siemon, Thomas: SPD: Front des Hauses
erhalten. Henschelhaus: Fassade soll bleiben, in: HNA vom 17. August 2009.
Lange, Thomas: Modehaus statt
Denkmalschutz? in: Extra-Tip vom 19. August 2009.
Schwab, Ellen: Görtz verlässt
kleine Meile. Wilhelmsstraße kämpft mit sinkenden Besucherzahlen und
feilt weiter am Profil, in: HNA vom 26. August 2009.
Seidenfaden,
Horst: Auf zum Rundgang! (Kommentar über das alte Kassel), in: HNA vom 22.
Oktober 2009.
Hein,
Christina: Adieu, Henschelhaus. Mieter verlassen historisches Gebäude am
Königsplatz – Initiative kämpft weiter für den
Erhalt, in: HNA vom 22. Oktober 2009.
Gehlen,
Göran: Abriss ist rechtens, in: HNA vom 24. Oktober 2009.
Hein,
Christina: Infos zum Henschelhaus. Bürgerinitiative bekommt
Unterstützung vom Kultur-Netz Kassel und von der FDP, in: HNA vom 30.
Oktober 2009.
Dies.:
Wegner hält Vortrag über Henschelhaus, in: HNA vom 2. November 2009.
Dies.:
Innenleben ist unbekannt. Denkmalbeirat traf Entscheidung ohne
Besichtigung – Grüne wollen Ortsbegehung, in: HNA vom 5. November
2009.
Dies.:
Fachleute aus Denkmalbeirat gekegelt, in: HNA vom 5. November 2009.
Dies.:
4000 Kasseler unterschrieben gegen Abriss, in: HNA vom 5. November 2009.
Hagemeier,
Uli / Hein, Christina: Soll
das Henschelhaus weichen? Eine Pro- und Kontra-Diskussion zum Thema Innenstadtqualität
in Kassel, in: HNA vom 5. November 2009.
Steinbach,
Jörg: Der Abriss ist genehmigt. Henschelhaus: Stadtbaurat Norbert Witte
(CDU) weist Kritik zurück, in: HNA vom 7. November 2009.
Hein,
Christina: Initiative schaltet Land Hessen ein. Petition soll jetzt
Henschelhaus-Abriß stoppen, in: HNA vom 28. Januar 2010.
Lange,
Thomas: Häuserkampf geht weiter. Henschelhaus: Petition
eingereicht, in: Extra-Tip vom 31. Januar 2010.
Schwaab,
Ellen: Abriss als letzter Ausweg. Verwaltunsggericht: Kosten für
Sanierung historischer Hofanlage nicht zumutbar, in: HNA vom 10. Februar 2010.
Dies.:
Das Buch zumachen (Kommentar), in: HNA vom 10. Februar 2010.
Hein,
Christina: Das Henschelhaus wird abgerissen. Petition der BI für
den Erhalt wurde abgewiesen, in: HNA vom 23. März 2010.
Hein,
Christina / Schwaab, Ellen:
Helles Kleid für neues Modehaus. Historischer Teil des Henschelhauses wird
rekonstruiert, in: HNA vom 26. März 2010.
Schwaab,
Ellen: „Rekonstruktion oder Neubau“. Arbeitskreis für
Denkmalschutz kritisiert Entwurf für Henschelhaus-Fassade, in: HNA vom 30.
März 2010.
(Redaktion Extra-Tip:)
„Größtmögliches Übel!“ Arbeitskreis
Denkmalschutz entsetzt über Neubaupläne am Königsplatz, in:
Extra-Tip vom 7. April 2010.
Pflüger-Scherb, Ulrike: Henschelhaus – Der
Abriss hat begonnen, in: HNA vom 27. April 2010.
Dies.:
Gemischte Gefühle am Zaun. Viele Passanten verfolgen die
Abbrucharbeiten am Henschelhaus, in: HNA vom 27. April 2010.
Schwaab,
Ellen: Grünes Licht für Modehaus am Königsplatz [Bericht
über die Ortsbeiratssitzung Mitte vom 22. April 2010], in: HNA vom 27.
April 2010.