Im Namen des Arbeitskreises für Denkmalschutz und Stadtgestalt Kassel

 

Träger des Arbeitskreises sind:

Gesellschaft für Kultur- und Denkmalpflege / Hessischer Heimatbund, Niederhess. Zweigverein Kassel e.V.

Verein für Hessische Geschichte und Landeskunde e.V., Zweigverein Kassel

Verein Freunde des Stadtmuseums Kassel e.V.

 

Neubauprojekt Königsplatz 55 und Wolfsschlucht 24-24a:

Die möglichen Folgen für den Königsplatz und

der beabsichtigte Abbruch eines eingetragenen Kulturdenkmals

 

 

 

(Stand: 2. Mai 2010)

 

 

Teil I: Ausgangslage und Problemstellung 2

 

Teil II: Die Chronologie der Ereignisse; 17 öffentliche Diskussion und weitere Hintergründe 17

1a) Die Stellungnahmen der Stadtverwaltung 18

1b) Anmerkungen dazu; die Frage des Denkmalschutzes 20

2) Erste Reaktionen auf die Abbruchpläne 25

3a) Stellungnahme der Unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt Kassel 26

3b) Anmerkungen dazu; die baugeschichtliche Einordnung des Gebäudes 28

4) Weitere Reaktionen 35

5a) Nachtrag zur Gebäudegeschichte: Bauherr und Nutzung 36

5b) Ein prominenter Mieter: der Rechtsanwalt Dr. Max Plaut 37

6) Weitere Reaktionen, mit Stellungnahmen des Stadtbaurats und der Unteren Denkmalschutzbehörde 40

7) Nachtrag zur Gebäudegeschichte: Architekt und Hintergründe des Baues 42

8) Weitere Reaktionen und Stellungnahme des Stadtbaurats 49

9) Denkmalbeirat und Stadtverordnete 58

10. Das Ende 66 - und ein Fassadennachbau, der keiner ist

 

Literatur 78

 

 

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Teil I: Ausgangslage und Problemstellung

 

 

20. Juni 2009:

 

Im Februar und März 2009 berichtete die HNA über Neubaupläne am Königsplatz: Der Gebäude­komplex an der Ecke Königsplatz / Kölnische Straße / Wolfsschlucht soll durch ein Kaufhaus einer Hamburger Modekette ersetzt werden (Peek & Cloppenburg).

Investoren und Projektentwickler sollen sich im Rathaus bereits nach den Bedingungen für einen Abriss des Gebäudes am Königsplatz erkundigt haben, von dem aus Denkmalschutzgründen die hintere Fassade erhalten bleiben muß. (HNA vom 26.2.2009) Die Mieter müssen bis Ende des Jahres ausziehen (vgl. auch HNA vom 4.3.2009).

 

Was bedeutet dies für den Königsplatz und das Kasseler Stadtbild? Noch sind keine Entwürfe bekannt geworden; aber bereits die Absicht, ein eingetragenes Kulturdenkmal (!) zu erwerben, um es bis auf die Fassade abzubrechen, läßt aufhorchen.

 

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Wolfsschlucht 24a, Hauseingang

 

 

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Königsplatz 55

 

(zum Vergrößern der Bilder bitte mit der Maus auf das jeweilige Bild klicken)

 

 

 

Betrachten wir zunächst die einzelnen Teile des Gebäudekomplexes:

 

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Königsplatz 53 und 55 bilden eine geschlossene Baugruppe, was auch dem originalen Konzept des Platzes entspricht:

 

 

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Der Königsplatz um 1900 (historische Postkarte), in der Bildmitte die Häuser Nr. 53-55

 

Der Königsplatz wurde angelegt, nachdem 1767 mit der Schleifung der alten Stadtbefestigung begonnen worden war.

Die Kreisform vermittelt dabei zwischen der Achse Kölnisches Tor – An der Garnisonkirche und der breiten Königsstraße, welche sich etwa im Winkel von 58° schneiden.

 

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Stadtplan von 1781 (Ausschnitt)

Das heutige Grundstück Königsplatz 55 / Wolfsschlucht 24-24a ist rot hervorgehoben.

 

 

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Rekonstruktion der ursprünglichen Planung (Skizze: Verf.):

oben: Königsplatz 32-34 (heute Standort der Commerzbank), 53-55, 57-59, 61

unten: Königsplatz 61 (heute Standort des City Point), 38-42, 36-36b (mit Garnisonkirche dahinter), 32-34.

 

Die Achse Kölnisches Tor – An der Garnisonkirche ist dabei die Hauptachse:

Die beiden baugleichen Hallengebäude für Manufakturen und einzelne Gewerbetreibende (heute Nr. 36-36b und Nr. 38-42) rahmten sie den Zugang in die alte Kernstadt symmetrisch ein; mit ihrer geringeren Höhe und den nach hinten abfallenden Pultdächern nahmen sie Rücksicht auf die kleinteilige Bebauung der tieferliegenden Kernstadt und auf die Höhenverhältnisse der Garnisonkirche. Eingefaßt wurden die Hallen durch das Palais Hessen-Rotenburg (Nr. 32) und das neue Postgebäude (Nr. 61), während auf der Westseite vier Privathäuser errichtet wurden.

Dabei waren das Palais Hessen-Rotenburg (mit der Hauptfront an der Königsstraße) und die Post (mit der Hauptfront am Königsplatz) gegensätzlich konzipiert; die übrige Bebauung bildete die Überleitung:

1.)     Palais: Seitenbetonung / Post: Mittelbetonung

2.)     Palais: 2 Vollgeschosse, 1 Halbgeschoß / Post 3 Vollgeschosse

Auf der Westseite entspricht die Seitenbetonung der Wohnhäuser dem Palais, die Geschoßfolge der Post; auf der Ostseite entspricht dagegen die Mittelbetonung der Hallen dem Postgebäude und die Geschoßfolge dem Palais.

 

Zusätzlich leitet die Randbebauung gelenkartig aus der Kernstadt in die Achse der Königsstraße über:

Westlich der Königsstraße werden die Häuser Nr. 57-59 als Mittelstück dieser Platzhälfte umgedeutet: ihre Mitte ist durch den Balkon und den kleinen Aufbau im Dach zusätzlich betont, und die reichen Fassadendekorationen von Nr. 55 bilden ein Gegenstück zur Post; der Baublock wird damit beidseitig von ähnlichen Fassaden eingefaßt. Balkon und Aufbau werden in die oben genannte Überleitung zwischen Palais und Post einbezogen: Die Post hat ebenfalls einen Balkon in der Mitte, während der kleine Dachaufbau an jeder Seite einmal erscheint; Mittel- und Seitenrisalite sind damit gewissermaßen vertauscht.

 

Jedes Platzsegment ist in sich einheitlich gestaltet, die ganze Randbebauung ist aufeinander abgestimmt, wobei hier nur die wichtigsten Aspekte aufgeführt sind. Städtebau und Architektur sind untrennbar miteinander verbunden.

 

 

 

Der Königsplatz selbst ist ein eingetragenes Kulturdenkmal, so daß die Randbebauung auch weiterhin den grundsätzlichen Charakter der Anlage zu wahren hat. Dazu gehört vor allem, daß die Gebäude in Höhe, Fenster­anordnung und Dachform aufeinander abgestimmt sind: Denn gerade darin unterscheidet sich ja die Plan­stadt des 18. Jh. mit ihrer regelmäßigen Kreisform und der durchgeplanten Architektur von den unregelmäßigeren mittel­alterlichen oder historistischen Stadtanlagen mit ihrer individuellen Bebauung; beide Planungsansätze sind dabei grundverschieden und nicht miteinander ver­ein­bar.

 

Da sich am Königsplatz die Größenmaßstäbe der Randbebauung seit dem späten 19. Jahrhundert grundlegend verändert haben, kann die ausgefeilte Planung aus der Zeit um 1770 zwar nicht mehr als Grundlage dienen, aber auch die Wieder­aufbauzeit der 1950er Jahre hat das Wesen des Platzes noch erkannt und war bemüht, die einzelnen Gebäude aufeinander abzu­stimmen; gerade die beiden Häuser Königsplatz 53 und 55 sind dafür besonders beispielhaft:

-          einheitliche Höhen in der Fensteranordnung (jeweils bei größeren Fenstern im 1. Obergeschoß, die Fenster im 2. und 3. Obergeschoß dagegen identisch)

-          Betonung der horizontalen Gliederung (bei regelmäßig und achsial angeordneten Fenstern)

-          flache Walmdächer mit gleicher Neigung, bei gleicher Traufhöhe

-          das oberste Geschoß zurückspringend, hinter einer regelmäßigen Stützenreihe, bei gleicher Brüstungshöhe beider Häuser

-          Betonung der Blockecken durch breite Wandscheiben

-          flaches Vordach über dem Erdgeschoß

Dies wären auch die Mindestanforderungen, die an einen Neubau innerhalb dieser Baugruppe zu stellen sind, wobei noch weitere Forderungen zur Fassadengestalt (Materialität etc.) zu formulieren wären;  jedoch dürfte die geplante Nutzung als Kaufhaus mit den vorhandenen Geschoßhöhen des Bürohauses unvereinbar sein, ein Aufsprengen der Baugruppe ist damit zu befürchten.

 

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Dies wäre die Wirkung einer höheren Baumasse; droht etwas Ähnliches?

 

 

 

Das Gebäude Wolfsschlucht 24-24a:  

 

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Das Haus Wolfsschlucht 24-24a wurde 1921 anstelle eines Nebengebäudes von Königsplatz 55 errichtet (vgl. hierzu im Kasten unten). Die Fassade paßte man damals an das Hauptgebäude an, dessen Aufriß und Dekorationen genau übernommen wurden; sogar die Tür folgt mit ihren Schnitzereien dem Vorbild des Originals.  – Diese Vorgehensweise war in den 20er und 30er Jahren in Kassel durchaus üblich; Beispiele waren u. a. das städtische Gebäude Marställer Platz 1 (um 1929), das mit dem Nachbar­haus Schloßplatz 17 (um 1771) eine Baugruppe bildete (Marställer Platz 1 wurde nach Kriegszerstörungen vereinfacht und ist ohne Mansarddach und Zwerchhaus noch erhalten), sowie die Randbebauung des Freiheiter Durchbruchs (ab 1934), die sich bewußt in die Struktur der Altstadtbebauung einfügen sollte.

Im Zweiten Weltkrieg wurde das Hauptgebäude Königsplatz 55 zerstört, ebenso das Satteldach des Anbaus; das heutige (Schein-)Mansarddach ist erst ein Ergebnis des Wiederaufbaus. Leider wurden nach 1945 auch die z. T. schadhaften Schmuckformen über den Fenstern des unteren Geschosses beseitigt, mit Ausnahme der Schlußsteine über den Türen. Außerdem wurden große Schaufenster im Unter­­geschoß zur Kölnischen Straße eingebrochen, doch erfolgte dort erst vor wenigen Jahren ein einfühl­samer Umbau, bei dem sogar die neue Ladentür in den Rokokoformen der Haustür gestaltet wurde.

 

 

 

Königsplatz 55 war das Wohnhaus des Hofstukkateurs Johann Michael Brühl, der u. a. die Stukkaturen im Wilhelmsthaler Schloß geschaffen hat. Das Gebäude mit seinen reichen Dekorationen an der Fassade und im Inneren galt als das bedeutendste Rokoko-Wohnhaus nördlich des Mains; über dem Eingang im Seitenrisalit war die Datierung „1770“ zu lesen.

 

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Zustand in den 1930er Jahren

(Kramm, Kassel, Wilhelmhöhe, Wilhelmsthal, Abb. 49)

 

 

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Der Risalit um 1910

(Holtmeyer, Alt-Cassel, Tafel 72)

 

 

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Der Zwerchgiebel über dem Risalit um 1910

(Holtmeyer, Cassel-Stadt, Tafel 439)

 

 

 

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Die beiden Eingänge an der Hauptfassade um 1910

(Holtmeyer, Cassel-Stadt, Tafel 438,1 und 3)

 

 

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Fassadendetail der Hauptfassade in den 1930er Jahren

(Kramm, Kassel, Wilhelmshöhe, Wilhelmstal, Abb. 50)

 

Die Farbfassung im 20. Jh. entsprach vermutlich nicht mehr dem Original; die drei Putzebenen waren ursprünglich wohl folgendermaßen differenziert: Die Hauptebene wurde durch die großen Rahmen in den beiden Obergeschossen gebildet; sie war ebenso weiß (oder in einem sehr hellen Gelbton) gestrichen wie das Nachbarhaus. Ebenso wie am Nachbarhaus hoben sich davon die Fensterumrahmungen (vermutlich) in einem Grauton ab; in gleicher Weise werden auch die Gesimse und das Erdgeschoß gestrichen gewesen sein, sowie der kleine Sockel über dem Gurtgesims. Die Spiegelflächen wiesen dagegen einen Rauhputz auf und dürften farblich abgesetzt gewesen sein: entweder in einem intensiveren Gelb oder in einem anderen Pastellton. Die figürlichen und ornamentalen Dekorationen sind in einem weiteren Farbton anzunehmen, so daß ein lebhaftes Gesamtbild entstand. Die älteren Photographien aus dem späten 19. Jh. dürften noch weitgehend diesem originalen Zustand nahekommen.

 

 

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Ansicht im späten 19. Jh.

(Köttelwesch, Rundgang, S. 26; Ausschnitt)

 

 

 

Auch wenn der Anbau keine Originalsubstanz des 18. Jh. ist, hat das Gebäude für Kassel doch eine hohe wissenschaftliche, künstlerische, geschichtliche und städtebauliche Bedeutung: Zum einen legt es Zeugnis ab für eine Bauauffassung der Zwischenkriegszeit, die um Anpassung an den historischen Baubestand bemüht war und städtebauliche Einheiten und Baugruppen anstrebte. Zum anderen überliefert diese Bauauffassung noch heute die Architekturformen bedeutender, aber zerstörter Original­bauwerke - und zwar exakter, anschaulicher und handgreiflicher als jede Photographie oder jede Zeich­nung dies vermag!

Im Falle von Wolfsschlucht 24/24a haben die Proportionen der Fenster, die Ab­güsse der originalen Konsolen unter den Fenstern und die getreuen Nach­schöpfungen der übrigen Dekorationen (Schluß­steine und Schmuckformen über den Fenstern, sowie die Tür­schnit­zereien) damit zugleich einen hohen doku­mentarischen Wert, zumal genaue Bauaufnahmen des zer­störten Brühlschen Hauses nicht erhalten sind. Darüber hinaus ist das Gebäude auch für das historische Bewußtsein der Bürger und für die Identität der Stadt von hohem Wert, zumal es an einer städte­baulich markanten Kreuzung steht und zugleich an den neugeschaffenen Lyceumsplatz grenzt.

In der Denkmaltopographie der Stadt Kassel, Bd. I, S. 107, steht dementsprechend auch unter Wolfs­schlucht 24, 24A: „Kulturdenkmal aus künstlerischen und städtebaugeschichtlichen Gründen.“

 

 

Bei einem Kaufhausneubau sind erfahrungsgemäß jedoch folgende Schwierigkeiten zu erwarten:

1.)    Ein Abbruch des Gebäudes unter Erhalt der Fassade (vgl. HNA vom 26.2.2009) ist mit erheblichen statischen Problemen verbunden und dürfte durch die Erschütterungen den Fassadenschmuck schädigen. Es muß damit gerechnet werden, daß Außenmauer und Dekorationen diese Maßnahme nicht überstehen.

2.)    Die erforderliche Tiefgründung des Neubaus stellt eine weitere große Gefährdung der Mauer dar und kann ebenfalls zum Totalverlust führen.

3.)    Die Geschoßhöhen sind wiederum nicht mit der diskutierten Nutzung vereinbar. Es ist zu befürchten, daß die Fenster in Blindfenster umgewandelt werden, und daß die Fassade zu einem reinen Versatz­stück vor einem deutlich höheren Baukörper degradiert wird (im Gegensatz dazu wäre aber eher die Wiederherstellung des ursprünglichen Satteldaches wünschenswert!). 

4.)    Falls die Fassade abgebrochen und wieder neu aufgebaut wird, ist fraglich, ob sie in den Maßen und der Höheneinmessung auch wieder dem Original entspricht. Dies gilt bei einem derartigen Investi­tions­­­bau erst recht für die Schmuckformen, bei denen eine beschädigungsfreie Abnahme und Wieder­anbringung nur mit großem Aufwand möglich sein dürfte.

 

 

 

Vor allem aber sind grundsätzliche Fragen des Denkmalschutzes zu berücksichtigen:

1.)    Es handelt sich immerhin um ein wichtiges, eingetragenes Kulturdenkmal, das sich in gutem Zustand befindet, bislang mit gut funktionierender Nutzung. Ein Ab­bruch würde einen weiteren Präzedenzfall schaffen (vgl. bereits den Abbruch der Reste des Palais Reichen­bach 2006) und wäre ein Rückfall in die 1950er bis 70er Jahre, als man bedenkenlos erhaltene historische Bausubstanz opferte.

2.)    Der Abbruch eines historischen Gebäudes unter bloßem Erhalt der Fassade bewegt sich auf dem schmalen Grat eines Kulissendenkens; die zeitgenössische Denkmalpflege hat hier zurecht große Vorbehalte, da ein Gebäude als Gesamtheit aufzufassen ist.

3.)    Ein Abbruch und Neuaufbau der Fassade wäre gleichbedeutend mit dem Totalverlust des Kultur­denkmals; es entstünde eine bloße Kopie, die keinen Denkmalstatus mehr beanspruchen kann (und bei einem nächsten großen Neubau deshalb sogar ohne Schwierigkeiten ersatzlos abgebrochen werden könnte.)

 

 

Es bleibt zu fragen: Wie wird sich die Kasseler Stadtpolitik gegenüber einem zahlungskräftigen Investor und dem Versprechen vieler neuer Arbeitsplätze verhalten (die wohl doch nur wieder an anderer Stelle dem Verdrängungswettbewerb zum Opfer fallen werden)? Wird der Hessische Denkmalschutz seine Zustim­mung zu einem Abbruch verweigern oder wird er eine Konfrontation mit der Politik zu vermeiden suchen? Es wäre zu wünschen, daß die Entscheidungen diesmal im Sinne des Kasseler Stadtbildes und des historischen Erbes gefällt werden; daß der Königsplatz wenigstens den Abglanz seiner einstigen Geschlossenheit behält, und daß Wolfsschlucht 24-24a auch noch in Generationen daran erinnern wird, daß mitten in Kassel einmal das bedeutendste Rokokowohnhaus nördlich des Mains stand.

 

 

 

 

26. Juni 2009:

 

Am 23. Juni berichtete die HNA, daß ein Projektentwickler aus Berlin den Gebäudekomplex erworben habe, der sich aber noch nicht zu seinen Plänen äußern möchte. Als Mieter werde Peek & Cloppenburg einziehen und auf einer Verkaufsfläche von 6000m² sein gesamtes Sortiment anbieten. Von einem Weltstadtkaufhaus mit exklusiver Mode für die gesamte Familie ist die Rede, von eleganten Bodenbelägen aus Eichenparkett und Naturstein. Einzelheiten wie die Zahl der Arbeitsplätze und die Höhe der Investitionen waren gestern aber nicht zu erfahren. Die Eröffnung sei für 2011 geplant.

Am 25. Juni erschien in der HNA eine Stellungnahme des Oberbürgermeisters Bertram Hilgen; die Ansiedlungspläne zeigten, daß es sich lohne, in die Innenstadt zu investieren. Das Vorhaben sei für ihn auch eine Bestätigung der Linie der Stadt, sich gegen große Einzelhandelszentren auf der Grünen Wiese auszusprechen und diese wenn möglich zu verhindern. Mit der Ansiedlung des Modehauses gewinne die Innenstadt Kassels an Attraktivität; es werde die Besucherzahl in der Innenstadt weiter erhöhen und viele Menschen aus dem Umland zusätzlich anziehen. Die damit verbundene höhere Kaufkraftbindung nutze allen Einzelhändlern der Innenstadt, denn das Sortiment runde das bestehende Angebot sinnvoll ab. – Die Stadt habe das Vorhaben positiv begleitet. Sie lege Wert darauf, dass sich das Konzept am Standort des ehemaligen Henschelhauses architektonisch harmonisch einfüge. Er gehe davon aus, dass Peek & Cloppenburg in enger Abstimmung mit der Bauverwaltung das Projekt am Königsplatz verwirkliche.

 

Die genannte Verkaufsfläche von 6000m² bietet einen Anhaltspunkt für die Dimensionen des Bau­projekts: Die Grundstücksfläche beträgt etwa 1500m², so daß mindestens von einer viergeschossigen Ausnutzung auszugehen ist – zuzüglich Lagerräume, Verwaltung, Nebenräume für das Personal und weitere Läden: Denn gemäß HNA vom 26.2.2009 hatte sich z. B. der Optikerladen „Die Brille“ bereits vertraglich die Rückkehr an den alten Standort nach Fertigstellung des Neubaus gesichert.

Bei einer geschickten Planung und Ausnutzung von Tiefgeschossen unter jetzigem Vorderhaus und Innenhof dürfte dieses Volumen sogar mit einem Erhalt des Kulturdenkmals und einer Einhaltung der Höhenverhältnisse am Königsplatz vereinbar sein; eine Möglichkeit bieten hier z. B. versprin­gen­de Ebenen zwischen einem Gebäudekern und vorgelagerten Galerien zu Königsplatz / Kölnischer Straße, welche den Blick auf den Platz ermöglichen und die bestehende Höhengliederung der Fassade berück­sichtigen, sowie eine geschickte Raumverteilung zum Erhalt des Altbaus (z. B. Verwaltung und Personalräume im niedrigeren obersten Geschoß des historischen Gebäudes, die genannten Läden im Erdgeschoß zur Kölnischen Straße (jetziges Ladenlokal) und ebenerdig zur Wolfsschlucht).

Hierzu bedürfte es jedoch dreier Voraussetzungen: Erstens klare Vorgaben seitens der Stadtverwaltung (wobei die Forde­rung des Oberbürgermeisters nach harmonischer Einfügung zumindest eine Sensibilität für das Problem erkennen läßt); zweitens die Bereitschaft und Kreativität der planenden Architekten, das Kulturdenkmal einzubeziehen und den Neubau am Königsplatz auch tatsächlich sensibel in die vorgegebenen Strukturen einzupassen; und drittens die Bereitschaft des Investors, mögliche Mehrkosten für eine städtebaulich und denkmalpflegerisch gute Lösung inkauf zu nehmen.   

 

 

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Der Arbeitskreis für Denkmalschutz und Stadtgestalt befaßte sich in seiner letzten Sitzung am 25. Juni wiederholt ausführlich mit dem Thema. Er nimmt die Zeitungsmeldungen erneut mit Sorge zur Kenntnis; mit dem Ensemble Königsplatz 53-55 sei gerade die qualitätvollste Wiederaufbauleistung der Nachkriegszeit innerhalb der Platzrandbebauung von den Planungen betroffen. Um die Harmonie des Platzes zu bewahren, seien bei einem Neubau die genaue Einhaltung der bestehenden Höhenverhältnisse (Vordach, Fenster, Traufe) einschließlich des zurückgesetzten obersten Geschosses und der Dach­neigung, eine regelmäßige Fassadengliederung und eine dem Platz angemessene Materialität (Verputz oder Platten- bzw. Fliesenverkleidung) die Grundvoraussetzungen (vgl. die oben bereits ausführlicher formulierten Anforderungen). Einem Abbruch des Gebäudes Wolfs­schlucht 24-24a, welches als qualitätvolle Nachschöpfung der 1920er Jahre mit seinen Fassadendekorationen und Ausstattungsdetails (Eingangs­tür) stadtbildprägend an das bedeutende Brühlsche Haus erinnere, dürfe nicht zugestimmt werden; ebenso sei eine Aufstockung abzulehnen, da sie die beiden Geschosse an der Wolfsschlucht, welche den Obergeschossen des Brühlschen Hauses entsprechen, zum Sockel eines Neubaus degradieren und unvermeidlich den Charakter des Gebäudes beeinträchtigen würde.   

 

 

 

 

 

Teil II: Die Chronologie der Ereignisse;

öffentliche Diskussion und weitere Hintergründe

 

 

1a) Die Stellungnahmen der Stadtverwaltung 18

1b) Anmerkungen dazu; die Frage des Denkmalschutzes 20

2) Erste Reaktionen auf die Abbruchpläne 25

3a) Stellungnahme der Unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt Kassel 26

3b) Anmerkungen dazu; die baugeschichtliche Einordnung des Gebäudes 28

4) Weitere Reaktionen 35

5a) Nachtrag zur Gebäudegeschichte: Bauherr und Nutzung 36

5b) Ein prominenter Mieter: der Rechtsanwalt Dr. Max Plaut 37

6) Weitere Reaktionen, mit Stellungnahmen des Stadtbaurats und der Unteren Denkmalschutzbehörde 40

7) Nachtrag zur Gebäudegeschichte: Architekt und Hintergründe des Baues 42

8) Weitere Reaktionen und Stellungnahme des Stadtbaurats 49

9) Denkmalbeirat und Stadtverordnete 58

10. Das Ende 66 - und ein Fassadennachbau, der keiner ist

 

Literatur 66

 

 

 

 

 

 

 

1a) Die Stellungnahmen der Stadtverwaltung

 

21./22. Juli 2009:

Im Namen des Arbeitskreises für Stadtgestalt und Denkmalschutz hatte der Verf. je ein Schreiben an Oberbürgermeister Bertram Hilgen, den Kulturdezernenten und Bürgermeister Thomas-Erik Junge und den Stadtbaurat Norbert Witte gerichtet (jeweils mit Datum vom 4. Juli 2009). Die Antworten seien im Auftrag des Arbeitskreises im Folgenden mitgeteilt:

 

Bürgermeister Junge (Schreiben vom 10. 7. 2009) erläuterte zunächst die Hintergründe der städtischen Entscheidungen:

Dieses Projekt, dessen Entwicklung seit nahezu zwei Jahren betrieben wird, wurde in seinen verschiedenen Entwicklungsstufen mehrfach im Denkmalbeirat intensiv diskutiert. Dabei war zwischen denkmalpflegerischen, städtebaulichen, stadtentwicklungspolitischen und wirtschaftlichen Interessen abzuwägen. Es wurde eine Arbeitsgruppe des Beirats gebildet, die sich intensiv mit den Planüberlegungen beschäftigte und dem Beirat eine Beschlussempfehlung vorlegte, die beraten und mir Modifikationen beschlossen wurde. Dieser Beschluss des Beirats wurde in die Stellungnahme der Unteren Denkmalschutzbehörde zu der inzwischen vorliegenden Bauanfrage vollständig aufgenommen. Zum Königsplatz hin wurde größter Wert darauf gelegt, dass die beiden Gebäude dieses Platzsegments wieder eine maßstäbliche Einheit bilden. Dazu sollen die wesentlichen horizontalen Gliederungselemente (Vordach, Trauflinie, First) aufgenommen, die Anschlüsse an das Nachbargebäude gestalterisch angepasst werden, ein ausgewogenes Verhältnis von geschlossenen und verglasten Flächen anzustreben ist und eine scharfkantige Ecke zur Kölnischen Straße ausgebildet wird. Für die Gestaltung der Fassaden des neuen Kaufhauses wird ein beschränkter Architektenwettbewerb ausgelobt werden.

[Erläuterungen des Verf.: Dabei handelt es sich allerdings eher um Minimalanforderungen; das charakteristische Staffelgeschoss hinter einer regelmäßigen Stützenreihe, welches bislang beide Gebäude nach oben abschließt, bräuchte damit ebensowenig berücksichtigt zu werden, wie eine einheitliche Höhenentwicklung der Fenster von Königsplatz 53 und 55, welche bislang ebenfalls prägend für den Baublock ist. Eine scharfkantige Gebäudeecke verhindert lediglich Rundungen wie am City-Point, eine markante Wand­scheibe, wie sie für die 50er-Jahre-Gebäude am Platz charakteristisch ist, würde nicht gewähr­leistet. – Ein „beschränkter Architektenwettbewerb“ bedeutet, daß gezielt einzelne Architektur­büros eingeladen werden, im Gegensatz zu einem offenen Wettbewerb.]

Die Einbeziehung des Hauses Wolfsschlucht 24-24a wurde intensiv beraten und diskutiert. Auch die denkmalpflegerische Wertigkeit wurde mit dem Landesamt für Denkmalpflege Hessen im Beirat diskutiert. Es war von Vornherein klar, dass die Anforderungen an ein neues Kaufhaus im Bezug auf die erforderlichen Geschosshöhen nicht vereinbar sind und hier ein Hauptkonfliktpunkt besteht. Da das Gebäude im Innern bereits so stark verändert worden war und denkmalpflegerische Originalsubstanz nicht mehr vorhanden ist, wurde, im klaren Bewusstsein, das dies denkmalpflegerisch grenzwertig ist, nunmehr der Erhalt der Fassade und des Mansarddaches gefordert.

[Anmerkung: Das Mansarddach könnte sogar problemlos zur Disposition gestellt werden, da es erst aus dem Wiederaufbau stammt. Die ursprüngliche Dachform, deren Wiederherstellung sogar wünschenswert wäre, war – wie beim Brühlschen Haus – ein Satteldach.]

Bei genauen Höheneinmessungen wurde festgestellt, dass das Fundament des Gebäudes oberhalb der Platzebene des Königsplatzes liegt und selbst dann unterfangen werden müsste, wenn das neue Kaufhaus kein Untergeschoss bekäme. Nachdem seriöse Kostengegenüberstellungen verschiedener Gründungs- und Sicherungsmaßnahmen sowie einer detailgetreuen Rekonstruktion vorgelegt und überprüft wurden, beschloss der Denkmalbeirat, dass auch die Variante eines Abbruchs der Wand mit Bergung und Wiederverwendung der Zierstuckelemente inklusive der denkmalpflegerisch wertvollen Türen und anschließender Rekonstruktion möglich sein soll.

Allen Beteiligten ist bewusst, dass das Denkmal damit formal verloren sein wird, durch die Rekonstruktion der Fassade und des Daches ein Stück des gewohnten Stadtbildes wieder hergestellt wird.

 

In ähnlicher Weise antwortete auch Stadtbaurat Witte zur Einpassung in die Königsplatz-Randbebauung und zum Abbruch:

Dazu möchte ich sagen, dass in der heutigen Zeit grundsätzlich bei jedem Neubauvorhaben – mit seinen neuen technischen bedingten Geschoßhöhen und der geforderten technischen Ausstattung sowie dem wirtschaftlich erforderlichen Flächenumfang – eine gewisse Diskrepanz zwischen den Zielen der Investoren und der bestehenden Baustruktur (Stadtbild) bestehen bleiben wird.

Der Ansiedlungswille des Kaufhauses P&C ist in diesem aktuellen Fall seitens der Investoren öffentlich bekundet und grundsätzlich von der Stadt Kassel unterstützt worden, was jedoch auch, da stimme ich mit Ihnen überein, zu Schwierigkeiten bei der baulich-gestalterischen Einfügung an diesem exponierten Standort führen kann. In dieser Problematik gilt es möglichst behutsam abzuwägen.

An den baulichen Überlegungen ist die Denkmalschutzbehörde beispielsweise von Beginn an beteiligt worden und wird auch weiterhin im Verfahren zur Verfügung stehen. Sie hält einen Abriss des Gebäudes Wolfsschlucht 24 mit einem Wiederaufbau der Fassade für möglich.

In einem Fassadengutachten, das mit fünf renommierten Architekturbüros durchgeführt wird, soll die bestmögliche Lösung für die Integration des Neubaus in den baulichen Bestand gefunden werden.

Von daher besteht für den Denkmalbeirat der Stadt Kassel noch Gelegenheit auf die künftige Gestaltung Einfluss zu nehmen.

Auflagen seitens der Bauverwaltung und des Denkmalschutzes werden in das Gutachten einfließen.

 

Das Büro des Oberbürgermeisters teilte mit, daß das Schreiben zuständigkeitshalber an Stadtbaurat Witte und Bürgermeister Junge weitergeleitet worden sei.

 

 

 

 

1b) Anmerkungen dazu; die Frage des Denkmalschutzes

 

Es ist natürlich leicht nachvollziehbar, daß im Inneren keine aufwendigen Dekorationen zu erwarten sein, die allerdings auch in vielen anderen Kultur­denkmälern nicht vorhanden sind; das Gebäude von 1923 war nie als Repräsentationsbau ausgelegt. Jedoch ist die Baustruktur bis heute gut ablesbar (besonders im Obergeschoß), und die erhaltene Ausstattung des Treppenhauses vermittelt in bemer­kens­werter Weise zwischen der Zweckmäßigkeit des modernen Nutzbaues und den reichen Außen­dekora­tionen.

 

 

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Aufgang zum EG (bzw. 1. OG)

Die Sockelverblendung der Wände ist zwar überstrichen, doch ließe sich der originale Zustand leicht wiederherstellen

 

 

 

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Detail des Treppengeländers

Das Geländer entspricht zwar den schlichten Formen der 1920er Jahre, nimmt aber mit der regel­mäßigen Anordnung von (zeitgemäßen) Schmuck­feldern zugleich ein Gliederungselement des 18. Jh. auf.

 

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Blick vom unteren Zwischenpodest

 

 

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Im 1. OG (bzw. 2. OG) gingen auf beiden Seiten des Treppenhauses Gänge ab, zu denen sich Durchgänge mit flachen Korbbögen öffneten. In der linken Gebäudehälfte ist der Bogen noch erhalten, in der rechten ist er zugemauert, wäre aber problemlos wiederherstellbar.

Diese Bogenform war ebenfalls im 18. Jh. sehr häufig.

 

 

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Blick aus dem Dachgeschoß zum oberen Zwischenpodest

Die Form des Treppengitters wiederholt sich auf beiden Podesten auch vor den Fenstern. – Ursprünglich setzte über diesem Fenster die Dachschräge des Satteldaches an, bis sie beim Wiederaufbau zugunsten des steileren Mansarddachs ersetzt wurde.

 

 

 

Die Gestaltung des Treppenhauses zeigt, daß 1923 kein reines Kulissendenken vorherrschte, sondern daß die Fassadengestaltung zugleich Verpflichtung für das Innere war – wobei man sich keineswegs im Kopieren erschöpfte, sondern eine schlichte Neuschöpfung im Geist der Zeit mit Gestaltungselementen des späten 18. Jh. verband.

Die Zustimmung zum Abbruch reduziert das Gebäude dagegen auf einen bloßen Kulissengedanken; dieses Gebäude ist aber mehr als ein Steinbruch zur Überlieferung des Brühlschen Hauses – es zeigt beispielhaft eine Baugesinnung der 1920er-Jahre, die sich eben nicht nur auf äußerlich einheitliche Baugruppen erstreckt, sondern im ganzheitlichen Sinne auch in das Innere hinein wirkt.

 

An dieser Stelle sei an drei andere fatale Beispiele für ein ähnliches Kulissendenken in Kassel erinnert:

-          Zu Beginn der 1960er Jahre wurde die Ruine des Marstalls (spätes 16. Jh.) abgebrochen und durch eine freie Nachempfindung ersetzt; dabei ging nicht nur der reizvolle Innenhof verloren, sondern nahezu die gesamte Bauornamentik. Geschoßeinteilung, Fensterformate und –gewände, Portale und sogar die Fensteranordnung des Neubaus unterscheiden sich erheblich vom Original. Die bemerkenswerte Baukonzeption, die aus dem zeitgenössischen Schloßbau entlehnt war, ist heute kaum mehr nach­vollziehbar.

-          Um 1968 wurde Königsstraße 37 (um 1770) zugunsten eines Kaufhauses abgebrochen und durch eine Fassadenkopie ersetzt; es war das einzige spätbarocke Wohnhaus der Oberneustadt, welches den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden hatte. Unter den verlorenen Innenräumen ist vor allem das repräsentative Treppenhaus mit seiner originalen Holztreppe zu beklagen. Ursprünglich soll ein moderner Neubau geplant gewesen sein, nach heftigen öffentlichen Protesten habe dann aber zumindest die Beibehaltung des äußeren Erscheinungsbildes durchgesetzt werden können.

-          1972 wurden zwei Drittel der Zeughausruine (spätes 16. Jh.) abgebrochen, da man lediglich die Südseite als Kulisse für den Töpfenmarkt für schützenswert hielt. Das Gebäude, welches nicht nur als Arsenal, sondern auch als Getreidespeicher für Notzeiten errichtet worden war, war nach dem Abbruch der Ruinen von Salzhaus, Kanzleigebäude und Marstall der letzte große Renaissancebau Kassels, der an die Blütezeit der Stadt unter Landgraf Wilhelm IV. erinnerte. 

Der Totalverlust eines Originals bedeutet auch immer einen Verlust des historischen Quellenwerts; so sind keine Befund­untersuchungen mehr möglich, um z. B. historische Farbfassungen oder verwendete Bautechniken zu ermitteln. Bis zu welchem Grade die Maße des Neubaus mit dem Original übereinstimmen, bleibt ebenfalls offen; gerade die exakten Maße lehren jedoch viel über die historischen Entwurfs­methoden und sind für die Proportionen eines Gebäudes wichtig. Es ist das Verdienst Georg Dehios, die Bedeutung des historischen Quellenwerts von Gebäuden im späten 19. Jh. erkannt und in die Denkmalpflege eingeführt zu haben; nicht umsonst gilt Dehio heute als ein Begründer der modernen Denkmalpflege. Vielfach lehnt die staatliche Denkmalpflege Totalrekonstruktionen vollständig zerstörter Bauten mit dem Argument ab, daß im allgemeinen Bewußtsein Original und Kopie dadurch zu leicht austauschbar würden, daß der historische Quellenwert eines Gebäudes dabei zu wenig berück­sichtigt würde. Umso mehr müsste es deshalb heute erstaunen, wenn die staatliche hessische Denkmal­pflege ein vorhandenes und baulich intaktes Original zugunsten einer bloßen Fassadenkopie aufgeben würde.

 

Zugleich stellt sich die Frage, welche Rolle die Denkmalpflege künftig in Kassel einnehmen möchte:

Als die Staatlichen Museen Kassel zwischenzeitig den Neubau eines Depot- und Verwaltungsgebäudes an der Stelle des Schloßhotels planten, strich das Landesamt für Denkmalpflege Hessen kurzerhand das Schloßhotel wegen mehrerer Veränderungen im Inneren als „nicht mehr denkmalwürdig“ aus den Denkmallisten.

Für den Bau des Museums für Sepulkralkultur wurde das ehem. Henschelsche Gärtner- und Dienerhaus, welches noch 1984 als Teil der Gesamtanlage Weinberg in der Denkmaltopographie erfaßt worden war (und einen wichtigen erhaltener Bestandteil des ehem. Henschelschen Besitz­kom­plexes bildete) aus den Denkmallisten genommen und 1988 abgebrochen.

Der Abbruch der Reste des Palais Reichenbach liegt erst drei Jahre zurück, und bei Wolfsschlucht 24-24a gestaltet sich der Fall wiederum ganz ähnlich wie beim Palais: Ein eingetragenes Kulturdenkmal wird von einem Großinvestor erworben, die Stadtverwaltung begrüßt das wirtschaftliche Engagement, das Gebäude verliert plötzlich seinen Rang als Kulturdenkmal und wird abgebrochen (die Reste des Palais ersatzlos, in der Wolfsschlucht soll zumindest eine Fassadenkopie als bloße Kulisse über den Verlust hinwegtrösten). Nicht nur, daß es in der Innenstadt bald nichts mehr zu schützen geben wird, wenn sich diese Entwicklung fortsetzt; es wird einem privaten Eigentümer eines Kultur­denkmals am Ende kaum mehr verständlich zu machen sein, weshalb er bei seinem eigenen Besitz bestimmte Auflagen erfüllen soll, die häufig mit größerem finanziellen Aufwand oder Nutzungs­einschränkungen verbunden sind, wenn andererseits ganze Gebäude aus der Denkmalliste entlassen werden, um sie zum Abbruch freizugeben. Es wäre eine für die Stadt und das Land fatale Entwicklung, wenn als Folge derartiger Entscheidungen die Denkmalpflege bzw. die örtliche Denkmalschutzbehörde langfristig zu einer bloßen Beratungsstelle für diejenigen Haus­eigentümer herabsinken würde, die genügend Interesse für ihr Kulturdenkmal aufbringen, um es aus eigenem Antrieb zu erhalten und instandzusetzen.

 

 

 

 

2) Erste Reaktionen auf die Abbruchpläne

 

 

Am 21. Juli berichtete die HNA in zwei großen Artikeln über die Abbruchpläne:

Hein, Christina: Trotz Denkmalschutz: Häuser sollen weichen. Königsplatz: Peek-&-Cloppenburg-Neubau erfordert Platz, in: HNA vom 21. Juli 2009.

Siemon, Thomas: Widerstand gegen Abriss. Letzte Erinnerung an das Brühlsche Haus, das als Perle des Rokoko galt, in: HNA vom 21. Juli 2009.

 

Inzwischen hat der langjährige Verwalter des Gebäudekomplexes, Achim Wickmann, eine Initiative zum Erhalt des historischen Bauwerks ins Leben gerufen; Kontakt: 0561 / 77 20 07 (HNA vom 22. Juli 2009).

 

 

 

26/27. Juli 2009:

 

Inzwischen nahm eine erste Rathausfraktion zu den Neubauplanungen Stellung:

Am 23. Juli berichtete die HNA: Die Kasseler Grünenfraktion fordert, dass der geplante Neubau für Peek&Cloppenburg-Kaufhaus am Königsplatz eine Solarfassade erhält und höchste Klimastandards erfüllt. Man wolle eine Gestaltung, die den Anspruch der Solarstadt Kassel widerspiegelt, sagte die umwelt- und energiepolitische Sprecherin Helga Weber. Der Fehler von vor zehn Jahren dürfe sich nicht wiederholen, als beim Neubau des City Point eine solare Fassadengestaltung leider nicht mit Nachdruck verfolgt worden sei. – Auf die Abbruch-Pläne wird nicht eingegangen, ebenso wenig auf eine Einpassung der Königsplatzfassade in die übrige Randbebauung; eher ist zu befürchten, daß eine reine Solarfassade zu einem Fremdkörper am Platz werden wird.

 

 

Nachdem am 24. Juli bereits erste Leserbriefe gegen den Abbruch erschienen, berichtete die HNA am 25. Juli über weitere Reaktionen:

„Die Menschen sind alle entsetzt über die Abrisspläne“, sagt die Inhaberin der Palmen-Apotheke im Kasseler Henschelhaus, Ulrike Bohrmann-Witt. Auf einer Unterschriftenliste in ihrem Geschäft haben sich innerhalb von zwei Tagen bereits 200 Menschen für den Erhalt des denkmalgeschützten Hauses eingetragen. Auch der ehemalige Verwalter des Gebäudekomplexes, Achim Wickmann, der eine Initiative ins Leben gerufen hat, berichte von „enormen Protestreaktionen“.

 

 

 

 

3a) Stellungnahme der Unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt Kassel

 

In der HNA vom 25. Juli äußerte sich außerdem der Leiter der Unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt Kassel, Dietmar Taubert (Interview: Ellen Schwab)

Herr Taubert, Ihre Zustimmung zum Abriss hat Empörung hervorgerufen. Können Sie dies nachvoll­ziehen?

Taubert: Ja, das ist verständlich. Es entsteht der Eindruck, da kommt ein großer Investor, und alle knicken ein. Dem ist nicht so. Eine attraktive Nutzung am Königsplatz ist für die Stärkung der Innenstadt von großer Bedeutung. Wir können uns dem nicht ganz entziehen. Wenn wir Nein gesagt hätten, wäre der Aufschrei groß gewesen.

Das Gebäude an der Wolfsschlucht steht unter Denkmalschutz. Wieso kann es trotzdem abgerissen werden?

Taubert: Wir haben uns sehr bemüht, das Gebäude zu erhalten. Aber der fast zwei Jahre dauernde Planungsprozess hat ergeben, dass das nicht möglich ist. Als sich Peek & Cloppenburg als Mieter mit entsprechenden Raumansprüchen abzeichnete, wurde bald deutlich, dass außer der Fassade nichts erhalten werden kann. Die Geschosshöhen, die Kleinteiligkeit des Gebäudes und andere Gegebenheiten sprechen dagegen. Wir haben dann nach Wegen gesucht, das Denkmal so weit wie möglich zu erhalten und das im Denkmalbeirat mehrfach ausführlich diskutiert.

Wer war noch einbezogen?

Taubert: Das Landesamt für Denkmalpflege mit Bezirkskonservator Dr. Zietz. Wir haben überlegt, welchen Stellenwert das Gebäude hat. Im Denkmalbuch der Stadt Kassel von 1984 ist es aus künstlerischen und städtebaugeschichtlichen Gründen als Kulturdenkmal bewertet worden. Der Bezirkskonservator vertritt heute die Auffassung, dass es atypisch für die Bauzeit ist und lediglich den Gestaltungswillen des Bauherrn repräsentiert.

Was bedeutet das?

Taubert: Es ist grenzwertig und würde heute nicht mehr so ohne Weiteres als Denkmal eingestuft. Die Frage ist: Was repräsentiert das Haus? Es wurde 1921 bis 1923 erbaut. Der Historismus endete um 1905 in Kassel. In den 1920er-Jahren wurde im Bauhausstil gebaut mit ganz strengen Formen, ohne Zierelemente.

Warum soll trotzdem so viel wie möglich von dem Gebäude erhalten bleiben?

Taubert: Das mag widersprüchlich sein. Aber wir kennen die Verlustgefühle der Kasseler Bevölkerung. Deshalb soll die Fassade bei der Neubebauung wieder erscheinen, so dass der Verlust für große Teile der Bevölkerung nicht bemerkbar ist.

Ist der Investor dazu bereit?

Taubert: Das sind unsere Bedingungen. Wir haben denkmalpflegerische Bedenken zurückgestellt, aber eindeutig formuliert, dass die Fassade einschließlich des Mansardendaches wieder hergestellt werden muss. Die Zierelemente müssen wieder verwendet und vorsichtshalber Abdrücke genommen werden.

Das klingt nach Abriss der Fassade und Rekonstruktion ...

Taubert: Der Baugrund ist an dieser Stelle schwierig, eine Nachbildung deshalb wahrscheinlich.

Auf welcher Grundlage wurde der Denkmalschutz an dieser Stelle aufgehoben?

Taubert: Das Denkmalschutzgesetz erlaubt die Veränderung und Beseitigung von Denkmälern, wenn Gründe des Gemeinwohls vorliegen. Es muss ein öffentliches Interesse geben.

Wer entscheidet darüber?

Taubert: Die Denkmalschutzbehörde der Stadt Kassel im Einvernehmen mit dem Denkmalbeirat der Stadt, der zugestimmt hat, und das Landesamt für Denkmalpflege.

Wie sieht die Bereitschaft des Investors aus?

Taubert: Da muss man schon dicke Bretter bohren. Wir haben in der Bauvoranfrage unsere Forderungen ganz klar formuliert. Wenn die nicht eingehalten werden, werden wir einer Baugenehmigung nicht zustimmen. Ich glaube nicht, dass es dazu kommt. Denn der Investor will bauen.

 

[Untere Denkmalschutzbehörde ist genaugenommen der Magistrat der Stadt Kassel, vgl. § 3 (2) Hess. Denkmalschutzgesetz: Untere Denkmalschutzbehörde ist in den kreisfreien Städten und Gemeinden, denen die Bauaufsicht übertragen ist, der Gemeindevorstand, in den Landkreisen der Kreisausschuß. Die Aufgaben des Denkmalschutzes obliegen den Landkreisen und Gemeinden zur Erfüllung nach Weisung. Das Landesamt für Denkmalpflege Hessen ist dagegen eine Landesbehörde, die dem Ministerium für Wissenschaft und Kunst untersteht, welches zugleich die Oberste Denkmal­schutz­behörde darstellt (vgl. § 3 (1) und § 4 HDschG).]

 

 

 

 

3b) Anmerkungen dazu; die baugeschichtliche Einordnung des Gebäudes

 

Als Grundlage dient § 16 (3) Hess. Denkmalschutzgesetz: Die Genehmigung [für Abbruch, Veränderung, Versetzung etc. eines Kulturdenkmals] soll nur erteilt werden, wenn überwiegende Gründe des Gemeinwohls dem nicht entgegenstehen. Leider sind Abbruchfreigaben für neue Großbauten in Innenstädten stets mit einer wirtschaftlichen Stärkung der Stadtzentren begründbar; sind in Hessen damit künftig flächendeckende Abbrüche in historischen Innenstädten zu befürchten? Oder erkennen einzelne Kommunen auch den wirtschaftlichen und ideellen Wert, den das historische Erbe für das Gemeinwohl besitzt? – Zumal Denkmalschutz immer auch eine Verpflich­tung gegenüber späteren Generationen darstellt, das historische Erbe dauerhaft zu sichern und gegen kurzfristige Interessen zu verteidigen.

 

Der Gefahr eines solchen Präzedenzfalls wirkt zwar die Begründung entgegen, daß der Denkmalwert des Gebäudes fraglich sei; doch ist diese Begründung wirklich stichhaltig? Betrachten wir die Aussagen genauer:

Der Bezirkskonservator vertritt heute die Auffassung, dass es atypisch für die Bauzeit ist und lediglich den Gestaltungswillen des Bauherrn repräsentiert. Es ist grenzwertig und würde heute nicht mehr so ohne Weiteres als Denkmal eingestuft. Die Frage ist: Was repräsentiert das Haus?...

In letzter Konsequenz hieße dies, daß nur Bauten schützenswert seien, die dem jeweils zeittypischen Stil­empfinden entsprächen; eine derartige Klassifizierung greift allerdings zu kurz. (Wie sollte man dann z. B. damit umgehen, daß Friedrich II. in Potsdam Entwürfe des Renaissance-Architekten Andrea Palladio aus dem 16. Jh. kopieren oder in Berlin einen längst veralteten Entwurf aus Wien (aus der Zeit um 1700, die sog. Kommode) realisieren ließ? Oder was wäre mit der holländischen Siedlung in Potsdam? All diese Gebäude vertreten Stilformen, die damals entweder bereits längst veraltet oder vor Ort unüblich waren, und die lediglich den Gestaltungswillen des Königs repräsentieren – und heute unter Denkmalschutz stehen. Ähnliches gilt z. B. auch für die russischen Kapellen in Weimar und Wiesbaden etc., die dann alleine wegen ihres geschichtlichen Wertes schützenswert wären. Und nicht zuletzt war sogar das reich dekorierte Brühlsche Haus selbst lediglich eine Einzelerscheinung in Kassel!)

... Was repräsentiert das Haus? Es wurde 1921 bis 1923 erbaut. Der Historismus endete um 1905 in Kassel. In den 1920er-Jahren wurde im Bauhausstil gebaut mit ganz strengen Formen, ohne Zierelemente.

Betrachten wir also die Kasseler Baugeschichte zwischen den beiden Weltkriegen:

Ausgangspunkt ist hierbei eine Bauentwicklung, die schon im frühen 20. Jh. eingesetzt hatte; sie knüpfte an den Kasseler Barockklassizismus (1) und an rein klassizistische Formen (2) an oder bildete Misch­formen aus Barock, Klassizismus und Jugendstil heraus (3). Diese Entwicklung entsprach allgemeinen klassizistischen Tendenzen jener Zeit, für die ein wichtiger Vorreiter Alfred Messel in Berlin war (4). Nach dem Ersten Weltkrieg setzte sich diese Tendenz auch in Kassel weiter fort: Die Anklänge an Barock und Klassizismus blieben weiterhin bestehen, was durch das Ende des Jugendstils noch verstärkt wurde; dabei bildete sich ein schlichter Baustil heraus, der zwar auf Zierelemente verzichtete, z. T. auch expres­sio­nistische Anklänge, z. T. auch Heimatschutzformen zeigt, aber mit dem Bauhaus jedenfalls nichts gemein hat (5); er ist von der Grundauffassung her eher mit dem schlichten, ornamentlosen Kasseler Barock­klassizismus der Oberneustadt vergleichbar. Diese Bauweise mündete in ihrer weiteren Ent­wicklung (6) in die typischen Kasseler Wohnbauten der späten 40er und frühen 50er Jahre (7). (Dabei sei darauf hingewiesen, daß fast alle in den Anmerkungen genannten Bauten auch in der Denkmal­topographie, Band II und III von 2005 und 2008, als Gesamtanlagen oder sogar als Einzeldenkmale unter Schutz stehen.)

Eine bedeutende Rolle kam dabei Erich Labes und Ernst Rothe im Kasseler Stadtbauamt zu (vgl. Wiegand, Stadt Kassel II, S. 97f.), die beide an der TH Charlottenburg studiert haben sollen – ebenso wie Max Hummel (zusammen mit Rothe Architekt der Stadthalle), August Ernecke (Architekt zahlreicher Villen und Siedlungsbauten in Kassel) und Paul Schmitthenner (Architekt der Gartenstadt Staaken und in Kassel der Forstfeld­siedlung Steinigkstraße). Labes, seit 1913 in Kassel, war im Stadtbauamt für den Hochbau und die Bauberatung zuständig und stieg später zum Stadtbaurat auf. Schmitthenner wiederum war Vertreter der sog. Stuttgarter Schule (8), welche in der Nachfolge Theodor Fischers (u. a. Hess. Landes­museum Kassel) stand. Ihr Ziel war eine Weiterentwicklung der Baukunst aus den traditionellen histori­schen Elementen heraus; der Historismus wurde dabei ebenso abgelehnt wie das Bauhaus, welches bis 1933 nur eine von mehreren Architekturrichtungen in Deutschland blieb.  

Thomas Wiegand weist im II. Band der Denkmaltopographie der Stadt Kassel von 2005 ausdrücklich auf die Ausprägung eines einheitlichen Bautyps im Sinne eines „aufgeklärten Traditionalismus“ (Labes 1928) in Kassel hin und zitiert dabei den Stadtbaurat selbst:

 

Ließ man sich noch wenige Jahre vor dem Krieg fast völlig von dem Willen und Geschmack des Bauherrn lenken und erteilte die Bauerlaubnis fast ohne Rücksicht auf die Erzielung geschlossener Straßen- und Platzbilder, so wurde kurz vor und stärker noch nach dem Kriege auf Grund der inzwischen erfolgten gesetzlichen Anerkennung der Wahrnehmung schönheitlicher Gesichtspunkte die Einflußnahme auf die Art der Bebauung stärker. Zuerst begnügte man sich noch damit, gegen die offensichtlichen groben Verunstaltungen, die in Kassel nicht nur bei privaten Bauten eine kaum noch zu überbietende Höhe erreicht hatten, vorzugehen, dann suchte man bauberatend jede Verunstaltung von Bauten und Beeinträchtigungen von Straßenbildern zu verhindern, zog die Zügel immer straffer, indem man zu weitgehenden Wünschen der Bauherren, die eine erträgliche Lösung nicht erwarten ließen, sich ablehnend gegenüberstellte und den allzu individuellen Neigungen der Architekten entgegentrat, und entschloß sich schließlich zu einem positiven Aufbau durch Herausarbeiten wegweisender Richtlinien. Durch Vorträge, Ausstellungen, Aussprachen und persönliche Einwirkung wurden die weit auseinandergehenden Anschauungen und Geschmacksrichtungen zu sammeln und zu ordnen gesucht. Was lag näher als die Bezugnahme auf die alte Baukultur in Kassel ... Was war geeigneter, dem Vorwurf der oft unsympathisch wirkenden Aufdrängung bestimmter ästhetischer Richtlinien zu entgehen, als der Hinweis auf jene einheitlichen, fast gesetzlichen Erscheinungsformen der Oberneustadt und der von diesen beeinflußten Typen ...? So wurden denn schon im Jahre 1919 bestimmte Haustypen von der städtischen Bau­beratungs­stelle als vorbildlich bezeichnet, deren Einfluß ganz unverkennbar schon in wenigen Jahren bemerkbar wurde und von Jahr zu Jahr offener hervortrat.

(Wiegand, Stadt Kassel II, S. 98)

 

Es wäre interessant, ob beim Anbau des Brühlschen Hauses die Übernahme der Rokokoformen auf direkte Vorgaben der städtischen Bauverwaltung zurückgeht, namentlich auf die Bauberatung unter Labes; interessant wäre auch, welcher Architekt das Gebäude errichtet hat.

Jedenfalls beantwortet der II. Band der Denkmaltopographie damit die Frage: ... Was repräsentiert das Haus?

Es repräsentiert die Bemühungen der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, ein in sich geschlossenes Stadtbild zu erhalten – ein Ziel, das im übrigen bis heute nichts an seiner Aktualität verloren hat! Und gerade diese Zielsetzung hebt sich auch deutlich von der Zeit des Historismus ab, der in der Stadt tatsächlich schwere Wunden geschlagen hat, wie Labes andeutet: So haben am Königsplatz die großen Neurenais­sance­bauten der Hauptpost und des Schollschen Kaufhauses (Nr. 36-36½) sowie die Bankhäuser Nr. 32-34 und 57 den wohldurchdachten Maßstab des Platzes gesprengt; auf der Westseite des Friedrichsplatzes ging der städtebauliche und architektonische Zusam­menhang durch Aufstockung und Umbau der Häuser Königs­straße 39 und 43 verloren, die ohne Rücksicht auf ihre Umgebung mit ihren größeren Dimensionen und aufwendigen Schmuckformen (italienische Neurenaissance bis Spätklassizismus) die zurückhaltende Rokoko-Front des bedeutenden Nahl­schen Hauses (Nr. 41) gerade­zu erdrückten. Und historistische Miets­häuser in Neurenaissance oder Maurer­meister­architektur bzw. mit Klinker­verblen­­dung durch­setzten als Fremd­körper die Altstadt. Die Forderungen Labes’ nach einem „aufgeklärten Traditionalismus“, der sich gerade an der alten Kasseler Baukultur orientieren sollte, waren eine dringend notwendige Antwort auf diese zunehmende Entstellung des Kasseler Stadtbildes – wobei man in Einzelfällen nun bis hin zur detailgetreuen Adaption ging:

Eines der ersten Beispiele dafür ist tatsächlich jener Anbau an das Brühlsche Haus, von 1921-23. Um 1926 errichte dann der Stadthallenarchitekt Max Hummel zwei klassizistische Tempelchen am Vorplatz der Stadthalle, die auf das Stadthallenportal bezug nahmen. 1928 wurde das Haus Kölnische Straße 3 / Wolfsschlucht (genau gegenüber dem Haus Wolfsschlucht 24-24a) durch einen Neubau ersetzt, der die Bauformen der Nachbarhäuser aus der Zeit um 1830 aufnahm (9). Um 1929 wurde das spätbarocke Gebäude Schloßplatz 17 von 1770 durch den gleichartigen Neubau Marställer Platz 1 zu einer symme­tri­schen Baugruppe ergänzt (10) – geplant und ausgeführt durch das Stadtbauamt! Um 1930 wurde das typische Oberneustadt-Haus Königsstraße 13 (um 1730) zwar durch einen Neubau ersetzt, der sich auch als modernes Gebäude zu erkennen gab, aber in Proportionen und Gestaltung in die Umgebung einfügte (11). Und 1930 äußerte sich Labes über die Kasseler Altstadt­sanierung: Die künstlichen Einfügungen durch die weiterschreitende Sanierung dürfen nun aber auf keinen Fall der krassen Moderne entnommen werden. Um Gotteswillen keine dächerlosen, kahlen Kästen neuer bzw. neuester Sachlichkeit zwischen die Fachwerkbauten, Renaissance- und Barockbauten des alten Kassels. (Schulz, Altstadtsanierung, S. 46). Und bei den Neubauten am Freiheiter Durchbruch ab 1934/35 entsprach man dann auch genau dieser Forderung: Die Gebäude griffen die wesentlichen Grund­elemente der Altstadtbebauung auf (kleinteilige Fenster­reihungen, Zwerchhäuser, z. T. sogar Stock­werks­überstände), ohne nun allerdings bestimmte Stilformen detail­getreu nachzubilden – gewisser­­­maßen das gemeinsame Substrat der Altstadthäuser aus dem 16. bis 18. Jahr­hundert (12).

 

 

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Schloßplatz 17 und Marställer Platz 1

links: Gesamtansicht der Baugruppe von 1770 und 1929

rechts: der Neubau von 1929, als Kopie des benachbarten Altbaus errichtet vom Kasseler Stadtbauamt

(Brier / Dettmar, Kassel I, S. 42, Ausschnitt / Ausschnitt aus einer Postkarte)

 

 

(1)   Z. B. neues Hoftheater von 1907-09, in bewußter Aufnahme der Stilformen der Oberneustadt; heutige Friedrich-Wöhler-Schule von 1910-12; heutige Friedrich-List-Schule von 1910-13.

(2)   Stadthalle, nach 1911 bis 1914, von Max Hummel und Ernst Rothe; ehem. Oberzolldirektion von 1913/14, Goethestraße 43; Geibelstraße 6 um 1908; Opernstraße 9, 11-13, um 1909/10.

(3)   Z. B. Kirchweg 78 von 1906; Opernstraße 2, 8 / Wolfsschlucht 6a, Opernstraße 15, um 1909/10; Wilhelmshöher Allee 271/Rolandstraße 1 von 1910; Karthäuserstraße 5 von 1911/12; Akazienweg 20 um 1913; Kirchweg 84 und 86 von 1913/14; Erweiterung der Eisenbahndirektion (Flügel an der Parkstraße) von 1910/12; Brabanter Straße 47, um 1914; zahlreiche Gebäude der Baumgartenstraße, um 1915-1919, u. a. durch August Ernecke; Burgfeldstraße 12 um 1911; Burgfeldstraße 16 um 1915; sowie als Siedlungsbauten: Schönfelder Straße 51-71 und Heinrich-Heine-Straße 120/122 von 1912; Menzelstraße 16-18 von 1912/13; Landgraf-Karl-Straße 21¼ und Wilhelm-Schmidt-Straße 8-24 von 1914; Gerlandstraße 5-15, Schmerfeldstraße 4-12 und Zentgrafenstraße 80-86 von 1913/14, Ernecke. Auch das Hessische Landesmuseum von 1909-13 gehört im weiteren Sinne in diesem Zusammenhang.

(4)   Vgl. bereits das AEG-Verwaltungsgebäude in Berlin-Mitte von 1904/05; das Pergamonmuseum ab 1907.

(5)   Z. B. als Siedlungsbauten: Schmerfeldstraße 3-9 von 1920/21; Mozartstraße 5-7 mit Menzelstraße 20-22 von 1922/24, August Ernecke; Randbebauung des Sophie-Henschel-Platzes von 1922/23, Max Hummel und möglicherweise Mitarbeit von Ernst Rothe; Breitscheidstraße 72-104 von 1922, Karl Dupont; Breitscheidstraße 34-52 und Kölnische Straße 159-167 von 1923/24; Breitscheidstraße 8-12 und Kölnische Straße 139-153 von 1924; Pettenkoverstr. 1-5 und Hansteinstraße 54, 1924-26; Akademiestraße 6-12, 9-17 und Menzelstraße 8 und 14 von 1924-27; Teile von Salzmannshausen, in enger Anlehnung an den Kasseler Barock; Kölnische Straße 176-182 von 1925; Rammelsbergstraße 30-50 und Weißen­stein­straße 61-73 von 1925-27, Ernecke; Kirchweg 30-34 von 1926/27. Als Privatbauten z. B.: die Villen Kölnische Straße 171, 175, 177 und 183 von 1923 bis 1925; Lindenstraße 12 um 1923; Brabanter Straße 30 um 1924; Trottstraße 16 von 1924; Gilsastraße 3-7 und 8-12 um 1924 und 1926; Raabestraße 8 um 1924; zahlreiche Gebäude im Flüsseviertel, z. B. die Rheinstraße; im Landhausstil: Dag-Hammerskjöld-Straße 40-46. Als öffentliche Bauten die Gebäude der Hessen­kampfbahn von 1924-26; Entwurf für ein Hallenbad nördlich der Hessenkampfbahn, 1926, unterzeichnet von Labes und Rothe; Freibad Wilhelmshöhe von 1935, Rothe; Städt. Flußbad (heute Auebad). 

(6)   Z. B. als Siedlungsbauten: Randbebauung der Ihringshäuser Straße ab 1926, nach Konzept von Labes und Rothe; am Huttenplatz, zwischen Diakonissenstraße, Friedrich-Ebert-Straße, Geysostraße und Goethestraße, von Rothe und Hummel; Hentzestraße 10-34 und Friedensstraße 10-16 von 1927-31; Siedlungsbauten rund um die Goetheanlage, zwischen Wilhelmshöher Allee, Friedrich-Ebert-Straße und Freiherr-vom-Stein-Straße; Hansastraße 5-21, Kattenstraße 1-7 und 12-18, Elfbuchenstraße 23-29 und 34, Breitscheidstraße 29 von 1926-1930; Breitscheidstraße 15-19 von 1927/28; Heubnerstraße 1-29 von 1927-29. Vgl. auch das ehem. Finanzamt Wilhelmshöher Allee 64-66 von 1938/39 (1976 um ein Geschoß erhöht), Dupont gemäß städtebaulicher Konzeption von Rothe. 

(7)   Z. B. als Siedlungsbauten: Heubnerstraße 2, 6-14 und Hansteinstraße 23; Müllergasse, Pferdemarkt und Westseite des Kastenalsgasse; Entenanger 2-16 und angrenzende Bauten in der Mittelgasse; Kettengasse 1, Brüderstraße 8-10, An der Fuldabrücke 2-6, Die Schlagd 11-17; Friedrich-Ebert-Straße 58-66 und 61-75, Annastraße 2-8; Häuserzeilen auf der Südseite des Ederwegs.  Als Privatgebäude z. B.: Obere Königsstraße 21; Huttenstraße 2-4. Vgl. auch das Landratsamt Humboldtstraße 24 (bis zum Umbau 2006); das ehem. Wasser- und Schiffahrtsstraßenamt Wilhelmshöher Allee 47.

(8)   Dieser Richtung gehörten neben Schmitthenner u. a. auch Paul Bonatz und Martin Elsaesser an. Als Gegenmodell zur heftig kritisierten Weißenhofsiedlung errichteten einige Mitglieder der Stuttgarter Schule 1933 die Kochenhofsiedlung in Stuttgart.

(9)   Hochrechteckige Fenster mit einfachen Umrahmungen, Walmdach; Höhenverhältnisse und Proportionen lehnten sich an die Nachbarhäuser Kölnische Straße 5 und Wolfsschlucht 33 an. Das Gebäude überstand den Zweiten Weltkrieg mit Brandschäden, wurde in den 1960er Jahren aber zugunsten eines Neubaus abgebrochen.

(10) Der Neubau ist vereinfacht und ohne Mansarddach und Zwerchhaus noch erhalten, während über das Grundstück Schloßplatz 17 der verbreiterte Steinweg führt.

(11) Das sog. Merkurhaus; heute nur noch in aufgestockter Form erhalten, so daß die breite dreiachsige Gaube (in Anlehnung an die Bauformen um 1820-60, in Weiterentwicklung der barocken Zwerchhäuser) nicht mehr als solche erkennbar ist.

(12) Unzerstört erhalten: Die Freiheit 12; nach Kriegsschäden vereinfacht wiederhergestellt: Wildemannsgasse 14.

 

 

Blicken wir zudem noch einmal in das Hess. Denkmalschutzgesetz, § 2 (1): Schutzwürdige Kultur­denkmäler im Sinne dieses Gesetzes sind Sachen, Sachgesamtheiten oder Sachteile, an deren Erhaltung aus künstle­rischen, wissenschaftlichen, technischen, geschichtlichen oder städtebaulichen Gründen ein öffentliches Interesse besteht.

Hier greifen nun gleich vier Aspekte: Aus künstlerischen, wissenschaftlichen und geschichtlichen Gründen ist das Gebäude Wolfsschlucht 24-24a erhaltenswert, weil es die zerstörten Schmuckformen des untergegangenen Brühlschen Hauses detailgetreu überliefert. Aus künstlerischen, geschichtlichen und städtebaulichen Gründen ist es zudem bedeutend, weil es in guter Qualität die städtebaulichen und architektonischen Ansprüche der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg verdeutlicht, die damals an das „Bauen im Bestand“ in Kassel gestellt wurden – womit sich die Stadt Kassel durchaus auch von anderen Städten abhob. Es repräsentiert eine Bauauffassung, die als Parallelentwicklung gleichberechtigt neben dem Bauhaus bestand (welches in Kassel sogar nur mit wenigen Beispielen vertreten ist (1)), ebenfalls eine Antwort auf die historistische Architektur bildete und sich bis in die unmittelbare Nachkriegszeit auswirkte. Die hohe Qualität des Gebäudes zeigt sich dabei nicht nur in der städtebaulichen Lösung der Ecksituation, sondern – wie bereits geschildert – auch in der inneren Gestaltung.

 

(1)   In der Amtszeit Labes’ wurden in Bauhausformen bzw. in Formen des Internationalen Stils vor allem errichtet: Malwida-von-Meysenbug-Schule (heute: Heinrich-Schütz-Schule), nach Architektenwettbewerb von 1927 durch Heinrich Tessenow; Kindertagesheim des Fröbelseminars, Dingelstedtstraße 10, von Hans Borkowsky um 1928/29; Rothenbergsiedlung von Otto Haesler, 1928-30; Altersheim der Marie von Boschan-Aschrott-Stiftung, Friedrich-Ebert-Straße 178, nach Architekten­wettbewerb von 1929 durch Otto Haesler; Wohnhäuser Hellmuth-von-Gerlach-Straße 27 und 29, um 1929 und 1931.

 

 

 

30. Juli 2009:

4) Weitere Reaktionen

 

Am 29. und 30. Juli berichtete die HNA über weitere Reaktionen auf die Abbruchpläne:

Vier Tage nachdem die Inhaberin der Palmen-Apotheke, Ulrike Bohrmann-Witt, Unterschriftenlisten für den Erhalt des Gebäudes ausgelegt hatte, haben sich nun bereits 500 Menschen eingetragen. Auch Achim Wickmann, der die Initiative  „Pro Henschelhaus“ gestartet hat, berichtet: Seitdem steht bei mir das Telefon nicht mehr still. Die Menschen können diesen Wahnsinn nicht fassen.

Und der Vorsitzende des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde, Karl-Hermann-Wegner (Direktor des Stadtmuseums Kassel i.R.) wird zitiert: Der Abbruch wäre ein Skandal, eine Bankrott-Erklärung des Denkmalschutzes. Auf der Hausseite Königsplatz Nummer 55, wo 50er-Jahre-Architektur in Reinkultur bestehe, existiere Ensembleschutz. Der beziehe sich jedoch nicht auf einzelne Häuser. So hatte das Kasseler Denkmalamt sein Plazet für den Neubau begründet. Das Stadtbild spielt bei politischen Entscheidungen im Rathaus keine Rolle, kritisiert Wegner. Dabei sei die Atmosphäre einer Stadt ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.

Weiter heißt es in dem Artikel: Was die Abrissgegner aufregt, sind Pingeligkeiten im Denkmalschutz, wenn es um kleinere Privatvorhaben geht. „Und hier wird ohne mit der Wimper zu zucken, ein ganzes historisches Haus geopfert“, sagt Wickmann: „Ich habe Aktenordner voll mit Auflagen, die wir einhalten mussten, als wir vor fünf Jahren das Henschelhaus renoviert haben.“ Das Wirtschaftsargument zieht für ihn nicht: „Vor kurzem waren im gesamten Haus 110 Menschen beschäftigt. Ich glaube nicht, dass P&C ebenso viele beschäftigen wird.“

Im Artikel vom 30. Juli nahm der populäre Kasseler Heimatkundler Hans Germandi Stellung gegen die Abbruchpläne: „Es ist eine Schande, da soll auch noch das letzte Zeugnis von früher beseitigt werden,“ sagt er und ordnete sie in eine ganze Reihe von Abbrüchen nach 1943 ein (am Friedrichsplatz Residenzpalais, ehem. Hofverwaltungsgebäude, St. Elisabeth, Staatstheater). „Gott sei Dank ist wenigstens das Fridericianum stehen geblieben“, sagt der Mann, der für seine Verdienste mit dem Wappenring der Stadt ausgezeichnet wurde. So viel hätte aus seiner Sicht gerettet werden können. Das Karlshospital, das derzeit mit einem modernen Aufbau versehen wird, gehört für Hans Germandi genauso in diese Reihe wie die Zeughausruine [...]. „Gäbe es den Verein [Förderverein Zeughaus e.V.] nicht, wäre da wahrscheinlich auch alles plattgemacht worden.“ Wenn jetzt auch noch das Henschelhaus an der Wolfsschlucht weichen müsse, sterbe wieder ein Stück altes Kassel. „Wo kann man denn noch unsere Vergangenheit und unsere Wurzeln sehen?“ Und verweist auf das Brühlsche Haus, dessen Formen an dem Gebäude von 1923 übernommen wurden. „Das ist unsere Vergangenheit“, sagt Hans Germandi, „das darf man nicht einfach abreißen.“

 

 

 

5a) Nachtrag zur Gebäudegeschichte: Bauherr und Nutzung

 

Zur Gebäudegeschichte seien nun noch einige Informationen zum Bauherrn nachgetragen:

Das Grundstück Königsplatz 55 wird im Adreßbuch für 1921/22 (Redaktionsschluß: Herbst 1920) als Eigentum der [Darmstädter] Bank für Handel und Industrie, Filiale Cassel, geführt. Diese Bank hatte bereits 1920/21 eine Gemeinschaft mit der Nationalbank für Deutschland KG a. A. gebildet, und im Jahre 1922 fusionierten beide Kreditinstitute. Die neue Darmstädter und Nationalbank KG a. A. (auch Danat genannt) war eine der größten Geschäftsbanken im Deutschen Reich. U. a. war auch Hjalmar Schacht 1922/23 Gesellschafter der Danat.

Daß die Bank auch die Bauherrin des rückwärtigen Anbaues an der Wolfsschlucht war, spricht umso mehr dagegen spricht, daß die Rokoko-Formen alleine den privaten Gestaltungswillen des Bauherren repräsen­tieren, und macht städtische Vorgaben wahrscheinlich. Der Innenhof wurde mit der Schalter­halle der Kasseler Filiale überbaut, und der Anbau wurde im Erdgeschoß (bzw. Kellergeschoß) sowie in Teilen des Obergeschosses (bzw. Erd­geschos­ses an der Wolfsschlucht) für Bankräume genutzt. Anson­sten enthielt das Gebäude Dienst­wohnungen des Bankdirektors und einiger Bankbediensteten: Ins­ge­samt gab es 6 Wohnungen, wobei sich die Direktoren­wohnung im 1. Obergeschoß (bzw. Erdgeschoß) befand, die übrigen im 2. (bzw. 1.) Ober­geschoß und im Dachgeschoß, welches an der Rückseite als Voll­geschoß ausgebaut war. Ende der 20er Jahre wurde die frühere Direktorenwohnung aufgeteilt und ver­mietet. 

Offenbar 1930 verkaufte die Bank das Gebäude an die Aktien-Gesellschaft Werderscher Markt, Berlin und erscheint kurzzeitig noch als Mieterin, bis sie am 13. Juli 1931 zahlungsunfähig wurde. Der Zusam­men­bruch der Danat löste die deutsche Bankenkrise aus, und auf Anordnung der Reichsregierung wurde sie mit der Dresdener Bank fusioniert. Die Kasseler Niederlassung am Königsplatz wurde in der Folge aufgegeben, vermutlich weil die Dresdener Bank bereits in Kassel vertreten war.

Von der späteren Grundbesitz Verwaltungs-AG Berlin ging das Gebäude um 1939 in den Besitz der Nachlaßverwaltung Karl Henschels über (Verwaltung des Nachlasses des Geh. Kommerzienrats Dr. Ing. K. Henschel, Königsplatz 55 (1940) bzw. Henschel Erben Grundstücksverwaltung (1949)).

Unter den Mietern sind u. a. hervorzuheben: die Barmer Ersatzkasse seit der zweiten Hälfte der 30er Jahre bis zur Fertigstellung des Neubaus in der Treppenstraße; die Farbwerke Höchst US.-Admini­stra­tion Beratungsstelle Kassel in der Nachkriegszeit. Zudem war in dem Gebäude die Henschelsche Familien-Verw. GmbH untergebracht. Auf diese jüngeren Eigentums- und Nutzungsverhältnisse ist die Bezeichnung „Henschelhaus“ zurückzuführen.

 

 

 

5b) Ein prominenter Mieter: der Rechtsanwalt Dr. Max Plaut

 

Besondere historische Bedeutung besitzt ein Mieter der Jahre 1929(?)-33, der auf tragische Weise eng mit der Kasseler Geschichte jener Zeit verbunden ist: der Rechtsanwalt Dr. Max Plaut, der (von der Wolfsschlucht aus gesehen) im Erdgeschoß seine Kanzlei betrieb, von den Nationalsozialisten als Intimfeind betrachtet und am 24. März 1933 von SA-Leuten aus seiner Kanzlei geholt wurde; nach stundenlangen Mißhandlungen in den Kellern der Bürgersäle (Obere Karlsstraße 17) starb er am 31. März 1933 an den schweren Verletzungen.

 

Plaut war 1888 in Witzenhausen geboren worden, hatte sich 1919 als Rechtsanwalt in Kassel nieder­gelassen und 1928 seine Zulassung als Notar erhalten. Sein Vater war streng ein religiöser Jude gewesen, der lange Zeit Gemeindeältester war und sich große Verdienste um die jüdische Gemeinde in Kassel erwarb. Maximilian Plaut dagegen war der Religion seiner Väter nicht besonders eng verbunden. Er war ein typischer „Assimilierter“, der sich in der deutschen Kultur zu Hause fühlte. [...] Er war eng befreundet mit dem Konzertmeister Richard Laugs, dem Opernsänger Siegmund Weltlinger und anderen Künstlern. Von 1921 an schrieb er zehn Jahre lang Musikkritiken, besonders für die „Kasseler Neuesten Nachrichten“. Voll bissiger Ironie bekämpfte er in diesen Kritiken Erscheinungen von Provinzialität im Kasseler Musiktheater. Durch sein offenes Auftreten und seine respektlosen und unkonventionellen Gewohn­heiten machte er sich allerdings nicht nur Freunde, weil er das ungeschriebene Gesetz der jüdischen Gemeinde („Nur nicht auffallen und dem Antisemitismus keine Vorwände liefern“) verletzte. Jeder Jude, der in der Öffentlichkeit auftrat, war der „Hessischen Volkswacht“ einen Hetzartikel wert, und so wurde Plaut, der überdies verschiedentlich Prozeßgegner von Nationalsozialisten war, zu einem immer wieder aufgegriffenen Intimfeind des NS-Blattes. Die „Volkswacht“ forderte nicht nur die Absetzung als Kritiker und die Einleitung eines Verfahrens wegen angeblicher beruflicher Verfehlungen, sondern drohte ihm geradezu: „Wir werden solchen Leuten im deutschen Staat der Zukunft einen Zwangsfahrschein aushändigen, mit dem sie schnell unsere heimatliche Erde verlassen müssen und sich auf ihrem heimischen Boden (gemeint ist Palästina) gern und gut auswirken können.“ (17. 11. 1931)

So war Max Plaut prädestiniert, im Frühjahr 1933 zum Opfer einer „Abrechnung“ zu werden. Ein weiterer Grund dafür mag die persönliche Feindschaft des Operettentenors und Adjutanten der SA-Standarte 83 Willi Schillings gewesen sein. Plaut hatte in seiner sarkastischen Art mehrfach die Leistungen des Sängers kritisiert („... müßte seine Gesangsleistungen ernstlich revidieren“), was dieser ihm nicht vergaß.

Am 24. März 1933 gegen 18 Uhr holten SA-Leute Max Plaut aus seinem Büro in der Wolfsschlucht und führten ihn durch die Straßen in die „Bürgersäle“ in der Oberen Karlsstraße. Nach stundenlangen Misshandlungen in den Kellern dieser Gastwirtschaft wurde Plaut in seine Wohnung in der Wilhelmshöher Allee 55 geschafft. Dort starb er eine Woche später, am 31. März.

Obwohl die Kasseler Presse über die Vorgänge in den „Bürgersälen“ nicht berichtete, verbreitete sich die Nachricht über die tagelange Orgie der Gewalt schnell über die Grenzen der Stadt hinaus. Die amerikanischen Pressekorrespondenten Taylor und Swanson reisten am 28. März aus Frankfurt an, um durch Nachfrage bei den zuständigen Behörden die Gerüchte zu überprüfen. Der Regierungspräsident Jerschke – ebenso wie Polizeipräsident v. Kottwitz von Anfang an genauestens über die Mißhandlungen informiert – erklärte den Amerikanern, es seien zwar einige Juden „als Unterstützer der kommunistischen Bewegung“ festgenommen worden, die Betreffenden seien aber längst wieder freigelassen und die ganze Angelegenheit aufgebauscht worden. Die Korrespondenten überzeugten sich, daß in den Straßen der Stadt Ruhe herrschte, bekamen die Sehenswürdigkeiten in Wilhelmshöhe gezeigt und reisten wieder ab.

Die Kasseler Staatsanwaltschaft ermittelte routinemäßig „gegen Unbekannt“ wegen eines Tötungsdeliktes. Max Plaut wurde obduziert. Da sich die Ärzte jedoch nicht festlegen wollten, ob „die Verletzungen am Gesäß das bestehende Herzleiden ungünstig beeinflußt“ hätten, wurde die Akte geschlossen. Die Beisetzung Max Plauts, symbolhaft auf der ersten Grabstätte des neuen jüdischen Friedhofs in Bettenhausen, fand im engsten Familienkreis und unter polizeilicher Beobachtung statt. Erst nach der Beerdigung durfte Elsa Plaut in den „Kasseler Neuesten Nachrichten“ den Tod ihres Mannes anzeigen. Kurz darauf emigrierte sie mit den drei Kindern in die Schweiz.

 

 

Die Entführung Plauts aus seiner Kanzlei im Gebäude Wolfsschlucht 24-24a und die Mißhandlungen werden im Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror ausführlich beschrieben, das im August 1933 in Paris erschien (Achtung: bitte nur bei guten Nerven weiterlesen):

In einem Bericht des Kasseler Dr. O. M. heisst es:

«Am Freitag, dem 17. [24.] März 1933, durchzogen Nazibanden die Stadt Kassel, um Mitglieder der jüdischen Gemeinde, die ihnen aus irgendwelchen Gründen unliebsam waren, abzuholen und «Gericht» über sie zu halten. Bemerkenswerterweise handelt es sich bei den Opfern durchweg um Personen, die niemals irgendwie politisch hervorgetreten waren, sondern die Ursachen für die Misshandlungen waren regelmäßig kleinliche Gehässigkeiten eines Prominenten der NSDAP. Folgende schwerwiegende Fälle möchte ich hervorheben:

Der Rechtsanwalt Dr.  M a x   P l a u t  wurde an diesem Tag von einer grossen Horde aus seinem Büro abgeholt und im geschlossenen Zug durch die Hauptstrasse geführt [gemeint ist wohl die Obere Königsstraße]. Unterwegs wurde er durch Schläge mit Gummiknüppeln gezwungen, «Heil Hitler» zu rufen, worauf jedesmal ein wildes Gebrüll von Seiten der Nazis ertönte. Plaut wurde dann in das Hauptversammlungslokal der NSDAP – die Bürgersäle in der Karlstrasse – gebracht, und dort wurde ein sogenanntes Standgericht über ihn abgehalten. Mitglied dieses Standgerichts soll sicherem Vernehmen nach der derzeitige Intendant des Kasseler Staatstheaters, der frühere Opernsänger Schilling, gewesen sein. Plaut wurde wegen angeblicher beruflicher Verfehlungen zu 200 Schlägen mit dem Gummiknüppel verurteilt. Zur Vornahme der Prozedur wurde er in einen unter dem Versammlungslokal befindlichen Keller gebracht und dort auf einem Bock festgeschnallt. Die Misshandlungen wurden dann in der fürchterlichsten Form vorgenommen und dauerten fast zwei Stunden. Nach einer gewissen Zeit war P.  o h n m ä c h t i g  geworden, er wurde dann durch Uebergiessen mit Wasser wieder zum Bewusstsein gebracht und bekam dann von sogenannten Schwestern alkoholische Erfrischungen gereicht. Als er dann einigermassen wieder zur Besinnung gekommen war, gingen die Misshandlungen in derselben Weise weiter. Nach Beendigung der grauenvollen Züchtigung hatte er vollkommen das Bewusstsein verloren und wurde  blutüberströmt in einer Ecke liegen gelassen. Plaut wurde dann in seine Wohnung geschafft, wo er bis zu seinem Tode noch zehn Tage niederlag. Die herbeigerufenen Aerzte, der Nervenarzt Dr. Scholl und der Chefarzt des Landeskrankenhauses, Prof. Tönnisen, stellten die fürchterlichsten Verletzungen fest, unter anderem auch schwere Quetschungen der inneren Organe, besonders von Niere und Lunge. Der Rücken und die Beine wurden nach und nach völlig schwarz. Plaut musste auf seinem Krankenlager dauernd in Narkose gehalten werden, da er, sobald er zu Bewusstsein kam, vor Schmerzen so fürchterlich schrie, dass man es bis auf die Strasse hörte. Dr. Plaut, der ein sehr kräftiger Mann war, ist an den Folgen der Verletzungen nach etwa zehn Tagen gestorben.

Am gleichen Tag [... nun folgen noch vier weitere Fälle von Mißhandlungen, die z. T. ebenfalls schwere Verletzungen zur Folge hatten, in ihrem Ausmaß allerdings nicht an den Fall Plauts heranreichen].»

 

(Aus: Kammler / Krause-Vilmar, Volksgemeinschaft und Volksfeinde, S. 230-233.

Vgl. auch: Krause-Vilmar, Korrespondenten, bes. S. 295.)

 

 

 

2. August 2009:

6) Weitere Reaktionen, mit Stellungnahmen des Stadtbaurats
und der Unteren Denkmalschutzbehörde

 

Am 1. August berichtete auch der Extra-Tip über die Pläne, das historische Gebäude Wolfsschlucht 24-24a abzubrechen. „Nein, das stimmt ja so nicht. In Teilen soll die Fassade zum Beispiel wiederaufgebaut werden,“ versucht Stadt-Pressesprecherin Petra Bohnekamp zu beruhigen. Auch Stadtbaurat Norbert Witte will von einer Zerstörung nichts wissen: „Wir machen Abgüsse der feinen Arbeiten. Wenn alles fertig ist, wird die Fassade wieder Eins zu Eins aufgebaut. Es sieht später genauso aus wie heute.“ Auch von der lauten öffentlichen Kritik will der Baurat nichts bemerkt haben: „Bis zu mir ist die noch nicht durchgekommen.“ Die Apothekerin Ulrike Bohrmann-Witt verweist dagegen auf die bisher gezählten 500 Unterschriften zugunsten des Erhalts und erinnert an die Anfangszeit der Apotheke vor 18 Jahren: „Jeder Aufkleber wurde argwöhnisch von der Denkmalschutzbehörde beäugt.“ [...] Auch der Vorsitzende des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde, Karl-Hermann Wegner ist entsetzt: „Ich bin hoch enttäuscht von der Behörde und vom Denkmalbeirat. Und jetzt werden wir mit Nachdruck für den Erhalt eintreten.“

Von Dietmar Taubert, dem Leiter der Unteren Denkmalschutzbehörde erhielt der EXTRA-TIP folgende Antwort, wie mit der zunehmenden Kritik umgegangen werden wird: „Wir nehmen sachliche Kritik natürlich sehr ernst und stellen uns auch der Diskussion. Es sollte von der Seite der Kritiker aber auch gewürdigt werden, dass alle Beteiligten intensiv und ernsthaft die verschiedenen Möglichkeiten der Entscheidung bedacht und erörtert haben. Die Zustimmung zu dem Vorhaben, am Königsplatz ein neues Geschäftshaus zur Stärkung der Innenstadt zu errichten, erfolgte nach Abwägung aller Belange.“ Und auch Stadtbaurat Witte wiegelt ab: „Ich will nicht wissen, wie groß die Empörung gewesen wäre, wenn wir dem Modehaus keinen Platz zur Verfügung gestellt hätten.“

 

Daß die zahlreichen Presseberichte der letzten Zeit über Unmut und Proteste gegen den Abbruch nicht bis ins Rathaus durchgedrungen seien, ist zumindest erstaunlich. Zugleich wird aber auch deutlich: Der zunächst angekündigte Erhalt der Schmuckelemente wird nun auf Abgüsse und Nachbildungen der Schmuckelemente reduziert – was angesichts des Aufwands und der Schwierigkeiten einer sorgfältigen, zerstörungsfreien Abnahme auch realistischer ist. Damit werden die künftigen Rokoko-Dekorationen umso mehr die bloße Kopie der bereits historischen Kopie - jedoch mit dem großen Unterschied, daß die 20er Jahre mit der geschwungenen Gebäudefront und der Gesamtgestaltung des Anbaus auf gutem Niveau selbst schöpfe­risch tätig waren; was nun entstehen soll, ist eine nachgebildete Blend­fassade ohne Bezug zum Gebäude-Inneren, die lediglich dazu dienen soll, die Bevölkerung über den Abbruch eines der letzten historischen Bauwerke der Innenstadt hinwegzutrösten. Jedoch ist das Gebäude mehr als nur eine schöne Kulisse, sondern es besitzt als Ganzes einen architektur­geschichtlichen und historischen Wert. 

Auf die Frage der Abwägung der Belange ist bereits eingegangen worden; ergänzend sei allerdings noch auf die Modestädte Florenz und Paris hingewiesen, wo auch große und exklusive Modehäuser problem­los im historischen Bestand untergebracht sind. Und ein Gebäude wie Wolfsschlucht 24-24a, welches bereits in moderner Massivbauweise errichtet ist und teilweise als Bankhaus gedient hatte, wäre bei weitem einfacher umzunutzen als Altbauten mit Holzdecken und z. T. sogar schützenswerten Wand- ­und Deckendekorationen. Ohne die Nutzung des Gebäudekomplexes als Modehaus grundsätzlich abzulehnen, sei allerdings die Frage erlaubt, ob ein Modehaus tatsächlich mehr zur Stärkung der Innenstadt beiträgt als ein gut funktionierendes Geschäfts-, Büro- und Ärztehaus; und es sei die Frage erlaubt, ob nicht andere Teile der Innenstadt strukturpolitisch viel eher einer Stärkung bedürften als gerade die Kernlage an Königsstraße und Königsplatz, zwischen drei großen Einkaufsgalerien und drei bereits bestehenden großen Modehäusern (wobei mit Voepel, Overmeyer und Pohland drei weitere große Modehäuser erst in den letzten Jahren geschlossen haben bzw. bald schließen werden).

Zur letzten Aussage des Stadtbaurats sei angemerkt, daß das Gebäude von Anfang an als eingetragenes Kulturdenkmal bekannt gewesen sein muß. Wer als Großinvestor aber ein Kulturdenkmal erwerben möchte, sollte auch die damit verbundenen Rechte und Pflichten kennen, sollte also wissen, daß er im Normalfall eben keine Abbruchgenehmigung erhält. Es wäre damit aber für die städtische Verwaltung und die Denk­mal­pflege sogar einfacher, der Öffentlichkeit gegenüber die nachvollziehbare Anwendung geltenden Rechts zu begründen (nämlich die konsequente Ablehnung eines Abbruchs), als eine offen­kundige (juristisch freilich mögliche) erneute Ausnahme in „Abwä­gung der Belange“ zu recht­fertigen. In eine denkmal­pflegerische Abwägung wäre zudem die Außen­wirkung einer derartigen Entscheidung einzubeziehen – wie sie auch in zahlreichen Leser­kom­men­taren in der HNA sowie in den Aussagen des früheren Gebäudeverwalters (vgl. zum 30. Juli) und der Apothe­ken­inhaberin anklingt: Wie soll die Denkmalpflege in Zukunft noch die Notwendigkeit und Ver­bind­lich­keit detaillierter Auflagen vermitteln, die zwar ihre volle fachliche Berechtigung haben, aber vielfach z. T. kostenintensiver (sprich: unwirtschaftlicher) sind, z. T. sogar die Nutzung einschrän­ken und häufig sogar von Eigentümern und Nutzern als kleinlich empfunden werden, wenn andererseits zum wieder­holten Male Kultur­denkmäler in „Abwägung der Belange“ ganz aufgegeben und zum vollständigen Abbruch freigegeben werden?

  

 

6./7./11. August 2009 / 17. Oktober 2009 / 2. November 2009:

 

Am 4. August berichtete das Hessen-Fernsehen (HR) in der Sendung Hessenschau über die Abbruch­pläne und die Proteste (wobei auch der Vorsitzende des Vereins für Hessische Geschichte und Landes­kunde, Karl-Hermann-Wegner abermals das Abbruchvorhaben verurteilte), und am 5. August veröffent­lichte die HNA unter dem Titel „Das ist unglaublich dreist. Zu den Abrissplänen für den historischen Gebäudekomplex am Königsplatz“ weitere Leserbriefe: Zuschriften aus Kassel, Vellmar und Frankfurt am Main, die sich mit heftiger Kritik gegen die Abbruchpläne und die städtische Politik wenden.

 

 

 

 

7) Nachtrag zur Gebäudegeschichte: Architekt und Hintergründe des Baues

 

Es wird immer interessanter! Am 7. Oktober 1936 erschien in den Kasseler Neuesten Nachrichten ein Artikel zum Haus Königsplatz 55, aus der Reihe „Berühmte Kasseler Bürgerhäuser“. Darin werden in erster Linie die reichen Dekorationen des Brühlschen Hauses gewürdigt; außerdem erwähnt der Autor, daß die Erben der Kaufmannsfamilie Ganß das Haus 1921 an die Darmstädter und Nationalbank verkauften, beklagt den Abbruch des gegenüberliegenden Eckhauses Nr. 57 im Jahre 1907 zugunsten eines Bankhauses und berichtet schließlich:

Um das Haus Königsplatz 55 wäre es im Jahre 1921 beinahe auch geschehen gewesen. Die Danat-Bank, die es damals für ihre Kasseler Niederlassung erworben hatte, ging zunächst mit dem Gedanken um, den Rokokobau abzureißen und durch ein Gegenstück zu dem gegenüberliegenden Bankhaus zu ersetzen. Der Denkmalsschutz griff aber mit Erfolg ein, so daß die Bank ihre Neubaulust zähmen mußte. Für die Erweiterung des Hauses nach der Wolfsschlucht wurde ihr überdies noch zur Pflicht gemacht, den Erweiterungsbau in der gleichen Höhe, in der gleichen Gliederung und in der gleichen Fassaden­gestaltung auszuführen, wie sie bei dem alten Haus am Königsplatz zu finden sind. Die Bank kam diesem Verlangen auch nach und so blieb der Rokokobau am Königsplatz nicht nur erhalten, er wurde sogar noch erweitert. Und wenn die Front Ecke Kölnische Straße und Wolfsschlucht auch nur eine Kopie ist, ihre Gestaltung wahrt den besten Eindruck und gab dem alten Haus neue Geltung.

Also kein anachronistischer Gestaltungswille eines einzelnen Bauherrn, sondern ganz im Gegenteil ein Erfolg der damaligen Denkmal­pflege (Erhalt des Altbaues) und sicherlich vor allem auch der Bau­beratungs­stelle unter Erich Labes (Anpassung der Erweiterung)! Damit ist anzu­nehmen, daß ent­sprechende Akten, welche die damaligen Hintergründe näher beleuchten, auch noch heute erhalten sind: im Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Außenstelle Marburg.

 

Der Architekt des Erweiterungsbaues läßt sich mittlerweile auch feststellen: Im Stadtmuseum Kassel ist eine Serie mehrerer Photographien vom Äußeren und Inneren des Gebäudekomplexes erhalten; einige von ihren sind beschriftet, mit der Bemerkung Ausgeführt 1923, und sie tragen den Stempel:

 

ARCHITEKT BDA

KARL WITTROCK

[...] WEYRAUCHSTR. 8

 

 

 

Karl Wittrock gehört tatsächlich zu dem weiteren Kreis um Erich Labes und Ernst Rothe; am 2. März 1894 in Kassel geboren, absolvierte er zunächst eine Maurerlehre und schloß im März 1913 an der Baugewerkschule Kassel mit der Note gut ab. Nach seiner Teilnahme am Ersten Weltkrieg 1914-17 arbeitete er zunächst in der staatlichen Bauverwaltung; 1919 kehrte er aus Berlin nach Kassel zurück und machte sich 1920 als freischaffender Architekt selbständig, so daß Umbau und Erweiterung der Danat wohl als sein erstes großes Werk anzusehen sind. Seit 1919 Mitglied der SPD, engagierte er sich später im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold und war in den Jahren 1929-33 ehrenamtlicher Stadtrat in Kassel; im März 1933 wurde er zusammen mit Georg August Zinn vorübergehend in Schutzhaft genommen. 1945 wurde er Leiter der Wiederaufbauabteilung beim Regierungs­präsidenten in Kassel, 1950 wechselte er als Leiter der Landesplanung (Ministerial­direktor) nach Wiesbaden; dort verfaßte er den ersten Raumordnungsplan Hessens. Mit seinem Architekturbüro ging er zunächst eine Sozietät mit dem Architekten Eduard Moos ein, der nach dem Fortgang Wittrocks nach Wiesbaden das gemeinsame Büro ganz übernahm. Wittrock starb am 18. Febr. 1990 in Wiesbaden. Sein gleichnamiger Sohn (1917-2000) war u. a. 1953-63 Bundestagsmitglied (dabei seit 1956 Mitglied des Fraktionsvorstands der SPD), 1963-67 Regierungspräsident in Wiesbaden, 1967-74 Staatssekretär im Bundesverkehrs­ministe­rium und 1978-85 Präsident des Bundesrechnungshofs.

Interessant ist zudem, daß das Architekturbüro Wittrock im Adreßbuch für 1949 als Mieter des Hauses geführt wird – damit ist anzunehmen, daß derselbe Architekt, der den Bau 1921-23 errichtet hat, auch die ersten Instandsetzungsarbeiten nach 1943 betreute (Aufsetzen des flachen Notdaches, Ausbes­serung weite­rer Schäden).

 

Weitere Bauten Karl Wittrocks:

-    1922-29 Fasanenhofsiedlung, nach Vorgaben Erich Labes’ und Ernst Rothes, für die Gemein­nützige Siedlungs- und Baugenossenschaft Fasanenhof

-    1923 Beteiligung am Bau des Städt. Flußbades (Auebad),

-    um 1925 das eigene Privathaus, Weyrauchstraße 8,

-    1926 Beteiligung an den Siedlungsbauten Marburger Straße / Gelnhäuser Straße / Hersfelder Straße auf dem Rothenberg,

-    1926/27 Zentrale des Konsum- und Sparvereins Kassel, Hafenstraße 76,

-    Ausstattung des Konsumladens Oberste Gasse 56,

-    Umbau des Kasseler Volksblatts, Bahnhofstraße 10,

-    1927 Siedlung Ellerhofstraße / Boppenhauserstraße / Graßweg (sog. Feuerwehrsiedlung),

-    1949/50 Wiederaufbau Mörikestraße 27,

-    1950/51 Wiederaufbau Ihringshäuser Straße 81.

 (Nach: Architektenkartei des Stadtarchivs Kassel;

Beier, Arbeiterbewegung, S. 603;

Schlier / Most, Wohnungsbau, S. 52-55;

photographíscher Nachlaß Karl Wittrocks

im Stadtmuseum Kassel, Bestand 91)

 

 

Einige der genannten Bauten sind oben bereits als charakteristische Beispiele des „aufgeklärten Traditiona­­lis­mus“ aufgeführt – diese Zuordnung trifft auch auf die meisten übrigen Bauten zu, wobei sich bei Wittrock Heimatschutzelemente, expressionistische Formen und neue Sachlichkeit mischen: So entspricht der Entwurf für das Hauptgebäude des Konsum- und Sparvereins mit Mansarddach und Fenster­formen eher dem „aufgeklärten Traditionalismus“, während das zugehörende Lagergebäude mit Fenster­bändern und Flachdach der neuen Sachlichkeit folgt. Auch die Ausstattung der Danat bewegt sich zwischen historisch-traditionellen und expressionistischen Formen:

 

 

91_0007_01 I

 

Ansicht des Erweiterungsbaues um 1923

Ganz links sieht man die Seitenfront des Brühlschen Hauses. Der Eingang des Anbaues befindet sich genau in der mittleren der insgesamt 17 Fensterachsen, wobei die Regenfallrohre ein bewußtes Gliederungselement sind (Teilung: 6 Achsen, 5 Achsen, 6 Achsen). Die Tür in der äußeren rechte Achse des Anbaus wurde nach 1945 an die ehem. Brandmauer zum Nachbarhaus Wolfsschlucht 22 versetzt, heute befindet sich dort wieder der Eingang zur Apotheke. Die Tür in der äußeren linken Achse des Anbaus (heute befindet sich dort der Ladeneingang) führte in einen Vorraum, von dem aus man in die seitliche Eingangshalle des Kassenraums gelangte.

(Stadtmuseum Kassel, 91/7.1)

 

 

Pae_1_090_f I

 

Die beiden Hauseingänge an der Wolfsschlucht, Mitte der 1930er Jahre

Die Türen waren ursprünglich anscheinend holzsichtig lasiert, wie beim Vorbild Königsplatz 55.

(Stadtmuseum Kassel, Pae I/90-f und Pae I/90-e)

 

 

91_0007_12 I

 

Eingangsraum der Danat mit Tür zur Kassenhalle, 1923

Der Raum lag hinter der Eingangstür im Risalit des Brühlschen Hauses und reichte über die ganze Gebäudetiefe.

Die Tür zur Kassenhalle befand sich in der Rückseite des Hauses;

das Gitter über der Tür enthielt die Initialen DN für „Darmstädter und Nationalbank“.

(Stadtmuseum Kassel, 91/7.12)

 

 

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Kassenhalle der Danat, 1923

Die Halle überbaute den Innenhof, wobei die Schalter rechts und vor Kopf bereits unter dem Anbau an Kölnischer Straße und Wolfsschlucht lagen. Die Ausstattung ist im konservativ-traditionellen Stil jener Zeit gehalten.

(Stadtmuseum Kassel, 91/7,8)

 

 

91_0007_09 I

 

Kassenhalle der Danat, 1923

Rechts im Hintergrund die Rückseite des Brühlschen Hauses mit der oben abgebildeten Tür. Hinter der linken Bogenreihe, die zur schon Außenmauer des Anbaus gehört, befand sich die seitliche Eingangshalle mit einem Treppenaufgang.

(Stadtmuseum Kassel, 91/7,9)

 

 

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Blick aus der Kassenhalle in die seitliche Eingangshalle im Anbau, 1923

Die Treppe dürfte der Haupttreppe des Brühlschen Hauses nachgebildet gewesen sein und führte zu den Büro- und Direktions­räumen in den beiden Obergeschossen. Der offene Eingangs­raum im Hintergrund befand sich hinter der Tür an der Kölnischen Straße.

(Stadtmuseum Kassel, 91/7,5)

 

 

91_0007_04 I

 

Kleiner Schalterraum, 1923

Die Lage dieses Raumes ist unsicher. Er war in modernen expressionistischen Formen gestaltet.

(Stadtmuseum Kassel, 91/7,4)

 

 

 

 

 

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Sitzungszimmer, 1923

Die Lage des Raumes ist nicht geklärt, vermutlich befand
er sich im 2. Obergeschoß des Erweiterungsbaues;
die Ausstattung war konservativ-zeitgemäß.

(Stadtmuseum Kassel, 91/7,10)

 

 

91_0007_11 I

 

Direktionszimmer, 1923

Dieser runde, ebenfalls konservativ-zeitgemäße Raum befand sich offenbar im 2. Obergeschoß hinter der Fassadenbiegung an der Ecke Kölnische Straße / Wolfsschlucht

(Stadtmuseum Kassel, 91/7,11)

Diese Auswahl an Photographien zeigt, daß auch die neuen Innenräume des Bankhauses z. T. einzelne Stilformen des Brühlschen Hauses aufgriffen, im Ganzen aber wiederum eine eigenständige Leistung darstellten. Die Ausstattung war überwiegend konservativ, ohne jedoch bestimmte historische Stile zu kopieren; damit schließt sie an die Bauentwicklung des 2. Jahrzehnts des 20. Jh. an, die sich schon vom Jugendstil weitgehend gelöst hatte und an barocke und klassizistische Formen anknüpfte. Die kleine Schalter­halle und die Wände der seitlichen Eingangshalle zeigen dabei schon eine moderne expressio­nistische Gestaltung.

In der Serie des Kasseler Photographen Karl Geis ist leider keine Aufnahme eines weiteren runden Raumes vorhanden, der im 1. Obergeschoß hinter der Fassadenbiegung liegt: Er ist in Anlehnung an frühklassi­zisti­sche Stilformen gestaltet; seine Wände sind in einzelne Felder mit Schmuckleisten geglie­dert, seine Decke weist Stukkaturen und Malereien auf. Nach freundlicher Mitteilung von Herrn Achim Wickmann wurde dieser Raum vor einiger Zeit aufwendig nach den Vorgaben der Denkmalpflege restau­­riert, wobei man aus Kostengründen je­doch auf eine Freilegung weiterer, überstrichener Male­reien verzichtete – im Falle eines Abbruches gingen diese also undoku­mentiert ver­loren. Der Raum diente zuletzt als Besprechungs­zimmer, der Tisch wurde inzwischen an das Kasseler Henschelmuseum ab­gegeben.

(Alle Bildrechte liegen beim Stadtmuseum Kassel.)

 

 

Die Kassenhalle überstand in der Grundsubstanz den Zweiten Weltkrieg, auch das Oberlicht und ihr rund­bogiger Haupteingang blieben bei der Wiederherstellung zunächst an der alten Stelle. Wieviel von ihrer Substanz nach den weiteren Umbauten (beim Neubau von Königsplatz 55 und beim jüngsten Einbau der Ladenpassage) heute noch erhalten ist, kann gegenwärtig nicht beurteilt werden.

Die Photographien der Vorkriegszeit lassen auch die geringfügigen Veränderungen erkennen, die bei der Wiederherstellung der Putzfassade nach 1945 vorgenommen wurden: Die Dekorationen über den Fen­stern des 1. Obergeschosses (bzw. Erdgeschosses) wurden weitgehend beseitigt, die Putzspiegel über den Fenstern dabei verändert (1). Diese Verän­de­run­gen der Fassadengliederung sind aber reversible Maßnahmen, die den Denkmal­wert des Gebäudes auch nicht schmälern; der exakte Original­zustand der Gliederung, wie er aus den Photographien berechnet werden kann, müßte auch durch Befund­unter­suchungen zu bestätigen sein (und eine Wieder­herstellung ist langfristig natürlich wünschenswert). Die Spiegel­flächen zwischen den Fenster­achsen und unter den Fenstern des 1. Obergeschosses (bzw. Erdgeschos­­ses) sind dagegen unverändert erhalten, eben­so erst recht die Abgüsse der Original­dekora­tionen von 1770. Ein Abbruch der Fassade mit nachfolgen­dem Neubau als Kopie würde die Möglichkeit von Befund­untersuchungen jedoch für immer zunichte machen, was auch für das Ermitteln der Farbigkeit von 1923 gilt.

Offenbar ist auch das Nebentreppenhaus noch vorhanden, welches hinter dem rechten Eingang an der Rückseite lag – die Treppe allerdings ganz oder teilweise unzugänglich vermauert. Auch dieser Bestand dürfte damit bei einem Abbruch undokumentiert verloren gehen.

 

(1)     Die Spiegelbreite entsprach genau der lichten Fensterbreite und ist damit exakt rekonstruierbar (vgl. die folgende Anm.). Nicht mehr vorhanden ist heute die Fortsetzung der seitlichen Putzrahmen oberhalb der Fenster des 1. Obergeschosses (bzw. Erdgeschosses), hinter den bekrönenden Schmuckformen. (Die heutige Spiegelbreite in den Fensterachsen zwischen den beiden oberen Geschossen ist von den Spiegeln unter den Fenstern des 1. Obergeschosses (bzw. Erdgeschosses) abgenommen.

 

 

 

12. August 2009:

 

8) Weitere Reaktionen und Stellungnahme des Stadtbaurats

 

Am 6. August stellten der Lichtkünstler Oliver Bienkowski und Achim Wickmann in einer Protestaktion 14 kleine Särge auf der Rathaustreppe auf und trugen den Kasseler Denkmalschutz symbolisch zu Grabe. Die schwarzen Särge mit der Aufschrift „R.I.P. Denkmalschutz“ und einem blau beleuchteten Photo des Henschelhauses sollen an Geschäfte im und rund um das Gebäude verteilt werden. Wickmann wies nochmals darauf hin, daß die Innenstadt von kleinteiligen Mietern und nicht von den großflächigen Galerien lebe. Bienkowski erklärte: „Wenn wir unsere Vergangenheit zerstören – werden unsere nachfolgenden Generationen Geschichte nur noch im Museum oder am Computer erleben können.“

 

Am 11. August erschienen in der HNA sieben weitere Leserbriefe aus Kassel und dem Umland, gegen den Abbruch des Gebäudes.

 

Am 12. August veröffentlichte die HNA eine umfangreiche Stellungnahme des Stadtbaurats Norbert Witte:

Die Kritik gehe seiner Ansicht nach in zentralen Punkten an der Realität vorbei. "Die Fassade des Henschel-Hauses wird komplett erhalten, am Stadtbild an der Wolfsschlucht ändert sich nichts", sagt er. Der mögliche Neubau für ein 6000 Quadratmeter großes Kaufhaus von Peek&Cloppenburg werde nicht höher als die vorhandene Bebauung. Zum Vergleich: Der City-Point ein paar Meter weiter am Königsplatz hat immerhin 25 000 Quadratmeter Verkaufsfläche.

Doch kann die Fassade des Henschel-Hauses einen möglichen Neubau überhaupt unbeschadet überstehen? "Es wird einen Architektenwettbewerb geben, danach sind wir schlauer", sagt Norbert Witte.

Es gebe jedoch ganz klare Auflagen dafür, dass die Außenfront des denkmalgeschützten Hauses inklusive des Mansarddaches und der Türen originalgetreu erhalten bleiben müsse. Alles werde vor Beginn der Arbeiten detailgenau dokumentiert, von den Stuckelementen würden Abgüsse gemacht, um sie bei Bedarf rekonstruieren zu können. Auch Stuckteile, die im Lauf der Jahre verloren gegangen seien, würden wieder hergestellt.

Auch für die Front des Kaufhauses zum Königsplatz gebe es Auflagen. Der Neubau müsse sich in die durch die Nachbarhäuser vorgegebene Struktur einpassen und dürfe nicht höher werden. Der Bauherr akzeptiere diese Vorgaben. Witte rechnet damit, dass der Bauantrag bald gestellt wird. Im kommenden Jahr könne dann mit den Arbeiten begonnen werden.

Die Stadt Kassel habe sich über viele Jahre bemüht, dem Ansiedelungswunsch von Peek & Cloppenburg gerecht zu werden, sagt Kassels Stadtkämmerer Dr. Jürgen Barthel (SPD). "Für uns ist Peek & Cloppenburg ein wichtiger Partner, um die Innenstadt zu stärken."

Das neue Modehaus bringe Arbeitsplätze und Gewerbesteuereinnahmen für die Stadt und werde als weiterer Anziehungspunkt zusätzliche Kunden nach Kassel locken.

 

Der zuständige Ressortleiter der HNA, Uli Hagemeier, kommentierte dies mit folgenden Worten:

Es ist das letzte schöne alte Gebäude an der Wolfsschlucht. Eines der wenigen Zeugnisse des alten Kassel vor der Zerstörung im Feuersturm 1943. Deshalb darf das Henschel-Haus nicht einfach abgerissen und durch einen gesichtslosen Einkaufstempel ersetzt werden.

Doch muss der Neubau von Peek&Cloppenburg wirklich zu einem Fremdkörper im Stadtzentrum werden? Wohl kaum. Wenn es wirklich gelingt, die Fassade des Henschel-Hauses zu retten, dann ist schon viel gewonnen. Mehr von diesem Gebäude bekommt auch heute kaum jemand zu sehen. Nehmen wir Stadtbaurat Norbert Witte beim Wort, dass die Hausfront in allen Details erhalten bleibt.

Zum Königsplatz hin bestehen sogar gute Chancen, das bislang triste Aussehen in diesem Bereich aufzuwerten. Zudem kann die Ansiedlung eines renommierten Modehauses eine Magnetwirkung haben.

Das ist allemal besser als Stillstand, funktioniert aber nur mit Respekt vor dem Alten.

 

Man erinnere sich: Ausgangspunkt der Kritik und der öffentlichen Proteste war: Das historische Gebäude – ein eingetragenes Kulturdenkmal – wird abgebrochen und lediglich die Fassade bleibt erhalten; wobei es passieren könnte, daß am Ende auch nur eine Fassaden­kopie errichtet wird.

Nun gibt es also einen Erfolg? Der Stadtbaurat sichert zu: Das historische Gebäudes wird abgebrochen, aber es soll immerhin die Fassade erhalten bleiben; falls dies nicht gelingt, werde zumindest eine Fassaden­kopie errichtet... 

Man erkennt leicht, daß die Beschwichtigung an der Kritik vorbeigeht und nicht die Kritik an der Realität. Das städtischerseits zugesagte Vorgehen wäre dann akzeptabel, wenn es sich um ein Gebäude innerhalb einer geschützten Gesamtanlage handelte, das selbst aber keinen Denkmalwert beansprucht. In einem solchen Fall bliebe die Einheitlichkeit der Gesamtanlage auch weiterhin gewährleistet; alles, was hinter der Fassade liegt, wäre jedoch nie geschützt gewesen. Doch liegen hier die Verhältnisse ganz anders: Das Gebäude von 1921-23 ist kein Bestandteil einer Gesamtanlage, es ist selbst ein Kultur­denkmal; die schützenswerte Qualität betrifft nicht nur die Fassade, sondern auch die Durchplanung des Gebäudes bis in das Innere (vgl. Kapitel II,1b, II,3b, II,5a, vgl. auch II,7). Jeder gewöhnliche Eigentümer eines Kulturdenkmals muß zurecht auch über Maßnahmen im Inneren Rechenschaft ablegen und sie genehmigen lassen. In diesem Fall galt das in besonderem Maße für den ovalen Saal im 1. Obergeschoß (bzw. Erdgeschoß) und sicherlich ebenso für das Treppenhaus. Und mit der Option, die Fassade durch eine Kopie zu ersetzen, wird selbst die Denkmal­eigenschaft der Fassade für immer aufgegeben (die Front unter­­liegt damit auch künftig keinen Denkmalschutzbestimmungen mehr, Veränderungen können willkürlich durchgeführt werden). Der baugeschichtliche Quellen­­wert des Gebäudes geht im Ganzen verloren, es bleibt der Totalverlust eines Kultur­denkmals.

 

Das Argument, das Innere sei bislang auch nur Wenigen zugänglich gewesen, greift dabei zu kurz; was wäre dann mit den archäologischen Bodendenkmälern, die vollständig in der Erde verborgen sind? Was mit Treppenhäusern, Stuckdecken und Wanddekorationen in Privathäusern? Der Denkmalschutz wird auf diese Weise letztlich auf Stadtbildpflege reduziert; der historische, baugeschichtliche (und in Einzel­fällen auch technische) Aspekt der Denkmalpflege bleibt dabei vollkommen unberücksichtigt. Echter Respekt vor dem Alten (und vor dem Denkmalschutz) würde hier bedeuten: denkmalgerechte Ein­bezie­hung des historischen Gebäudekomplexes in das Modehaus; z. B. Mode in einem Saal mit Stuck­dekorationen und ein stilechtes Nebentreppenhaus etc. als Zeichen wirklicher Exklusivität, wie sie von dem Modehaus auch propagiert wird.

 

13. August 2009:

 

Die HNA berichtet: Nach Angaben der Stadt wurde gestern die Bauvoranfrage positiv beschieden. Der Bauherr, der an dieser Stelle ein Kaufhaus für das Bekleidungsunternehmen Peek&Cloppenburg errichten will, kann jetzt einen Bauantrag stellen.

Nach Angaben von Baurat Norbert Witte (CDU) muss der Investor einen Architektenwettbewerb für die Gestaltung aller Fassaden ausloben. Das neue Geschäftshaus müsse sich in die vorhandene Bebauung einfügen.

Kritik hatte es wegen des geplanten Abrisses des historischen Gebäudes an der Wolfsschlucht gegeben. Hier soll nach Angaben von Witte die vorhandene Fassade mit dem Mansardendach erhalten bleiben. Sollte dies technisch nicht möglich sein, müsse sie detailgetreu rekonstruiert werden.

 

26./27. Oktober 2009:

 

Am 14. und 19. August berichten HNA und Extra-Tip: Die Leiterin der Palmen-Apotheke, Ulrike Bohrmann-Witt, und der frühere Verwalter des Henschelhauses, Achim Wickmann, haben 1840 Unterschriften für den Erhalt des Gebäudes im Rathaus übergeben. Entgegengenommen wurden sie vom Leiter des Amtes für Stadtplanung und Bauaufsicht, Heinz Spangenberg. In einem sachlichen Gespräch seien noch einmal die jeweiligen Standpunkte deutlich gemacht und erläutert worden.

 

Am 17. August wurde eine Pressemitteilung des SPD-Ortsvereins Altkassel in der HNA veröffentlicht: Der SPD-Ortsverein Altkassel setzt sich dafür ein, dass die Fassade des Henschelhauses an der Wolfsschlucht erhalten bleibt. Zumindest ein kleines Stück des alten Kassel müsse gesichert werden. Die Stadtverwaltung sei in der Pflicht, ihre Zusage einzuhalten und die Möglichkeiten des Baurechts konsequent zu nutzen. Gleichzeitig spricht sich der SPD-Ortsverein dafür aus, dass sich Peek&Cloppenburg am Königsplatz ansiedelt. Dies biete die Chance auf eine attraktivere Innenstadt und neue Arbeitsplätze, schreibt der Ortsvereinsvorsitzende Gerd Möller in einer Pressemitteilung.

Er regt einen Vertrauenspakt zwischen den Bürgern und dem Magistrat an. Ziel müsse es sein, ein städtebauliches Entwicklungskonzept zu vereinbaren. Darin soll festgeschrieben werden, dass sich Denkmalschutz und Stadtverwaltung wirtschaftlichen Interessen nicht beugen: „Die wenigen baulichen Zeugnisse unserer Vergangenheit müssen erhalten bleiben.“

 

Nach weiteren Leserbriefen, die am 19., 20. und 26. August, am 11. und 12. September veröffentlicht wurden, verschwindet das Thema zunächst aus der Lokalpresse, bis zum 22. Oktober 2009:

Am Jahrestag der Zerstörung Kassels 1943 erinnert die HNA ausführlich an die Ereignisse vor 66 Jahren und berichtet in derselben Ausgabe auch über die aktuelle Entwicklung beim Henschelhaus:

Das alte Kassel mit tausenden von historischen Bauwerken – es ist in den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs und besonders in der vom 22. Oktober 1943 für immer verloren gegangen. Kaum noch etwas erinnert an das alte Stadtbild, weil beim Wiederaufbau kein Versuch der Rekonstruktion unternommen wurde. Die zweite Zerstörung der Stadt, der Neuaufbau, er hält bis in die heutigen Tage an. Umso wichtiger ist es, zumindest die Bilder zu bewahren [...] (Kommentar von Horst Seidenfaden zur neuen Bildergalerie auf www.hna.de.)

Der Gesamtkomplex des Henschelhauses ist bereits weitgehend geräumt; auf den Unterschriftenlisten in der Apotheke [die zuletzt allerdings nicht mehr aktiv beworben wurden] haben sich bislang 3000 Menschen für den Erhalt des historischen Gebäudes eingetragen, und die Initiative Pro Henschelhaus von Achim Wickmann hat zusammen mit Karl-Hermann Wegner, dem Landesvorsitzenden des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde, ein Schreiben an alle Stadtverordneten verschickt. Darin heißt es: „Während andere Städte mühsam versuchen, ihre Geschichte durch aufwändige und teure Rekonstruktionen zurückzugewinnen, wird in Kassel eines der letzten historischen Gebäude der Innenstadt zum Abbruch freigegeben, ohne zu berücksichtigen, dass auch Kulturgüter einer Stadt wirtschaftliche Faktoren für die Innenstadtentwicklung sind.“ Eine begleitende Darstellung zur Gebäudegeschichte und zur kulturhistorischen Bedeutung wurde beigelegt; einige Aspekte daraus wurden im Zeitungsartikel kurz zusammengefaßt (der zunächst geplante Abbruch des Brühlschen Hauses und die Auflagen von 1921 vor dem Hintergrund des Ortsstatuts gegen Verunstal­tung). „Wir erwarten eine wirkliche, bisher nicht stattgefundene Klärung auf politischer Ebene“, sagt Wegner. Die Stadtverwaltung [...] verweist auch auf die positiven Effekte für Arbeitsmarkt und Wirtschaft, wenn ein neues Modehaus in die Innenstadt zieht. Der Stadtverordnetenvorsteher Jürgen Kaiser sagt, es liege nun an den Rathaus­fraktionen, ob das Thema Henschelhaus auf die Tagesordnung einer Stadtverordnetenversammlung genommen wird.

Auf der folgenden Doppelseite wird dann ausführlich über die Zerstörung 1943 und die neue Bild­dokumentation der HNA im Internet berichtet. 

 

 

Am 24. Oktober erschien in der HNA ein Interview mit dem Leiter der Unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt Kassel, Dietmar Taubert. Anlaß war der Fall eines Bauunternehmers, der in Harleshausen ein Einfamilienhaus aus den 1950er Jahren gekauft hatte und dort einen Neubau errichten wollte. Was er und die Vorbesitzerin nicht wussten: Das Gebäude steht unter Denkmalschutz. Harleshausen wird in dem Band behandelt, der gerade veröffentlicht wurde. Nun liegen die Pläne des Unternehmers auf Eis, 50.000 Euro habe er vergeblich investiert. (Göran Gehlen: Wenn das eigene Haus plötzlich ein Denkmal ist, in: HNA vom 21. Oktober 2009.)

Das Henschelhaus in Kassel soll einem Neubau weichen, obwohl es unter Denkmalschutz steht. Ein Bauunternehmer hingegen darf sein denkmalgeschütztes Haus in der Seebergstraße nicht abreißen. Wir fragten den Abteilungsleiter der Unteren Denkmalschutzbehörde:

Wieso darf das Henschelhaus abgerissen werden, ein Privathaus dagegen nicht?

Dietmar Taubert: Von der rechtlichen Einordnung sind beide Gebäude gleich. Am Königsplatz gibt es aber großes öffentliches Interesse. Dort hat die Qualität der Geschäfte nachgelassen. Ein hochwertiges Kaufhaus würde Arbeitsplätze und Geld nach Kassel bringen. In der Seebergstraße geht es nur um persönliche Interessen: Ein Unternehmer hat ein Grundstück gekauft und möchte bauen.

Wieso ist der Denkmalschutz des Henschelhauses plötzlich unwirksam?

Taubert: Laut Denkmalschutzgesetz darf ein Denkmal in besonderen Fällen beseitigt werden. So etwas geschieht im Einvernehmen mit dem Landesamt für Denkmalpflege und dem Denkmalbeirat. Ein Beispiel ist die Tribüne des Auestadions. Sie war als Denkmal eingetragen. Eine Sanierung wäre aber unverhältnismäßig teuer geworden. Zudem hätte sie den Denkmalwert so geschmälert, dass die Tribüne kein mehr Denkmal [sic] gewesen wäre.

Kritiker sagen, solche Entscheidungen beschädigen die Glaubwürdigkeit des Denkmalschutzes. Haben sie Recht?

Taubert: Sicher kann man das so sehen. Viele wissen aber gar nicht, wie unsere Entscheidung zu Stande gekommen ist. Das war kein Schnellschuss, wir haben intensiv beraten. Zudem haben wir uns mit der Entscheidung, die Fassade des Henschelhauses zu erhalten, viel Kritik aus Fachkreisen eingehandelt. Das Haus ist nur eine Kopie und keineswegs aus dem Rokoko. Die Entscheidung ist allein den Kasselern geschuldet, denen historische Gebäude in ihrer Stadt fehlen. Dem tragen wir Rechnung. Nach dem Neubau wird die Fassade des Hauses voraussichtlich wie vor der Zerstörung im Krieg aussehen.

 

Zunächst sei zu dem Fall in Harleshausen angemerkt, daß er formal korrekt abgelaufen ist. Da die Bearbeitung der Denkmallisten viel Zeit beansprucht, wäre es fatal, wenn Kulturdenkmäler erst ab ihrer Eintragung geschützt würden – ihr Schutz wäre dann alleine von der zufälligen Reihenfolge abhän­gig, mit der die jeweiligen Denkmallisten bzw. Denkmaltopographien für die Städte und Landkreise bearbeitet werden. Daher hat es der Gesetzgeber so eingerichtet, daß jedes Kulturdenkmal per se unter Schutz steht, auch ohne formellen Akt; die Aufgabe, sich vor einem Bau­vorhaben über eine mögliche Denkmaleigenschaft zu informieren, liegt damit beim Eigentümer. – In gleicher Weise hätten allerdings auch die Berliner Projektentwickler, welche das Henschelhaus gekauft haben, sich über die mögliche Denkmaleigenschaft informieren und dann ihr Nutzungskonzept danach richten müssen. – Nun kommt aber das öffentliche Interesse ins Spiel, welches in erster Linie durch einzelne Dezernenten formuliert wird (schließlich haben weder die Stadtverordnetenversammlung noch  deren Aus­schüsse das Thema bislang behandelt); also betrachten wir die wirtschaftlichen Argumente:

Am Königsplatz habe die Qualität der Geschäfte nachgelassen, ein neues Modehaus würde dagegen Arbeits­plätze und Geld nach Kassel bringen. – In der Tat gibt es am Königsplatz Leerstand; in erster Linie ist dabei das ehemalige Modehaus Overmeyer zu nennen, zum anderen hat gerade das Modehaus Pohland in der angrenzenden Königs­straße aufgegeben – Pohland wiederum hatte die Herrenabteilung des Mode­hauses Voepel über­nommen, welches bereits vor einigen Jahren unter dem Konkurrenzdruck in der Kasseler Textilbranche schließen mußte. Die übrige Einzelhandelsstruktur am Platz ist überwiegend seit Jahren stabil geblieben, darunter mehrere Straßencafés und weitere Gastronomie­betriebe, ein Spielwarenladen, eine Apotheke und ein größerer, traditionsreicher Lederwarenladen, außerdem eine Nieder­lassung der Deutschen Telekom. Hinzu kommen zahlreiche Einzelhandelsläden in der Einkaufs­galerie City-Point. Wesentliche größere Probleme bestehen dagegen in der Wilhelmsstraße: Dieses Quartier hat seit der Eröffnung des City-Point gerade unter der Schwerpunktverlagerung an den Königsplatz zu kämpfen, und mehrere Einzelhandelsläden stehen leer. (Vgl. hierzu die HNA vom 26. Aug. 2009; Martina Pape, stellvertretende Vorsitzende des Vereins Quartier Wilhelmsstraße: „Wir haben eine enorme Umverteilung Richtung Königsplatz.“ Wenn Peek&Cloppenburg komme, werde sich das noch verstärken, befürchtet die Geschäftsfrau.) 

In Hinblick auf Arbeitsplätze und Geld lohnt ein Vergleich mit dem Geschäftshaus Königsstraße 30: Für diesen Neubau wurden erst vor drei Jahren die letzten Reste des Palais Reichenbach geopfert, einer der Haupt­mieter ist eine große Buchhandelskette (die dritte in der Innenstadt); als unmittelbare Folge schlossen zwei ortsansässige Buch­hand­lungen im Stadtzentrum, eine weitere gab ihr Ladenlokal auf, verkleinerte sich und spezia­lisierte sich auf juristische Fachliteratur. Im Textilgewerbe, um das es beim Henschelhaus geht, haben sogar schon vor einigen Jahren mehrere ex­klu­sive Einzelhandelsgeschäfte in der gesamten Innenstadt geschlossen. Es ist zumindest wahrscheinlich, daß sich diese Ent­wick­lung nun fortsetzen wird – durch neue Ansiedlungen steigt üblicherweise nicht auch die Kaufkraft, son­dern es kommt lediglich zu einer Umverteilung; in der Regel zugunsten der großen, ortsfremden Filia­listen und zu­lasten der inhaber­geführten, ortsansässigen Geschäfte. Die freiwerdenden Läden der Einzelhändler wurden bisher zumeist durch andere Filialisten bzw. Billigketten belegt. Ob diese Entwicklung zu begrüßen oder zu bedauern ist, sei dem Leser überlassen – um diese Frage soll es hier nicht gehen. Entscheidend ist, daß eben bestenfalls eine wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Umverteilung zu erwarten ist; an anderer Stelle mag dies unproblematisch sein und sogar eine echte punktuelle Verbesserung darstellen – hier ist dafür jedoch der Preis zu hoch: nämlich der Verlust eines Kultur­denkmals. 

Und dies ist der letzte Punkt: Zudem haben wir uns mit der Entscheidung, die Fassade des Henschelhauses zu erhalten, viel Kritik aus Fachkreisen eingehandelt. Das Haus ist nur eine Kopie und keineswegs aus dem Rokoko. Zunächst einmal bleibt die Fassade keineswegs erhalten: Es wird lediglich nach ihrem Abriß ein Nachbau gefordert. Dies wäre dann tatsächlich nur noch eine bloße Kopie – anders als das historische Original! Denn 1921 übernahm man lediglich die vorhandenen Dekorationsformen für einen Neubau, der einen vollkommen eigenen, qualitätvollen Entwurf darstellt. Dies ist ein feiner, aber bedeutender Unterschied! Auch der Hinweis, daß das Haus nicht aus dem Rokoko stamme, führt nicht weiter: Es ist ebenso Ausdruck seiner eigenen Zeit (in diesem Fall gerade eben durch seine stilistische Anpassung), und keine Epoche ist grundsätzlich weniger wert als eine andere. Natürlich gibt es inner­halb jeder Epoche qualitative Unterschiede, aber ein qualitätvolles Gebäude von 1921 ist ebenso schützenswert wie ein qualitätvolles Gebäude aus dem 18. Jh. – es muß dabei nicht einmal besonders wegweisend oder „modern“ sein. Daß das Brühlsche Haus freilich noch einmal einen ganz besonderen Stellenwert besaß, ist eine andere Sache – wenn man diese herausragende Qualität aber als Maßstab ansetzen würde, müßte man den umfangreichen Denkmälerbestand in Kassel ohnehin auf einige wenige Bauten und Anlagen zusammenstreichen.

Worin die Kritik aus Fachkreisen besteht, geht aus dem Zitat leider nicht hervor; sie dürfte aber keineswegs damit begründet sein, daß man großen Aufwand wegen einer Kopie treibe, die nicht einmal echtes Rokoko ist; sondern sie dürfte sich auf die Forderung beziehen, die Fassade als bloße Kulisse nachzubauen – ein Verfahren, welches in der gegenwärtigen Architekturdiskussion selbst bei kriegszerstörten oder -beschädigten Gebäuden häufig kritisiert wird, die auf diese Weise für das Stadtbild zurückgewonnen werden (vgl. das neue Braunschweiger Einkaufszentrum mit der rekonstruierten Fassade des ehem. Residenzschlosses), erst recht aber bei einem noch intakten und denkmalgeschützten Bauwerk auf Kritik stoßen muß.

 

 

19./30. Dez. 2009:

 
In einer Pressemitteilung vom 26. Oktober 2009 nimmt auch das Kulturnetz Kassel zu den Planungen Stellung; in dem offenen Brief, der an Oberbürgermeister Hilgen gerichtet ist, heißt es u. a.: Für die Stadt Kassel, die viel historische Bausubstanz durch die Kriegszerstörungen verloren hat, ist unseres Erachtens ein besonders sorgfältiger Umgang mit den traditionellen Bauten, wie auch den wertvollen Gebäuden des Wiederaufbaus von Nöten. [...] Aufgrund der Erfahrungen mit dem Neubau des Finanzzentrums am Altmarkt, das in keiner Weise zur Entwicklung einer neuen Baukultur in Kassel beigetragen hat, sondern weit hinter den Qualitäten der Wiederaufbauarchitektur zurückbleibt, bitten wir Sie, folgende Vorschläge zu prüfen:

- In die Unterhandlungen mit den Investoren sollte der Erhalt bzw. Rückbau der Fassaden und der Kubatur des Henschelhauses und des wertvollsten Segmentes der Königsplatzbebauung aus den 1950er Jahren als Rahmenbedingung aufgenommen werden.

- Im Sinne eines für die Stadt Kassel wichtigen baukulturellen Diskurses – auch zur Stärkung des Identifikationsprozesses mit der Stadt – und um weiteren Missverständnissen   oder Spekulationen über die Auswirkungen des Neubaus am Königsplatz zu begegnen, bitten wir Sie dringend, die Öffentlichkeit seitens der Stadt offiziell über die Rahmenbedingungen der Gestaltung, die mit dem Investor festgelegt sind, wie auch über eventuell schon bekannte Entwürfe zu informieren.

Zudem veröffentlichte die HNA am 2., 3. und 14. Nov. 2009 weitere Leserbriefe gegen den Abbruch.

 

 

 

9) Denkmalbeirat und Stadtverordnete

 

Am 5. November erschienen in der HNA mehrere Artikel zu dem Gebäudekomplex; demnach traf der Denkmalbeirat seine Entscheidung über den Abriss des Gebäudes ohne Kenntnis der Innenräume:

Das beratende Gremium im Rathaus hat bereits vor Monaten grünes Licht für den Abriss des Gebäudes gegeben. Lediglich ein Teil der Fassade solle rekonstruiert und in die neue Außenwand integriert werden, schlagen die Denkmal-Berater vor.

Zwar habe man im Vorfeld „artig und ausführlich“ darüber beraten, dass auf dem Areal zwischen Königsplatz und Wolfsschlucht ein Neubau für das Textilhaus Peek & Cloppenburg entstehen soll, doch vor Ort sei man „ausnahmsweise“ nicht gewesen, sagt Grünen-Stadtverordneter und Beiratsmitglied Dr. Klaus Ostermann.

Weil es der Bürger-Initiative Pro Henschelhaus [...] nicht nur um die Rekonstruktion von Fassadenelementen, sondern um das gesamte Haus geht, wie Sprecherin Ulrike Bohrmann-Witt sagt, wurden jetzt Fotos vom historischen Innenleben des Henschelhauses in Umlauf gebracht. [Vgl. http://www.presche-chr.de/christian/HenschelhausHauptseite.htm] [...].

Ostermanns Fraktionsfreund Dieter Beig will nun im Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr [...] den Vorschlag einer Ortsbegehung machen. Daran sollen auch die Mitglieder des Denkmalbeirats teilnehmen. „Danach sehen wir weiter“, sagt Ostermann: „Ich kann schließlich auch schlauer werden und meine Meinung auch korrigieren.“

In begleitenden Artikeln wurde berichtet, daß die Zahl der Unterschriften gegen den Abbruch inzwischen auf 4000 angewachsen sei: „Sie können sich gar nicht vorstellen, wie aufgebracht und entsetzt die Menschen sind“, sagt Bohrmann-Witt, Inhaberin der Palmen-Apotheke im Henschelhaus [...]. Zudem wurde die Zusammensetzung des Denkmalbeirats beleuchtet: Das Dilemma für Kassels Denkmalschutz nahm nach der Kommunalwahl 2007 [Anm. des Verf.: 2006] seinen Lauf. Da entschied Bürgermeister und Kulturdezernent Thomas-Erik Junge, den Denkmalbeirat – ein mit Experten besetztes Gremium – zu verkleinern. Ziel sei ein effektiveres Arbeiten. Kritiker vermuteten dahinter aber das Rauskegeln unbequemer Kämpfer für Kasseler Denkmäler. Für die neue Legislaturperiode wurden erneut unter anderem Vertreter der Hauseigentümer und Architekten berufen. Die Historiker Gerd Fenner für die Gesellschaft für Kultur- und Denkmalpflege sowie Christian Presche für den Verein für hessische Geschichte und Landeskunde warteten vergeblich auf ihre Berufung. Auch das hessische Baumanagement und die AG Friedhof und Denkmal wurden von Junge, der den Beiratsvorsitz übernahm, von der Liste gestrichen. Beiratsmitglied Dr. Klaus Ostermann (Grüne) hatte seinerzeit gegen diese fachliche Beschneidung protestiert und sogar seinen Sitz zum Tausch angeboten. Vergeblich. „Ein Skandal“, sagt Karl-Hermann Wegner, ehemaliger Stadtmuseumsdirektor: „Fenner und Presche, ausgewiesene Fachmänner in Sachen Stadtgeschichte, waren die Einzigen im Beirat, die über profunde historische Kenntnisse verfügen.“ Der Beirat berate nur, die Politik könne später anders entscheiden, sagt Wegner. „Empörend aber ist, wie beratungsresistent man in Kassel ist.“

 

 

Ebenfalls am 5. November stand in der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Verkehr eine Anfrage der FDP auf der Tagesordnung, vertreten durch den Stadtverordneten André Lippert; die Antworten gab Baudezernent Norbert Witte. Insgesamt geriet die Sitzung zu einem Lehrstück über die Entscheidungsprozesse und das demokratische Selbstverständnis der städtischen Verwaltung und der Stadtverordneten.

 

1. Wie ist der derzeitige Verfahrensstand im Baugenehmigungsverfahren für das Areal Königsplatz 55/ Wolfsschlucht 24/24a, auf dem die Firma Peek & Cloppenburg ein Warenhaus errichten will?

a. Wurde die Baugenehmigung schon beantragt?

b. Wenn ja: Wann wird mit deren Erteilung gerechnet?

c. Wenn ja: Welche Auflagen sind in der Baugenehmigung enthalten bzw. werden in ihr enthalten sein?

Witte antwortete darauf, daß die Baugenehmigung noch nicht beantragt sei, doch sei die Bauvoranfrage am 3. August positiv beschieden worden, unter Angabe von Bedingungen.

[Zum Inhalt der Auflagen sagte er nichts.]

 

2. Befürworter des Erhaltes des sog. Henschelhauses auf dem rückwärtigen Teil dieses Areals (an der Wolfsschlucht) planen angeblich ein Bürgerbegehren und einen Bürgerentscheid über die Frage des Abrisses. Was ist dem Magistrat über dieses Vorhaben bekannt?

Es gebe eine umfangreiche Unterschriftenliste, aber von einem Bürgerbegehren sei kein Wort zu finden.

 

3. Welches sind die denkmalrechtlichen Grundlagen für Abbruch- und Baugenehmigung?

Grundlage sei §16 (3) HDschG (Abwägung der Belange).


4. Aus der Presseberichterstattung ist zu entnehmen, dass der Denkmalschutz für das Henschelhaus aufgehoben wurde. Trifft dies zu? Welche Gründe haben die zuständige Denkmalschutzbehörde dazu bewogen?

Der Denkmalschutz sei nicht aufgehoben.

[Anmerkung: Demnach hat die fachlich mehr als fragwürdige Abqualifizierung des Gebäudes durch das Landesamt für Denkmalpflege (LafDH) nicht zu einer Aberkennung des Denkmalstatus geführt; wenn das Gebäude abgebrochen wird, wird also noch immer ein offiziell anerkanntes Kulturdenkmal abgebrochen! Der Fall liegt damit zwar ähnlich wie beim Abriss des historischen Gebäudes Rosenstraße 9 in Marburg, dem aber das LafDH den Denkmalstatus in einer fachlich ebenso umstrittenen Entscheidung gleich ganz aberkannt hat.]


5. War der Investor beim Kauf des Grundstücks darüber informiert, dass er ein eingetragenes Kulturdenkmal erwirbt?

Der Investor sei beim Kauf informiert gewesen.

[Anmerkung: Dies stützt die bisherige Einschätzung, daß der Investor in vollem Bewußtsein ein eingetragenes Kulturdenkmal erworben hat, um es anschließend abzubrechen!]


6. Hat eine Bestandsaufnahme und Begutachtung insbesondere auch der Innenräume des Gebäudes stattgefunden?

a. Wenn nein, warum nicht?

b. Wenn ja, wie waren dessen Ergebnisse?

Die Denkmalpflege kenne das Gebäude, die Bauverwaltung stütze sich nur darauf.

[Zumindest die Frage nach den Ergebnissen wird nicht beantwortet, zumal in der nächsten Frage ausdrücklich von Gutachten die Rede ist! Eine Bestandsaufnahme geht zudem über eine bloße Kenntnis des Inneren hinaus. Sollte das Gebäudeinnere tatsächlich bekannt gewesen sein, wären die histo­rischen Räume (Treppenhäuser, Saal) damit nicht fahrlässig, sondern sogar mutwillig preis­gegeben worden.]


7. Welche Datengrundlage hatte der Denkmalbeirat bei seiner Sitzung vom 30.04.2009? Lagen zu diesem Termin die in der vorangegangenen Frage erwähnten Gutachten - sofern solche erstellt wurden - vor?

Im Denkmalbeirat sei das Projekt im Sommer 2008 erwähnt, im November 2008 und April 2009 diskutiert worden.

[Die eigentliche Frage wird gar nicht beantwortet!]


8. Der Pressemitteilung der Stadt Kasel vom 12.08.2009 ist zu entnehmen, dass es „erste Zielsetzung“ sei, vom Henschelhaus die „Fassade im derzeitigen Zustand mit dem Mansardendach zu erhalten. Sollte dies aus technischen Gründen (...) nicht wirtschaftlich möglich sein, werde die Fassade zwar abgebrochen, im Zuge des Neubaus jedoch wieder detailgenau aufgebaut.“ Sind mit dem Investor auch Möglichkeiten erörtert worden, die den vollständigen Erhalt des Henschelhauses und dessen mögliche Eingliederung in den Neubau – und nicht nur den Erhalt der Fassade zur Wolfsschlucht – zum Gegenstand hatten?

Der Erhalt des Gebäudes sei ausführlich diskutiert worden.


9. Ist die Fassade – sofern sie nur erhalten oder detailgenau wiederaufgebaut werden sollte – in beiden Fällen dann weiterhin vom Denkmalschutz erfasst? Wenn nein: Könnte die Fassade als Teil des Neubaus dann ohne denkmalschutzrechtliche Hindernisse abgerissen, verändert oder ersetzt werden?

Diese Frage müsse noch geklärt werden, im Zuge des Baugenehmigungsverfahrens zusammen mit dem Justiziar Viebrock im Landesamt für Denkmalpflege Hessen.

[Mit anderen Worten: Der positive Bauvorbescheid über den Abbruch des Hauses wurde erteilt, ohne daß diese Frage geklärt war!]


10. Kann – sollte nur die Fassade erhalten oder detailgenau wiederaufgebaut werden – garantiert werden, dass bei einem Abbruch keine historischen Befunde undokumentiert verloren gehen, die für die Baugeschichte des Gebäudes relevant sind?

Gefordert sei eine Vermessung der Fassade, außerdem die Abformung und – soweit möglich – Abformung der Einzelheiten. Soweit Teile nicht wiedereinbaufähig seien, sollen sie dem Stadtmuseum überwiesen werden.

[Auf den Kernpunkt der Frage wurde nicht eingegangen: Die Antwort läßt vollkommen offen, ob Farbuntersuchungen an der Fassade und in den Treppenhäusern vorgenommen werden, ob das zweite, unzugänglich vermauerte Treppenhaus vor dem Abbruch untersucht wird, und wie es sich mit den Dekorationen des runden Saals verhält; sollten die überstrichenen Wand- und Deckenmalereien des Saals unmittelbar auf Putz aufgebracht sein, gingen sie beim Abbruch undokumentiert verloren (sofern keine großflächigen Befunduntersuchungen erfolgten). Sollten sie auf einem Trägermaterial aufgemalt sein (z. B. eine Holzvertäfelung), wären zumindest Auflagen über Ausbau und Sicherung dieser Vertäfelung zu machen.]

Hier fragte der Antragsteller Lippert wegen der Malereien nach; der Leiter der Unteren Denkmalschutz­behörde, Dietmar Taubert, antwortete daraufhin, zugleich mit einem Nachtrag zu Frage 4: In Hessen gebe es ein deklaratorisches Denkmalrecht, damit ein Gebäude aufgrund seiner Eigenschaften automatisch geschützt sei; der Denkmalschutz sei dann aber durch den Abbruch erledigt. Die Malereien im runden Saal seien nicht bekannt; sie würden zwar untersucht und dokumentiert, könnten aber nicht geborgen werden.

[Auch diese Antwort deckt damit nicht alle Punkte ab.]

 

Frage von Dieter Beig (die Grünen): Ob die Baugenehmigungsbehörde das Gebäude besichtigt habe?

Antwort des Dezernenten Witte: Der Zustand sei durch unterschiedliche Besichtigungen bekannt, eine Besichtigung daher nicht weiter erforderlich gewesen. Die baurechtliche Genehmigung sei erst erteilt worden, als die denkmalrechtliche Genehmigung vorlag.

 

Frage von A. Lippert: Er sei persönlich froh – und dies gelte auch für die FPD-Fraktion insgesamt – daß am Königsplatz ein Erneuerungsprozeß erfolge. Man habe mit der Anfrage ohnehin nur dem Informationsbedürfnis in der Bevölkerung Rechnung tragen wollen. (!!) Seien aber alle Möglichkeiten, das Gebäude an der Wolfsschlucht zu integrieren diskutiert worden?

Witte: Die Vorstellungen des Investors seien sogar noch weitreichender gewesen. Es werde nun ein Wettbewerb durchgeführt, rechtlich gebe es aber keine Möglichkeit, das Ergebnis vorzustellen, da es sich um ein privates Bauvorhaben handele. Das Preisgericht sei aber hochkarätig besetzt, mit den Architekten Jourdan und Penkhues. - Taubert ergänzte noch: vier Punkte sollten noch modifiziert werden, dann würde das Ergebnis vorgestellt werden.

 

Frage von D. Beig: Warum werde nicht das leerstehende Overmeyer-Gebäude genutzt?

Witte: Dort gebe es einen neuen Eigentümer, der eine Mischnutzung aus Läden und Büros vorsehe; das Gebäude sei schon vor längerer Zeit verkauft worden.

[Es bleibt allerdings die Frage offen, weshalb nicht die freigewordene, 7000m² große Fläche von Hertie im benachbarten City-Point angemietet wurde.]

 

Frage von D. Beig: Könne die öffentliche Handhabung bei derart sensiblen Projekten in Zukunft verbessert werden?

Witte: Rechtlich sei keine Einbeziehung  bzw. Information der Öffentlichkeit möglich.

[Die Richtigkeit dieser Aussage wäre zumindest zu überprüfen; so ist z. B. in § 60 (4) der Hessischen Bauordnung festgelegt: In besonderen Fällen kann zur Beurteilung der Einwirkung der baulichen Anlage auf die Umgebung und das Orts- und Landschaftsbild verlangt werden, dass die bauliche Anlage in geeigneter Weise auf dem Grundstück dargestellt wird. Eine derartige Maßnahme unter Ausschluß der Öffentlichkeit wäre kaum denkbar. Die Regelung des § 60 (4) ist zugleich eine Ausführungs­bestimmung zu  § 34 (1) BauGB, wonach sich ein Bauvorhaben in die Umgebung einfügen muß.]

 

Frage von B. W. Häfner (FWG): Wie müßte das Gebäude eigentlich aussehen, daß der Bauantrag abgelehnt worden wäre?

Witte: So wie jetzt das Karlshospital; dann hätte man natürlich nein gesagt!

Taubert: Beim Brühlschen Haus wäre es gar keine Diskussion gewesen. Aber im neuen Dehio sei das Gebäude ja auch nicht erwähnt, was die denkmalpflegerische Entscheidung erleichtert habe; den hohen Wert, den man ihm hier nachsage, habe es in Fachkreisen gar nicht.

[Freilich: Das Brühlsche Haus zählte zu den bedeutendsten Kasseler Bürgerhäusern und war im historischen Dehio der Vorkriegszeit natürlich enthalten; doch trifft der Dehio ausdrücklich eine sichtende und wertende Auswahl, und zwar anders als die Denkmaltopographien und Denkmal­verzeichnisse der Denkmalämter, die Vollständigkeit anstreben müssen (Dehio Hessen 1, S. VI). So ist in erster Linie eine Auswahl der bedeutenden öffentlichen Gebäude verzeichnet (Kirchen, Schlösser, Verwaltungs­bauten, Schulen etc.), erst in zweiter Linie sind innerhalb größerer Abschnitte auch die Bürgerhäuser etc. kurz berücksichtigt. Zum Vergleich: Kassel umfaßt S. 463-500, die Wohngebäude sind auf S. 482-486 behandelt – etwas mehr als vier Seiten von insgesamt 38 Seiten! Dabei fehlen wichtige Gebäude wie das Hölkesche Haus (Friedrichsstraße 36) mit seinen reichen äußeren Dekorationen und einem bemerkenswerten gußeisernen Treppenhaus, die Scheldtsche Villa (Akazienweg 7) mit ihrer bedeutenden historistischen Innenausstattung, es fehlen die gesamten Wohnbauten der späten kurfürst­lichen Zeit, aber auch zahlreiche Schulen des späten 19. / frühen 20. Jh., darunter die Königstorschule, deren Baupläne auf der Weltausstellung in Chicago gezeigt worden waren. – Sicherlich alles keine national oder gar international besonders einzigartigen Bauten, aber doch für die Kasseler (Bau)geschichte bedeutend und auch zurecht in der Denkmaltopographie verzeichnet. Bemerkenswert ist allerdings auch, daß drei andere „Bauten im Bestand“ aus den 20er Jahren im Dehio sogar erwähnt sind – also Gebäude, die den gleichen historischen Hintergrund haben wie der Erweiterungsbau der Danat: Wildemannsgasse 14 und Die Freiheit 12 (beide von 1936), sowie Marställer Platz 1 (1929); nur zeigt sich hier, daß auch der Dehio nicht immer ganz genau ist, indem das letztgenannte Gebäude erst der Wieder­aufbau­phase nach 1945 zugeordnet wird...

Die vollkommen hanebüchene Berufung auf den Dehio ist inzwischen sogar auf der Internetseite der Stadt Kassel zu lesen: http://www.stadt-kassel.de/cms01//aktuelles/meldungen/13947/index.html]

Witte: Die Stadt sei verpflichtet, eine Bauvoranfrage positiv zu bescheiden, wenn sie rechtlich gedeckt ist.

[Dies ist grundsätzlich zutreffend; in diesem Fall bezieht sich die rechtliche Grundlage jedoch ausdrücklich auf eine denkmalrechtliche Abwägung der Belange – und dies ist eine subjektive Entscheidung der Verantwortlichen! Die Bauvoranfrage wäre unter Berufung auf den bestehenden Denkmalschutz ebenso rechtswirksam zu versagen gewesen.]

Lippert: Tatsächlich könne das Gebäude für Kasseler einen höheren ideellen Wert haben als in Fachkreisen.

Taubert: In der Bevölkerung sei doch ohnehin nur die Fassade relevant; der Fassadennachbau trage dem aber schon Rechnung, und zwar schon gegen den Widerstand aus Fachkreisen. Im Gestaltbeirat sei deshalb ein völliger Neubau gefordert worden.

[Vgl. hierzu bereits den Kommentar zum Zeitungskommentar vom 12. August und zum Interview vom 24. Oktober.]

Beig: Stellt einen Antrag auf eine Innenbesichtigung des Gebäudes.

Kieselbach (CDU): Weist darauf hin, daß die Stadt wegen des positiven Bauvorbescheids schadensersatzpflichtig gemacht werden könne.

Rudolph (SPD): Er sei bereit, den Antrag mitzutragen, aber die rechtlichen Aspekte seien entscheidend. Die Fraktion trage auch die Position Tauberts mit.

Witte: Ansehen sei möglich, aber keine Entscheidung!

Ostermann ( Grüne): Der Denkmalbeirat entscheide auch noch einmal über das Wettbewerbsergebnis [in erster Linie für die Seiten zu Königsplatz und Lyceumsplatz].

Witte: Der Denkmalbeirat berät nur!

 

Die Besichtigung wird für die nächste Sitzung vorgesehen, am 3. Dezember; an diesem Datum tage auch der Denkmalbeirat.

Im Ergebnis bleibt zusammenzufassen: Ein großer Teil der Fragen blieb im Grunde unbeantwortet, entsprechende Nachfragen wurden erst gar nicht gestellt. Eine ernsthafte Auseinandersetzung der Ausschußmitglieder mit dem Thema erfolgte nicht, obwohl alle Stadt­verordneten über die wichtigsten Informationen verfügten (vgl. zum 22. Oktober); nicht einmal der Antragsteller selbst stand inhaltlich hinter seinen Fragen. Die Verwaltung (namentlich der Bau­dezernent) demonstrierte in der gesamten Sitzung ihre Macht (auch bei den anderen Themen) und berief sich auf die „Geschäfte der laufenden Verwaltung“, die nicht in die Befugnisse der Ausschuß­mitglieder fielen; die gewählten Stadtverordneten beließen es in der Regel bei einzelnen, zaghaften Nachfragen, und breite Diskussionen fanden zu keinem der Themen statt.

 

 

Ebenfalls am Abend des 5. November hielt der Vorsitzende des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde einen Vortrag über die Situation des Kasseler Denkmalschutzes und das Henschelhaus. In der anschließenden Diskussion sicherte der Leiter der Unteren Denkmalschutzbehörde, Dietmar Taubert, nochmals zu, die Wettbewerbsentwürfe nach ihrer Überarbeitung der Öffentlichkeit zu präsentieren. Zugleich wurde folgender Ablauf deutlich: Der Berliner Investor soll nach seiner Aussage bereits seit 2 Jahren (also Sommer 2007) mit der Stadt verhandelt haben. Gleichzeitig liefen gemäß dem früheren Hausverwalter Achim Wickmann bis Sommer 2009 noch Verhandlungen mit einem anderen Investor, der das Gebäude erhalten hätte; diese Verhandlungen seien schließlich aber daran geschietert, daß Verkäufer und Interessent unterschiedliche Vorstellungen über den Kaufpreis (200.000€) hatten. Nun ist leicht vorstellbar, daß ein Investor, der von einer Erhaltungspflicht des Bestandes ausgeht, auch mit anderen Finanzierungs­konzepten umgehen muß als ein Investor, der sich im Vorfeld schon über diese Erhaltungspflicht hinwegsetzt. Sofern dies zutrifft, bestanden im Wettbewerb um den Kauf des Areals aufgrund der einseitigen Verhandlungen mit der Stadt von vornherein ungleiche, verzerrte Bedingungen.

 

Am 7. November berichtete die HNA: Die erneute Kritik am geplanten Abriss des Henschelhauses am Königsplatz und der Wolfsschlucht hat Kassel Stadtbaurat Norbert Witte (CDU) zurückgewiesen, Er verwies darauf, dass es ausführliche Erörterungen des Themas in drei Sitzungen des Denkmalbeirates der Stadt und Gesprächen mit dem Landesamt für Denkmalschutz gegeben habe. [...] Würde die Stadt den Vorbescheid wieder zurücknehmen, müsse man mit Schadensersatzforderungen des Bauherrn rechnen. „Das geht mit Sicherheit an eine Million Euro“, sagt Witte.

 

Am 9. November stimmte die Stadtverordnetenversammlung über folgenden Antrag der Fraktion B 90 / Grüne ab:

Die Stadtverordnetenversammlung wird gebeten, folgenden Beschluss zu fassen:

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen, dass eine

Ortsbegehung der Mitglieder des Ausschusses für Stadtentwicklung und

Verkehr zusammen mit den Mitgliedern des Denkmalbeirates der Stadt

Kassel am Henschelhaus, Wolfsschlucht 24 A, vor weiteren Planungen

und Beschlussfassungen anzusetzen ist.

Der Antrag wurde einstimmig angenommen.

 

Am 1. Dezember sollte im KAZ im Kulturbahnhof eine Ausstellung der Wettbewerbsergebnisse eröffnet werden; die Präsentation wurde jedoch kurzfristig abgesagt, da die überarbeiteten Pläne angeblich noch nicht fertig gewesen seien. Auch die Besichtigung des Gebäudes für den 3. Dezember soll wieder abgesagt worden sein und bis heute (19. Dezember) nicht stattgefunden haben.

 

 

 

10. Das Ende – und ein Fassadennachbau, der keiner ist

 

16. März 2010:

 

Ende Dezember 2009 teilte die Stadtverwaltung der Bürgerinitiative Pro Henschelhaus mit, daß ein Bürgerbegehren nicht zulässig sei: Das Baugenehmigungsverfahren und die denkmalschutzrechtliche Genehmigung seien Weisungsaufgaben nach § 52 Abs. 1 Satz 2 der Hessischen Bauordnung und § 3 Abs. 2 Satz 2 des Hessischen Denkmalschutzgesetzes; gemäß § 8b Abs. 2 Nr. 1 der Hessischen Gemeindeordnung findet ein Bürgerbegehren „nicht statt über Weisungsaufgaben und Angelegenheiten, die kraft Gesetzes dem Gemeindevorstand oder dem Bürgermeister obliegen.“ (Schreiben des Haupt- und Bürgeramts der Stadt Kassel vom 28. Dez. 2009 an Ulrike Bohrmann-Witt.)

 

 

Im Januar 2010 reichte daraufhin die Bürgerinitiative Pro Henschelhaus, vertreten durch Ulrike Bohrmann-Witt, eine Petition beim Hessischen Landtag ein. Hauptansatzpunkt ist dabei die falsche und fehlerhafte Einschätzung des Gebäudes durch den Denkmalschutz, die bei der Abwägung der Belange zugrundegelegt wurde; die Entscheidung sei zu revidieren, indem das Interesse des Gemeinwohls am Erhalt des Bauwerks [...] neu zu bewerten und [...] über die wirtschaftlichen Interessen zu stellen sei:

 

II. Über welche Entscheidung / welche Maßnahme / welchen Sachverhalt welcher Behörde/Institution wollen Sie sich beschweren? (Kurze Umschreibung des Gegenstands Ihrer Petition)

 

Die Stadt Kassel beabsichtigt, das denkmalgeschützte Gebäude Wolfsschlucht 24-24a (Kassel, Flur D, Flurstück 99/3) für den Neubau eines Modehauses zum Abbruch freizugeben; ein angebliches öffentliches Interesse an der Ansiedlung dieses Modehauses in Kassel wird dabei in Abwägung der Belange nach § 16 Abs. 3 HDschG über den Denkmalschutz gestellt.

(Vgl. http://www.stadt-kassel.de/cms01//aktuelles/meldungen/13947/index.html)

Diese Abwägung beruht jedoch auf falschen und fehlerhaften Einschätzungen: Zum einen ist sie offensichtlich ohne Prüfung und Kenntnis der Innenräume und der erhaltenen Innenausstattungen zustande gekommen; zum anderen wurde die Entscheidung ohne Kenntnis der histori­schen und architekturhistorischen Sachverhalte getroffen. (Vgl. ausführlich Anlage 4.)

Die Einreichung des Bauantrags wird seitens der Stadtverwaltung für das Frühjahr 2010 erwartet (gemäß der Hessischen Allgemeine (HNA) vom 15. Januar 2010).

 

In der Abwägung der Belange ist außerdem zu berücksichtigen, dass das 1921-23 errichtete Haus Wolfsschlucht 24-24a eines der wenigen erhaltenen historischen Gebäude der Kasseler Innenstadt ist. Daher gibt es in Kassel ein breites öffentliches Interesse am Erhalt dieses Gebäudes; so unterstützten binnen kurzer Zeit über 4000 Bürger einen Appell für den Erhalt des Gebäudes durch ihre Unterschrift, ohne dass eine breite öffentliche Unterschriftensammlung gezielt organisiert wurde. Auch in zahlreichen Leserbriefen aus der ganzen Region (und darüber hinaus) wurde und wird gegen den geplanten Abbruch protestiert. Darin kommt häufig die große Sorge um die Identität Kassels zum Ausdruck; so hat die Stadt nicht nur durch den Zweiten Weltkrieg und einen z. T. radikalen Neuaufbau, sondern in den letzten Jahr­zehnten auch durch kommer­zielle Interessen zahlreiche bedeutende Bau­denk­mäler verloren – eine Entwicklung, die sich in den letzten Jahren zunehmend wieder beschleunigt hat (u. a. wurden erst 2006 für ein Geschäftshaus die letzten erhaltenen Gebäudeteile des Palais Reichenbach von 1821 abgebrochen, ehem. Bestandteil des kurfürstlichen Residenz­palais). 

Zudem ist es für Eigentümer denkmalgeschützter Gebäude nur schwer nach­voll­zieh­bar, weshalb sie noch die (berechtigten) Auflagen der Denkmalpflege umsetzen sollen, die ja häufig mit größerem finanziellem Aufwand und Nutzungseinschränkungen verbunden sind, wenn anderer­seits ein ganzes Kulturdenkmal, für das jahrelang ebenfalls strenge Auflagen galten (vgl. als Beispiel Anlage 3), auf einmal zum Abbruch freigegeben wird.

 

Vgl. ausführlich zum Gebäude und zur Chronologie der Ereignisse:

http://www.presche-chr.de/christian/HenschelhausHauptseite.htm, mit den weiteren Verlinkungen (v. a. http://www.presche-chr.de/christian/Koenigsplatz%2055.htm)

 

 

III. Was möchten Sie mit Ihrer Bitte / Beschwerde erreichen? Muss nach Ihren Vorstellungen hierfür ein Gesetz / eine Vorschrift geändert / ergänzt werden, wenn ja welche(s)?

 

Angesichts der fehlerhaften und unzureichenden denkmalpflegerischen Begutachtung ist die Entscheidung zu revidieren. Das Interesse des Gemeinwohls an einem Erhalt des Bauwerks ist neu zu bewerten und nach unserer Auffassung über die wirtschaftlichen Interessen zu stellen. 

Wir bitten das Land Hessen aus den genannten Gründen, den Erhalt des Gebäudes Wolfsschlucht 24-24a in Kassel durchzusetzen und die Stadt Kassel anzuweisen, eine Abbruchgenehmigung für das Gebäude zu versagen. 

 

Zur Sicherung des Verfahrens nach §104 GOHessLT bitten wir außerdem das Land Hessen darum, die Stadt Kassel anzuweisen, alle weiteren Entscheidungen bis zur Beschluss­fassung über diese Petition auszusetzen und insbesondere solange keine Abbruch- und Baugenehmigungen zu erteilen.

 

 

Zudem sei im Folgenden Anlage 4 zitiert:

 

Die unzureichende denkmalpflegerische Beurteilung des Gebäudes wird in folgenden Punkten deutlich:

 

1.) Zitat des Leiters der Unteren Denkmalschutzbehörde Kassel, Dietmar Taubert, in der Hessischen Allgemeine (HNA) vom 25./26. Juli 2009 (Anlage 10); auf die Frage, wer in die Entscheidung noch einbezogen gewesen sei, antwortete er: „Das Landesamt für Denkmalpflege mit Bezirkskonservator Dr. Zietz. Wir haben überlegt, welchen Stellenwert das Gebäude hat. Im Denkmalbuch der Stadt Kassel von 1984 ist es aus künstlerischen und städte­baugeschichtlichen Gründen als Kulturdenkmal bewertet worden. Der Bezirks­konservator vertritt heute die Auffassung, dass es atypisch für die Bauzeit ist und lediglich den Gestaltungswillen des Bauherrn repräsentiert. [...] Es ist grenzwertig und würde heute nicht mehr so ohne Weiteres als Denkmal eingestuft. Die Frage ist: Was repräsentiert das Haus? Es wurde 1921 bis 1923 erbaut. Der Historismus endete um 1905 in Kassel. In den 1920er-Jahren wurde im Bauhausstil gebaut mit ganz strengen Formen, ohne Zier­elemente.“

Diese Aussage zeugt nicht nur von Unkenntnis in der mitteleuropäischen Baugeschichte insgesamt, da in den 20er Jahren ganz verschiedene architektonische Strömungen und Ideologien kon­kurrierten (z. B. Expressionismus, Heimatschutz, Neoklassizismus, Bauhaus etc.), sondern sie zeigt vor allem auch die Unkenntnis in der Kasseler Baugeschichte: So geht die Fassade in Wirklichkeit auf Auflagen der Kasseler Bauver­waltung zurück (vgl. Anlage 11); sie ist ein wichtiges Zeugnis der Kasseler Baupolitik zwischen 1915 und 1939 und gehört zu den wenigen, noch erhaltenen Beispielen für das Bauen im historischen Bestand im Kassel der 1920er und 30er Jahre (vgl. Anlage 7). Das Ziel der städtischen Bauverwaltung war damals die architektonische Einfügung von Neubauten in ihre Umgebung – gerade im Gegensatz zum Historismus, der auf die Umgebung keine Rücksicht genommen und zwischen 1870 und 1915 bereits wichtige Ensembles in der Kasseler Innenstadt zerstört hatte (vgl. Anlage 7, S. 1). Als Antwort auf diese Entwicklung bemühte man sich nun wieder um die Schaffung von Baugruppen, um die Ganzheitlichkeit von Architektur und Städtebau (vgl. Anlage 7, S. 7; Anlage 12); diese örtliche Sonderform des Heimat­schutzstils, die sich nicht nur in den großen, denkmal­geschützten Kasseler Wohn­siedlungen der 20er und 30er Jahre, sondern eben auch in den eingepassten Neubauten in der historischen Innenstadt äußerte, ist ein bemerkens­wertes Zeugnis für die deutsche Architektur­geschichte in der Zeit der Weimarer Republik. – Diese ganzen Zusammenhänge, die für eine fachgerechte Beurteilung des Gebäudes erforderlich gewesen wären, waren aber offensichtlich der Denkmalpflege unbekannt und wurden auch nicht ermittelt.

 

2.) Die erhaltene historische Innengestaltung wurde in keiner Weise durch den Denkmal­schutz berücksichtigt; für den Kasseler Denkmalbeirat ist nachweisbar, dass alle Ent­scheidungen sogar ohne jede Kenntnis der Innenräume getroffen wurden (vgl. Anlage 13). Auch die Aussage des damaligen Kulturdezernten, Bürgermeister Junge, dass das Innere so stark verändert sei, dass „denkmal­konsti­tu­ie­rende Originalsubstanz nicht mehr vorhanden“ sei (vgl. Anlage 8), ist in diesen Zusammenhang einzuordnen.

Die besondere Qualität des fraglichen Hauses Wolfsschlucht 24-24a besteht dagegen gerade auch darin, dass die Fassade nicht nur als bloße Kulisse behandelt wurde, sondern zugleich einen Anspruch für die Innengestaltung bildete: So schlagen die beiden Treppenhäuser und die Ausstattung eines runden Saals im EG eine Brücke zwischen der Bauzeit des angrenzenden, als Vorbild dienenden Brühlschen Hauses (Königsplatz 55; um 1770) und der Bauzeit des Erweiterungsbaues 1921-23 (vgl. Anlage 6). Diese Ausstat­tungen zählen zu den ganz wenigen in situ erhaltenen historischen Innendekorationen, die in der Innenstadt bis heute noch überdauert haben. Das gesamte Gebäude ist damit zu­gleich ein wichtiges Element im Schaffen des Architekten Karl Wittrock, der in der Folge­zeit mehrfach eng mit der städtischen Bauverwaltung zusammenarbeitete und auch zahlreiche der Kasseler Siedlungs­bauten entwarf. Zudem haben die Innenräume auch einen Zeugnis­wert für das 1943 zerstörte Brühlsche Haus, da sie dessen innere Höhen­entwicklung wider­spiegeln und somit auch einen Eindruck der historischen Raum­proportionen des späten 18. Jh. vermitteln.

 

3.) Alle bisherigen Äußerungen der Denkmalschutzbehörde beziehen sich alleine auf die Fassade bzw. deren Ornamente; dabei bleibt vollkommen unberücksichtigt, dass das gesamte Gebäude ein historisches Zeugnis darstellt, welches durch einen Abbruch un­wieder­bringlich verloren gehen würde. Dies bezieht sich nicht nur auf den ursprünglichen Zustand von 1923, sondern auch auf spätere Veränderungen und auf seine Nutzungen, die sich wiederum in der Bausubstanz widerspiegeln; so hat das Bauwerk auch historische Bedeutung als Filiale der Darmstädter und Nationalbank sowie als späterer Sitz der Familienverwaltung der für Kassel bedeutenden Fabrikantenfamilie Henschel. Hervor­zuheben ist auch, dass hier der Kasseler Rechtsanwalt Dr. Max Plaut seine Kanzlei hatte, bis er 1933 aus diesem Gebäude von der Kasseler SA verschleppt und anschließend so schwer misshandelt wurde, dass er wenig später an den Verletzungen starb; er war damit eines der ersten Kasseler Opfer des NS-Terrors, und die Ereignisse sorgten damals sogar international für Aufsehen.

Die lediglich geforderte Applikation der Fassadenornamente (entweder als Original oder auch nur als Nachbildungen) an einem Neubau wird diesem historischen Zeugniswert in keiner Weise gerecht. Zudem ist mittlerweile sogar völlig unklar, ob tatsächlich die gesamte Fassade (wie zunächst angekündigt) oder lediglich die einzelnen Applikationen wiederhergestellt werden sollen. Auch über die Dachform, welche das städtebaulich bedeutsame Eckhaus weithin prägt, gibt es zur Zeit keine verlässlichen Informationen. (Dabei ist zu beachten, dass die Gesamtform des Hauses1 eine eigene, städtebaulich und gestalterisch interessante Lösung von 1921-23 darstellt.)

 

 

Dass sich die Untere Denkmalschutzbehörde Kassel bei ihrer Zustimmung zum Abbruch darauf beruft, dass das Gebäude nicht im Dehio (Handbuch der Kunstdenkmäler Deutschlands) enthalten sei (vgl. http://www.stadt-kassel.de/cms01//aktuelles/meldungen/13947/index.html), ist dabei ohne Belang: Der Dehio erhebt ausdrücklich keinen Anspruch auf Vollständigkeit und hat von der Zielsetzung her auch eine ganz andere Aufgabe als eine Denkmaltopographie: vgl. das Vorwort des Bandes Hessen I, S. VI (vgl. Anlage 14). Eine Verwendung des Dehio als Denkmalliste ist daher nicht sachgerecht2. In der Kasseler Denkmal­topographie, Bd. 1, S. 107, ist das Gebäude Wolfs­schlucht 24-24a dagegen verzeichnet: als „Kulturdenkmal aus künstlerischen und städtebau­­geschichtlichen Gründen“ (vgl. Anlage 2) – was auch der Bedeutung des Gebäudes entspricht.

Das historische Gebäude Wolfsschlucht 24-24a befindet sich auch weiterhin in gutem baulichen Zustand (bis zum Beginn der Verkaufsverhandlungen 2007 und der Nicht­verlängerung der Miet­verträge durch die Eigentümer war es auch vollständig vermietet; vgl. auch noch HNA vom 4. März 2009: „Nicht alle wollen gehen“). Selbst jetzt wird es in Teilen noch genutzt, bis die letzten Mietverträge auslaufen. Substanz-sichernde Maßnahmen, die eine Wirtschaftlichkeit der weiteren Nutzung infrage stellen würden, sind nicht erforderlich. 

 

 

[Anmerkungen:]

1 Eine durchgehende, geschwungene Front mit dem Haupteingang in der Mittelachse, Nebeneingängen in den beiden Endachsen, Gliederung durch die Regenfallrohre.

2 In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass z. B. auch das architekturgeschichtlich und künst­le­risch bedeutende Hölkesche Mietshaus (Friedrichsstraße 36), dessen aufwendige Restau­rie­rung vor einigen Jahren sogar mit dem hessischen Denkmalschutzpreis ausge­zeichnet wurde, ebenfalls nicht im Dehio erwähnt ist.

 

Die genannten Anlagen sind:

1. Schreiben des Haupt- und Bürgeramts der Stadt Kassel vom 28. Dez. 2009, zur Zuständigkeit des Landes Hessen

2. Denkmaltopographie Kassel I, S. 107

3. Beispiel für die bisherige Praxis [Bescheid mit der Forderung, aus Gründen des Denkmalschutzes mehrere Apothekenzeichen (A) von den Fenstern zu entfernen]

4. Problematik des Denkmalschutzes [s.o.]

5. Handzettel zum Henschelhaus  [http://www.presche-chr.de/christian/Flugblatt_Henschelhaus_III.pdf]

6. Innenaufnahmen [http://www.presche-chr.de/christian/RunderSaalBilderauswahl_CII.pdf]

7. „Bauen im Bestand“ im Kassel der 1920er und 30er Jahre [http://www.presche-chr.de/christian/Fuehrung_%20Bauen_im_historischen_Bestand_I.doc]

8. Schreiben des Kulturdezernenten vom 10. Juli 2009

9. Schreiben des Baudezernenten vom 13. Juli 2009

10. „Wir kennen die Verlustgefühle“, HNA vom 25./26. Juli 2009

11. Kasseler Neueste Nachrichten vom 7. Okt. 1936

12. Denkmaltopographie Kassel II, S. 97f.

13. „Innenleben ist unbekannt“, HNA 5. Nov. 2009

14. Auszug aus dem Dehio, Hessen I, S. VI

15. Chronologische Übersicht der Ereignisse

 

 

 

Über die Petition berichteten HNA und Extra-Tip ausführlich am 28. bzw. 31. Januar.

 

Am 8. Februar wurden dann mit der Abnahme der Fassadenornamente begonnen, soweit sie bereits genehmigt war: die drei erhaltenen Kopfplastiken sowie je eine Fensterkonsole im EG und im OG, außerdem eine Fensterbekrönung im OG. Weitere Maßnahmen sind jedoch wegen des Verfahrensschutzes der Petition zur Zeit nicht erlaubt, damit nicht vorzeitig bereits vollendete  Tatsachen geschaffen werden dürfen.

 

Im Februar fand offenbar auch die angekündigte Besichtigung des Gebäudes durch den Denkmalbeirat und den Ausschuß für Stadtentwicklung und Verkehr statt – unter Ausschuß der Öffentlichkeit und unter Führung durch die Untere Denkmalschutzbehörde Kassel; das Gebäude blieb damit bei dieser Veranstaltung ohne Anwalt, Ergebnisse der Begehung sind freilich nicht öffentlich bekannt geworden.

 

 

Welche fatale Wirkung die Preisgabe des Henschelhauses durch den Denkmalschutz für dessen Glaubwürdigkeit hat, wurde am 10. Februar wieder deutlich: Nachdem das Verwaltungsgericht Kassel einem Hauseigentümer den Abbruch seiner denkmalgeschützten Hofanlage in Niederzwehren zugestan­den hatte (Wohngebäude aus dem 18. Jh., Wirtschaftsgebäude aus dem späten 19. Jh.), da die hohen Sanierungskosten den Eigentümern nicht zugemutet werden könnten, schrieb die Redakteurin der HNA in ihrem Kommentar: Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich die Sanierung nicht erzwingen lässt. Die Stadt sollte das Buch deshalb zumachen und auf weitere Rechtsmittel verzichten. Der Öffentlichkeit ist ohnehin kaum vermittelbar, warum der Denkmalschutz bei Großinvestoren wie beim Henschelhaus aus wirtschaftlichen Gründen hinten angestellt, bei der Familie Reitmeier aber großgeschrieben wird.  

 

 

 

26./28. März 2010

 

Am 23. März berichtete die HNA: Das Henschelhaus in der Kasseler Innenstadt wird abgerissen. Alle Bemühungen einer Bürgerinitiative, den historischen Gebäudekomplex zwischen Wolfsschlucht und Königsplatz vor der Abrissbirne zu retten, sind fehlgeschlagen. Die BI hatte 4000 Unterschriften für den Erhalt des Gebäudes gesammelt. Eine Petition an die Landesregierung ist jetzt abgelehnt worden. Das Signal der Obersten Bauaufsichtsbehörde in Wiesbaden an die städtische Bauaufsicht lautet: „Die Landesregierung teilt die Rechtsauffassung der Stadt Kassel.“ [...] Die Abrissgenehmigung ist gestern noch erteilt worden. Nach Auskunft von Heinz Spangenberg, dem Leiter der Kasseler Bauaufsicht, wird voraussichtlich gleich nach Ostern mit den Abbrucharbeiten begonnen. [...] Die Baugenehmigung für den Bauherrn, die Bauwert Investment Group aus Berlin, werde in den nächsten Tagen erteilt, sagt Spangenberg.

Für weitere Einschätzungen muß nun die genaue Begründung des Petitionsausschusses abgewartet werden; es ist allerdings zu befürchten, daß mit einer Höherbewertung kommerzieller Interessen gegenüber dem Denkmalschutz hier ein hessenweiter Präzedenzfall geschaffen wird: Denkmalpflege und Denkmalschutz würden dann den wirtschaftlichen Interessen künftig untergeordnet, wodurch gerade die historische Innenstädte wieder akut bedroht sind – im Grunde ein Rückfall in die 1960er und 1970er Jahre.

Ein bedenkenswerter Umstand am Rande: Die entscheidende Sitzung des Petitionsausschusses fand am Donnerstag, dem 18. März statt; bereits einige Tage vorher wußten Arbeiter, die in städtischem Auftrag vor dem Gebäude tätig waren, daß Anfang April die Abbrucharbeiten beginnen würden – die Stadt ließ bereits alles für die bevorstehenden Arbeiten vorbereiten.

 

Am 26. März veröffentlichte die HNA die Entwürfe für den Neubau: „Moderne und historisierende Fassadengestaltung werden zu einem Ganzen verbunden“, versprechen die Bauherren, die Berliner Bauwert Investment Group. Vorausgegangen war ein von Bauwert gemeinsam mit der Stadt Kassel ausgeschriebener Wettbewerb für die Fassadengestaltung, den der Kasseler Architekt Friedemann Roller (Roller Architekten) gewonnen hat. Die Fassade des [...] Henschelhauses aus dem Jahr 1921, die bereits nach dem Krieg schon einmal wiederaufgebaut wurde, wird zunächst abgerissen, als moderne Natursteinfassade wiederhergestellt und in den Neubau integriert. Der historische Teil des Henschelhauses wird also rekonstruiert. Ihn zu erhalten wäre hochkompliziert und „unverhältnismäßig teuer“ gewesen, sagt Roller. Die Alternative, zwischen Alt- und Neubau genügend Abstand zu halten, hätte einen zu großen Flächenverlust bedeutet.

Im vergangenen Jahr hatte die Berliner Bauwert Investment Group das Objekt Königsplatz 55 von der Deka Immobilien GmbH erworben, um hier einen Neubau für die Modekette Peek  &Cloppenburg zu errichten. Auf dem 1570 Quadratmeter großen Grundstück wird ein Gebäude für das Modehaus mit insgesamt 7300 Quadratmetern Verkaufsfläche entstehen. Der Bauherr investiert 29 Millionen Euro in das Projekt, das die Grundstücke entlang der Kölnischen Straße, Wolfsschlucht und Lyceumsplatz umfasst. Im Herbst 2011 soll Eröffnung sein.

Auf dem Königsplatz greift der Neubau die Höhenlinien des Nachbarhauses mit dem Kaskade-Kino auf. Auch das Vordach läuft durch. Aus gestalterischen Gründen zeigt die Fassade vier Geschosse, tatsächlich sind es nur drei. Zwei sowie das Untergeschoss werden von Peek & Cloppenburg als Verkaufsräume belegt. Das dritte Obergeschoss dient der Geschäftsführung. Hinzu kommen Nebenräume sowie ein Technikgeschoss.

„Es ist toll, dass wir für den wichtigsten Platz in Kassel zeitgemäße Architektur entwerfen können“, sagt der Architekt. Und dass es gelungen sei, die komplexen Anforderungen zu erfüllen, 50er-Jahre, barocke Architektur und wirtschaftliche Interessen unter einen Hut zu bringen.“

An dem Wettbewerb hatten sich fünf eingeladene Büros beteiligt. Drei aus Kassel (Roller Architekten, Reichel Architekten und Atelier 30) sowie zwei aus Berlin. Der Jury gehörten Vertreter des Bauherrn, der Stadt Kassel, Prof. Berthold Penkhues und als Vorsitzender Prof. Jochem Jourdan an.

Die Stadt hatte den Erhalt oder die Rekonstruktion der historischen Fassade zur Bedingung gemacht. Holzfenster, Stuckelemente und Türen werden sich in der Rekonstruktion wiederfinden, lediglich die Dachfenster (Gauben) und -eindeckung zeigen moderne Anklänge. Das Dach wird mit kleinteiligem Zinkblech gedeckt, die Gauben bekommen Stahlrahmen. Die Fassade, bislang rosa, wird in einem hellen Beigeton verputzt. Er entspricht laut Roller dem historischen Befund aus den 20er-Jahren. Der Farbton setzt sich in der Kalksteinfassade des modernen Gebäudeteils auf dem Königsplatz fort. Beide Gebäudeteile werden durch das Dach miteinander verbunden, das dank einer durchlaufenden Fuge über dem Komplex zu schweben scheint. Auch innen sollen hochwertige Materialien zum Einsatz kommen: Echtholzparkett und komfortable Ruhezonen. Die Verkaufsgeschosse werden klimatisiert, die oberen Büroräume nicht. Verstellbare Glaslamellen im Dachgeschoss sorgen für ausreichend Licht und eine natürliche Belüftung.

Vgl. http://www.hna.de/nachrichten/stadt-kassel/kassel/helles-kleid-neues-modehaus-690919.html, mit Abbildung. 

 

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(Quelle: HNA vom 26. März 2010; zum Vergrößern bitte mit der Maus anklicken)

 

Betrachten wir zunächst die Front am Königsplatz: Zwar laufen Vordach und Trauflinie tatsächlich durch, und das zurückgesetzte oberste Geschoß wird zumindest angedeutet. Ansonsten aber wird die Front durch große, unregelmäßige Öffnungen mit Werbung bestimmt; die einheitliche und ruhige horizontale Linienführung der Fenster, die bisher für den Baublock charakteristisch war, geht ebenso verloren wie die charakteristische Stützenstellung des obersten Geschosses und der breite fensterlose Mauerstreifen an der Gebäudeecke. Auch die Dachfläche wird sich durch die beschriebenen Lamellen und das Zinkblech nicht in die Umgebung einordnen und zudem noch durch einen (im Aufriß angedeuteten) höheren Kernbau überragt. Und auch das Vordach wird durch die höheren EG-Öffnungen überschnitten.

 

Der Anschluß an den „historischen“ Teil weicht die klare Trennung zwischen Hauptgebäude und Seitenflügel auf und wirkt in seiner Abstufung eher unentschlossen; zwar scheint die Höhenvermittlung des Daches besser gelungen zu sein, aber nur deshalb, weil die Front an Wolfsschlucht und Kölnischer Straße um über einen Meter gestreckt wurde! Das Ziel ist ganz offensichtlich eine Anpassung der Fassade an die neue, innere Geschoßaufteilung, Von einer „Rekonstruktion“ kann mithin gar keine Rede sein; es handelt sich tatsächlich nur um einen historisierenden Neubau, der die originalen Proportionen entscheidend verändert:

Besonders deutlich wird dies an der Oberkante des Gurtgesimses (zwischen Sockel und EG), die um ca. 60cm gegenüber dem Bestand angehoben werden soll (man vergleiche den Anschluß an den alten Haupteingang); dies wird gemäß Zeichnung zum einen durch Einfügung einer weiteren Lage im Sockelgeschoß erreicht, zum anderen durch Vergrößerung des historischen Gesimsprofils! Die Zone zwischen Gurtgesims und den Fenstersimsen des Erdgeschosses wird um weitere ca. 20cm gestreckt, so daß die historischen Konsolen nicht mehr auf dem unteren Putzrahmen aufsitzen, sondern in der Luft hängen. Eine weitere Streckung um ca. 30cm ist zwischen den Fenstern von erstem und zweitem Obergeschoß erkennbar. Deutlich werden diese Veränderungen auch am südlichen Nebeneingang, der zwar in Anlehnung an das Original wiederhergestellt werden soll, ursprünglich aber kein zusätzliches Oberlicht benötigte, sondern wie die anderen Fenster abschloß. Die fein abgestimmte Hierarchie zwischen Haupt- und Nebeneingang geht damit verloren.

Das Bedeutende und Schützenswerte der Fassade, das nach einem Abbruch des Gebäude noch einen Fassadennachbau rechtfertigen könnte, geht damit verloren: nämlich die Überlieferung der historischen Höhenverhältnisse und Proportionen des Brühlschen Hauses. Die durchdachte Architektur von 1921-23 wird ebenfalls nur ein Schatten ihrer selbst sein, zumal die Fassade ja ohnehin ihres baulichen Zusammenhanges beraubt ist.

 

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Im Vergleich: links der Bestand, rechts die Planung, wenngleich auch in bisheriger Farbgebung

(Bildmontage: Verfasser; Stand: 28.3.2010)

 

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Detail: Im historischen Zustand vermitteln die Konsolen genau zwischen dem unteren Sockelabsatz und dem Fenstersims.

Durch die geplante Anhebung schweben sie beziehungslos über dem Sockelabsatz; wie das Problem des dann fehlenden Vorsprungs für den unteren Ansatz sinnvoll gelöst werden soll, bleibt ein Rätsel.

(Bildmontage: Verfasser; Stand: 28.3.2010)

 

 

Geradezu grotesk mutet es dabei an, daß die Farbgebung der 20er Jahre wiederhergestellt werden soll, und daß die erhaltenen drei Kopflastiken über den EG-Fenstern nun vervielfältigt und über sämtliche Fenster verteilt werden sollen, ja daß sogar besonderer Wert auf Holzfenster gelegt wird; damit wird eine historische Authentizität vorgegaukelt, die es angesichts der veränderten Proportionen aber gar nicht mehr geben kann. Hinzu kommt, daß die Putzgliederung bei der Wiederherstellung 1955 vereinfacht und verändert wurde, als man auch die übrigen Kopfplastiken abschlug und u. a. den dahinterliegenden Putzrahmen gleich mit entfernte. Diese Verände­rungen werden aber keinesfalls rückgängig gemacht, sondern beibehalten, obwohl der Stuck wieder ergänzt werden soll. Auch die Stuckdekorationen werden keineswegs dem originalen Konzept angepaßt, sonst müßte man über dem Haupteingang auf die Konsolen des Oberlichts verzichten (sie sind erst eine Zutat von 1955). Im Ergebnis erhält man damit eine dreifache Chimäre:

Farbgebung und Stuck in Anlehnung an 1923, die Putzgliederung der Front von 1955 (jedoch mit den Kopfplastiken und angrenzenden Stukkaturen von 1923 nicht mehr zusammenpassend) und die Proportionen von 2010, das Dach als Mischung von 1955 und 2010. Auch einige Stukkaturen sind bloße Erfindungen von 1955 und 2010.

Auffallend ist schließlich auch, daß der Fluchtlinienabsatz an der Kölnischen Straße wegfällt, der noch dem ursprünglichen Zustand entspricht: Entweder wird der Neubau am Königsplatz schmaler (zu Lasten der Symmetrie und Regelmäßigkeit des Platzsegments), oder die historisierende Front an der Kölnischen Straße folgt nicht der alten Fluchtlinie.

 

Dies alles hat nichts mehr mit Denkmalpflege zu tun und zielt ganz offensichtlich nur noch darauf ab, den allgemeinen Unmut und Zorn in Kassel zu besänftigen – in der Hoffnung, daß die Abweichungen dem architektonischen Laien beim Betrachten der Planzeichnung kaum auffallen dürften.

Diese veränderte, nun tatsächlich „historisierende“ Front aber ist das größte denkbare Übel; es hätte hier nur zwei Alternativen geben dürfen: Entweder wird richtig und maßgetreu rekonstruiert (und dann entweder im Zustand von 1923 oder im Zustand von 1955/2010), oder gar nicht. Angesichts des Ergeb­nisses wäre hier tatsächlich der Mut zur Ehrlichkeit gefordert gewesen, daß die Stadt Kassel ein historisches Kulturdenkmal bewußt preis­gegeben hat – ersatzlos!

 

Es bleibt interessant, wie die Kasseler Architektenschaft, die bisher jedes ernsthafte und maßgetreue Rekonstruktionsbemühen (vgl. zuletzt das Karlshospital) mit Schlagworten wie „Disneyland“, oder „Geschichtsverfälschung“ zu verhindern versucht hat (und dies meist erfolgreich), auf diese tatsächliche Fälschung reagieren wird. 

 

 

22. April 2010:

Der Arbeitskreis für Denkmalschutz und Stadtgestalt gab am 28. März eine Pressemitteilung heraus, in der die Proportionsveränderungen, die bauhistorischen Unstimmigkeiten und die Problematik der Königsplatzfront kritisiert werden. Diese Pressemitteilung wurde in ihrem Hauptteil auch am 30. März von der HNA, am 7. April vom Extra-Tip weitgehend wiedergegeben.

 

 

Vorstellung der Entwürfe im Ortsbeirat Mitte, 22. April 2010:

Amtsleiter Heinz Spangenberg führte zunächst aus, daß der Verfall des Gebäudes unübersehbar gewesen sei, so daß man eigentlich ganz froh gewesen sei, als sich die Chance ergeben habe, die Situation wieder zu stabilisieren. Es habe eine ganze Reihe von Interessenten gegeben, von denen sich die Firma Bauwert in Berlin durchgesetzt habe. Das Verfahren sei von der Stadt eng begleitet worden, unter enger Einbezie­hung des Denkmalbeirats und unter Beratung durch den Verfasser [der für den Fall eines Fassaden­nachbaues zumindest schon einen willkürlichen und verfälschenden Umgang mit den historischen Bauformen befürchtet und sich deshalb bemüht hatte, diesem durch recht­zeitige Vorlage von Maßskizzen und historischen Photographien bei der Unteren Denkmalschutzbehörde von vornherein entgegen­zuwirken – offensichtlich jedoch weit­gehend vergeblich; der Verf.]. Unter denkmal­pflegerischer und städte­baulicher Betrachtung habe sich ergeben, daß ein Qualitätssicherungs­verfahren (also ein Wett­bewerb) durch­zuführen war. Maßgabe sei in dem Wettbewerb gewesen, das Henschelhaus 1:1 wiederaufzubauen. Die nun vorgesehene Veränderung der Proportionen habe dann ausdrücklich die Zustimmung in dem Wettbewerbsverfahren erhalten.

Architekt Oliver Mann stellte dann die Entwürfe vor: Demnach sind 4 Verkaufsgeschosse für Peek & Cloppenburg geplant: UG, EG, 1. und 2. OG. Das 3. OG ist für Verwaltung und Lagerräume vorgesehen. Die Verkaufsräume sollen Geschoßhöhen von 5,15m erhalten. – Einer der meistdiskutierten Punkte im Gutachterverfahren sei der Übergang zwischen den beiden Fassadenteilen an der Kölnischen Straße gewesen. Der Haupteingang ist am Königsplatz vorgesehen (mit drei Türen), ein Nebeneingang an der Ecke Wolfsschlucht / Lyceumsplatz (der bisherige Apothekeneingang). Ergebnis des Wettbewerbs sei es außerdem gewesen, die Höhenverhältnisse soweit zu verschieben, daß die Fenster auch als Fenster genutzt werden können. Dies sei ein gutes Ergebnis, das auch der Lebendigkeit des Gebäudes dienlich ist. Am Lyceumsplatz sei in dem neuen Fassadenabschnitt Anlieferung und Personaleingang vorgesehen, jedoch nicht als Lieferzone, sondern auch mit einem repräsentativen Zugang zur Verwaltung.

Der Ortsbeirat nahm dies zur Kenntnis; Wortmeldungen seitens der Beiratsmitglieder gab es nicht. Spangenberg erklärte daraufhin, daß die Baugenehmigung dann morgen erteilt werden könne.

Auf die Anfrage des Verfassers, wie die Proportionsveränderung mit den Vorgaben der Denkmalpflege vereinbar sei, die Fassade detailgetreu wiederaufzubauen, entgegnete er, daß dies nicht in sein Fachgebiet falle; die Frage müsse im Denkmalbeirat diskutiert werden. Auf die Nachfrage, ob es denn im Bauvorbescheid keine diesbezügliche Festlegung gegeben habe, antwortete seine dafür zuständige Mitarbeiterin: Im Bauvorbescheid habe es nur eine einzige zwingende Festsetzung gegeben: Daß ein Qualitätssicherungsverfahren durchzuführen sei. Festsetzungen zu einem 1:1-Wiederaufbau seien im Bauvorbescheid nicht enthalten gewesen.

 

Tatsächlich hatte jedoch Stadtbaurat Witte öffentlich verkündet: Das Bauvorhaben sei an strenge Bedingungen geknüpft, unterstrich Stadtbaurat Witte. Grundsätzlich gelte, dass sich der Neubau in die Bebauung der näheren Umgebung einfügen müsse. Dem Investor sei zudem aufgegeben, für die Gestaltung aller Fassaden einen Architekturwettbewerb auszuloben. [...]. Da auch das Henschelhaus in der Wolfsschlucht 24/24 A in das Bauvorhaben einbezogen werden soll, sei es erste Zielsetzung, dessen Fassade im derzeitigen Zustand mit dem Mansardendach zu erhalten. Sollte dies aus technischen Gründen und damit verbundenen Kosten nicht wirtschaftlich möglich sein, werde die Fassade zwar abgebrochen, im Zuge des Neubaus jedoch wieder detailgenau aufgebaut, unterstrich Witte. Dabei sollen sowohl die Eingangstüren - bis auf die Tür zur Apotheke - als auch die figürlichen Stuckelemente der Fassaden geborgen und wieder verwendet werden. Bei Elementen, die nicht zerstörungsfrei demontiert werden können, müssen restauratorische Abdrücke gefertigt werden, die als Formen für die detailgetreue Wiederherstellung verwendet werden können.

[http://www.stadt-kassel.de/aktuelles/meldungen/13947/index.html, Hervorhebungen durch den Verf.] – Eine Ankündigung, die offensichtlich wertlos war, wenn sie nicht als Forderung in den Bauvorbescheid aufgenommen war – zumal auch die Proportionsveränderungen offenbar noch in der Amtszeit desselben Bau­dezernenten erfolgt sind. Auch die Ankündigung der Unteren Denkmalschutzbehörde, daß die Originalmaße als Grundlage der Rekonstruktion dienen sollten (HNA vom 7. November 2009), blieb damit ohne weitere Folgen. Wohlgemerkt: Eine bloße Wiederherstellung des bisherigen Zustands wäre denkmal­­pflegerisch freilich ebenso legitim gewesen, mit den Detailveränderungen der Nachkriegszeit; und die Höhenmaße, die ja noch die ursprüngliche Maßstäblichkeit der Königsplatzbebauung an­schau­lich machten, waren beim Wiederaufbau ja nicht verändert worden – doch gerade diese wichtigen Höhen­maße werden nun erheblich verfälscht!

Freilich ermöglicht diese Veränderung nicht nur eine größere „Lebendigkeit“ der Fassade, sondern spart auch zusätzliche Verkaufsfläche, die sonst für eine Trennungsfuge zwischen Verkaufsetagen und Fassade nötig gewesen wäre (als Luftraum), und schiebt zugleich den Dachansatz soweit nach oben, daß durch den höhergelegten Knick des neuen Mansarddaches das oberste Verkaufsgeschoß hier besser nutzbar ist.

 

Ob tatsächlich die hochkarätige Jury mit Prof. Berthold Penkhues und Prof. Jochem Jourdan (der stets auf klare Trennungen zwischen Bestand und Neubauten Wert legte und Baufugen favorisierte, wie sie offenbar zunächst auch zwischen Neubau und vorgesetzter Fassade geplant waren) derartige Verände­rungen der historischen Maße forderte, kann der Verfasser als Außenstehender nicht beurteilen, er möch­te es aus eigener, früherer Erinnerung heraus jedoch kaum glauben.

Als interessantes Detail sei zuletzt darauf hingewiesen, daß auch das ausführende Kasseler Architektur­büro offenbar nicht ganz eigenständig arbeitete, sondern die weitere Planung gemeinsam mit einem Hamburger Büro durchzuführen hatte, welches als Fassadenberater für Peek & Cloppenburg tätig ist. Vgl. hierzu eine Pressemitteilung der Bau­wert Investment Group, die gleichwohl auch mit den klang­vollen Namen Penkhues und Jourdan für den Fassadenentwurf wirbt:

http://www.bauwert.de/tl_files/Downloads/2010-03-25-Fassadensieger_Kassel.pdf 

 

 

 

2. Mai 2010:

 

Am 26. April begann der Abbruch an der Seite zur Wolfsschlucht.

 

 

 

 

Literatur

 

Beier, Gerhard: Arbeiterbewegung in Hessen. Zur Geschichte der hessischen Arbeiterbewegung durch einhundertfünfzig Jahre (1834-1984), 2. Auflage, Frankfurt am Main 1984.

Brier, Helmut / Dettmar, Werner: Kassel. Veränderungen einer Stadt. Fotos und Karten 1928-1986, Band I, Fuldabrück 1986.

Holtmeyer, Alois: Alt Cassel (Alt Hessen 2), Marburg 1913.

Ders.: Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel, Bd. VI, Kreis Cassel-Stadt, Marburg 1923.

Kammler, Jörg / Krause-Vilmar, Dietfried (Hg.): Volksgemeinschaft und Volksfeinde. Kassel 1933-1945. Eine Dokumentation, Kassel 1984.

Königsplatz 55 (Berühmte Kasseler Bürgerhäuser), in: KNN vom 7. Okt. 1936.

Köttelwesch, Sabine: Rundgang durch das alte Kassel, Gudensberg-Gleichen 2000.

Kramm, Walter: Kassel, Wilhelmshöhe, Wilhelmstal (deutsche Lande deutsche Kunst), [Berlin] 1951.

Krause-Vilmar, Dietfrid: Korrespondenten der Chicago Herald Tribune berichten im Frühjahr 1933 über die Judenverfolgung in Kassel, in: ZHG 106 (2001), S. 293-298.

Schlier, Jutta / Most, Dietmar: Vereinigte Wohnstätten 1889 eG 1889-1989. 100 Jahre genossen­schaftlicher Wohnungsbau, Kassel 1989.

Schulz, Hartmut: Altstadtsanierung in Kassel. Stadtumbau und erhaltende Stadterneuerung vor dem Zweiten Weltkrieg (Schriftenreihe des Fachbereichs Stadtplanung / Landschaftsplanung der Gesamthochschule Kassel GhK, Bd. 6), Kassel 1983.

Warlich-Schenk, Brigitte: Kulturdenkmäler in Hessen, Stadt Kassel III, hg. vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland), Wiesbaden 2008.

Wiegand, Thomas: Kulturdenkmäler in Hessen, Stadt Kassel II, hg. vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland), Wiesbaden 2005.

 

 

Wichtige Zeitungsartikel in chronologischer Reihenfolge:

Schwab, Ellen: Modehaus statt Medizin. Geschäftshaus am Königsplatz vor dem Verkauf – Mieter müssen bis Jahresende raus, in: HNA vom 26. Febr. 2009.

Dies.: Nicht alle wollen gehen. Mieter müssen Henschelhaus am Königsplatz bis Ende des Jahres räumen, in: HNA vom 4. März 2009.

Dies.: Das Modehaus kommt. Geschäftshaus am Königsplatz verkauft – Peek & Cloppenburg will dort einziehen, in: HNA vom 23. Juni 2009. 

Dies.: OB: Innenstadt gewinnt mit P&C-Modehaus, in: HNA vom 25. Juni 2009.

Hein, Christina: Trotz Denkmalschutz: Häuser sollen weichen. Königsplatz: Peek-&-Cloppenburg-Neubau erfordert Platz, in: HNA vom 21. Juli 2009.

Dies.: Noch ist Zeit. Christina Hein über Abrisspläne in der City (Kommentar), in: HNA vom 21. Juli 2009.

Siemon, Thomas: Widerstand gegen Abriss. Letzte Erinnerung an das Brühlsche Haus, das als Perle des Rokoko galt, in: HNA vom 21. Juli 2009.

Hein, Christina: Denkmalschutz wird geopfert. Internet-Reaktionen auf Abrisspläne im Zentrum, in: HNA vom 22. Juli 2009.

Gehlen, Göran: Grüne: Neues Kaufhaus mit Solarfassade, in: HNA vom 23. Juli 2009.

Hein, Christina: Protest gegen den Abriss des Henschelhauses, in: HNA vom 25./26. Juli 2009.

Schwab, Ellen:Wir kennen die Verlustgefühle“. Kassels Denkmalschützer Dietmar Taubert im Interview über den Abriss des Henschelhauses, in: HNA vom 25./26. Juli 2009.

Hein, Christina: Abrisspläne empören viele. Engagement für den Erhalt des Henschelhauses: 500 Unterschriften in vier Tagen, in: HNA vom 29. Juli 2009.

Siemon, Thomas: „Das ist eine Schande“ Hand Germandi hält den drohen Abriss des Henschelhauses für einen Frevel, in: HNA vom 30. Juli 2009.

Lange, Thomas: Haus soll bleiben. Bürger machen gegen Abriss mobil, in: Extra-Tip vom 2. August 2009.

Einsatz für Henschelhaus. Protestaktion gegen Abrisspläne startete auf Rathaustreppe, in: HNA vom 8. August 2009.

Denkmalschutz bestattet, in: Extra-Tip vom 9. August 2009.

Siemon, Thomas / Steinbach, Jörg: „Die Fassade wird erhalten“. Zusage von Baudezernent Witte: Komplette Front des Henschel-Hauses bleibt trotz Neubaus, in: HNA vom 12. August 2009.

Hagemeier, Uli: Respekt vor dem Alten (Kommentar), in: HNA vom 12. August 2009.

Siemon, Thomas: Henschel-Haus: Stadt sagt Ja zu Vorfrage, in: HNA vom 13. August 2009.

Ditzel, Wilhelm / Siemon, Thomas: 1840 Unterschriften für den Erhalt des Henschelhauses. Diskussion im Rathaus führt nicht zur Aufweichung der Standpunkte, in: HNA vom 14. August 2009.

Siemon, Thomas: SPD: Front des Hauses erhalten. Henschelhaus: Fassade soll bleiben, in: HNA vom 17. August 2009.

Lange, Thomas: Modehaus statt Denkmalschutz? in: Extra-Tip vom 19. August 2009.

Schwab, Ellen: Görtz verlässt kleine Meile. Wilhelmsstraße kämpft mit sinkenden Besucherzahlen und feilt weiter am Profil, in: HNA vom 26. August 2009.

Seidenfaden, Horst: Auf zum Rundgang! (Kommentar über das alte Kassel), in: HNA vom 22. Oktober 2009.

Hein, Christina: Adieu, Henschelhaus. Mieter verlassen historisches Gebäude am Königsplatz – Initia­tive kämpft weiter für den Erhalt, in: HNA vom 22. Oktober 2009.

Gehlen, Göran: Abriss ist rechtens, in: HNA vom 24. Oktober 2009. 

Hein, Christina: Infos zum Henschelhaus. Bürgerinitiative bekommt Unterstützung vom Kultur-Netz Kassel und von der FDP, in: HNA vom 30. Oktober 2009.

Dies.: Wegner hält Vortrag über Henschelhaus, in: HNA vom 2. November 2009.

Dies.: Innenleben ist unbekannt. Denkmalbeirat traf Entscheidung ohne Besichtigung – Grüne wollen Ortsbegehung, in: HNA vom 5. November 2009.

Dies.: Fachleute aus Denkmalbeirat gekegelt, in: HNA vom 5. November 2009.

Dies.: 4000 Kasseler unterschrieben gegen Abriss, in: HNA vom 5. November 2009.

Hagemeier, Uli / Hein, Christina: Soll das Henschelhaus weichen? Eine Pro- und Kontra-Diskussion zum Thema Innenstadtqualität in Kassel, in: HNA vom 5. November 2009.

Steinbach, Jörg: Der Abriss ist genehmigt. Henschelhaus: Stadtbaurat Norbert Witte (CDU) weist Kritik zurück, in: HNA vom 7. November 2009.

Hein, Christina: Initiative schaltet Land Hessen ein. Petition soll jetzt Henschelhaus-Abriß stoppen, in: HNA vom 28. Januar 2010.

Lange, Thomas: Häuserkampf geht weiter. Henschelhaus: Petition eingereicht, in: Extra-Tip vom 31. Januar 2010.

Schwaab, Ellen: Abriss als letzter Ausweg. Verwaltunsggericht: Kosten für Sanierung historischer Hofanlage nicht zumutbar, in: HNA vom 10. Februar 2010.

Dies.: Das Buch zumachen (Kommentar), in: HNA vom 10. Februar 2010.

Hein, Christina: Das Henschelhaus wird abgerissen. Petition der BI für den Erhalt wurde abgewiesen, in: HNA vom 23. März 2010.

Hein, Christina / Schwaab, Ellen: Helles Kleid für neues Modehaus. Historischer Teil des Henschelhauses wird rekonstruiert, in: HNA vom 26. März 2010.

Schwaab, Ellen: „Rekonstruktion oder Neubau“. Arbeitskreis für Denkmalschutz kritisiert Entwurf für Henschelhaus-Fassade, in: HNA vom 30. März 2010.

(Redaktion Extra-Tip:) „Größtmögliches Übel!“ Arbeitskreis Denkmalschutz entsetzt über Neubaupläne am Königsplatz, in: Extra-Tip vom 7. April 2010.

Pflüger-Scherb, Ulrike: Henschelhaus – Der Abriss hat begonnen, in: HNA vom 27. April 2010.

Dies.: Gemischte Gefühle am Zaun. Viele Passanten verfolgen die Abbrucharbeiten am Henschelhaus, in: HNA vom 27. April 2010.

Schwaab, Ellen: Grünes Licht für Modehaus am Königsplatz [Bericht über die Ortsbeiratssitzung Mitte vom 22. April 2010], in: HNA vom 27. April 2010.

 

 

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